1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Verwaltung in den Fängen der Politik

Lindita Arapi24. November 2013

Nach dem Regierungswechsel in Albanien rollt eine Entlassungswelle durch die Behörden des Landes. Wichtigstes Kriterium bei den Neubesetzungen: Das richtige Parteibuch. Doch es gibt Kritik.

https://p.dw.com/p/1AIIO
Erste Sitzung des neuen albanischen Parlaments am 9.9.2013 in Tirana (Foto: DW/A. Ruci)
Erste Sitzung des neuen albanischen Parlaments am 9.9.2013 in TiranaBild: DW/A. Ruci

Nevila Nika wurde gerade gekündigt. Ohne Begründung. In Albanien, einem Land, das als "Armenhaus Europas" gilt, ist Arbeitslosigkeit keine Seltenheit. Und dennoch sorgt ihr Fall für Aufsehen. Nevila Nika ist nicht irgendwer, sie war die Direktorin des albanischen Staatsarchivs. Ihre Kündigung sorgte in der Öffentlichkeit für große Aufregung. Und sie selbst ist entrüstet: "Ich fühle mich in meiner Menschenwürde verletzt." Sie ist überzeugt, dass ihre Entlassung politische Gründe hat. "Ich habe immer versucht, dem Staatsarchiv mit großer Verantwortung zu dienen. Allerdings war ich im Gegensatz zu der Person, die mich ersetzt hat nie politisch aktiv", so Nevila Nika im DW-Gespräch. Dabei ist sie kein Einzelfall - eine Welle von Massenentlassungen überrollt zurzeit die politische Landschaft Albaniens.

Es ist kein neues Phänomen, das das kleine Land im Südosten Europas gerade erfasst. Seit Einführung der Demokratie vor 23 Jahren kommt es nach jeder Wahl zu Massenentlassungen in der Verwaltung und öffentlichen Ämtern. Anders als etwa in Deutschland, wo nach einem Machtwechsel nur die oberen Posten einer Behörde oder eines Ministeriums ausgetauscht werden, wird in Albanien dabei keine Ebene ausgespart.

Posten nach Parteibuch

Hauptkriterium bei der Neubesetzung der Ämter ist das "richtige" Parteibuch. Dieses Mal sind es die Sozialisten, die die Personalrochade nach Kräften vorantreiben. Die Opposition der Demokratischen Partei (DP) hat daraufhin eigens eine Internetplattform eingerichtet, auf der die Bürger ihre Beschwerden einreichen können: Hunderte davon seien allein in den letzten Tagen eingegangen, so der Abgeordnete der Demokratischen Partei Oerd Bylykbashi im DW Gespräch: "Es ist eingetroffen, wovor wir gewarnt haben. Die Massenentlassungen in den verschiedenen Institutionen haben begonnen. Und wir erwarten, dass die Welle weiter geht. Die Posten werden mit Leuten besetzt, die in der Sozialistischen Partei (SP) aktiv waren."

Diesem Vorwurf widerspricht die regierende Partei der Sozialisten ganz entschieden und fordert von der Opposition Beweise für ihre Thesen: "Ich persönlich informiere mich wöchentlich über die Veränderungen in der Verwaltung und stelle keine Unregelmäßigkeiten fest", so die neue Ministerin für Innovation und Verwaltung Milena Harito im DW-Gespräch. Ihr Hauptziel sei der Kampf gegen die Politisierung der Verwaltung. Der Opposition wirft sie Heuchelei vor: "Sie sagt uns das nach, was sie selbst in ihrer Regierungszeit gemacht hat", so die Ministerin im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Die Ministerin für Fortschritt und öffentliche Verwaltung Milena Harito (Foto: Ministerium)
Ministerin Milena Harito bestreitet die Vorwürfe einer Politisierung der VerwaltungBild: M. Harito

Kritik der Opposition

Mitten in der Debatte gießen die Sozialisten nun noch einmal Öl ins Feuer. Erst im Mai war ein Gesetz beschlossen worden, das die Verwaltung vor politischer Willkür schützen sollte. Das "Gesetz für den Status der Verwaltungsbeschäftigten und Beamten" sollte eigentlich schon am 1. Oktober in Kraft treten. Nun hat die Regierung eine Aufschiebung zum 1. April 2014 beschlossen, offiziell um Nachbesserungen vorzunehmen. Oerd Bylykbashi wirft der Regierung nun vor, sich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen. "Der momentane Zustand ist verfassungswidrig. Wir haben einerseits ein neues Gesetz, das nicht rechtskräftig ist, und andererseits noch das alte Gesetz." Dieses juristische Chaos diene nur einem Zweck: "Die Neustrukturierung der Verwaltung durch die sozialistische Partei fortzuführen."

Die scharfe Auseinandersetzung zwischen der sozialistischen Regierung und der demokratischen Opposition hinterlässt derweil Spuren: Der politische Dialog ist sehr belastet, die Opposition boykottierte zeitweise das Parlament. Und auch außenpolitisch kommt der Zeitpunkt für die Debatte denkbar ungelegen: Albanien soll auf dem EU-Gipfel im Dezember den EU-Kandidatenstatus verliehen bekommen. Eine der Vorgaben der EU war die Verwaltung zu entpolitisieren und zu professionalisieren, sprich die Beamten nach fachlicher Qualifikation und nicht nach Parteizugehörigkeit auszuwählen.

Edi Rama, Regierungschef der Republik Albanien (Foto: Jutta Benzenberg/DW)
Führt die 'Säuberung' der Verwaltung durch - der albanische Regierungschef Edi RamaBild: Jutta Benzenberg

Führende Parteien sind zerstritten

Der Balkanexperte, Franz-Lothar Altmann sieht den Grund für den wiederholten Personalwechsel in der Verwaltung in dem tief verwurzelten Misstrauen zwischen Demokraten und Sozialisten: "Die neue Regierung unter Edi Rama geht davon aus, dass Anhänger der DP (Demokratische Partei) im Zweifel sogar bewusst gegen die neue Regierung arbeiten würden." Eine Säuberung der Verwaltung erscheine aus ihrer Sicht absolut notwendig. "Dadurch wird eine große Chance verpasst. Es wäre eine Neuerung, wenn die Neueinstellungen wirklich nach Qualifikation und nicht nach Parteibuch erfolgen würden. Edi Rama könnte mit so einem Schritt ein wichtiges Zeichen nach innen, vor allem aber auch nach außen in Richtung EU setzen", so der Experte.

Nevila Nika versucht unterdessen, ihrem Schicksal zu trotzen und hat juristische Schritte gegen ihre Kündigung eingeleitet. Ihre Enttäuschung kann sie dennoch nicht verbergen. "Keine finanzielle Entschädigung kann die Art und Weise wie ich ersetzt wurde wiedergutmachen", sagt sie.