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Verrückte Fische in der Pfalz

Man merkt es nicht, aber es ist wahr: Kaiserslautern ist eine Großstadt. Ganz schön pfiffig, wie die Pfälzer das hingekriegt haben: Kaiserslautern hat einfach eine Handvoll Ortschaften eingemeindet.

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Wappentier der Stadt: der FischBild: DW

100.000 Einwohner braucht eine Stadt, um als "Großstadt" zu gelten - andere Kriterien gibt es für diesen Status nicht. Und so verwundert es nicht: Kaiserslautern ist immer noch überschaubar, familiär und ein bisschen provinziell. Was aber überhaupt nicht heißt, die Stadt hätte den Anschluss an die Welt verpasst - Kaiserslautern ist ein beliebter Technologie-Standort.

Amerikanische GIs und laute Flugzeuge

Der Aufstieg dieser Branche erfolgte in etwa zeitgleich mit einer einschneidenden Veränderung im städtischen Leben: Seit dem Zweiten Weltkrieg ist Kaiserslautern Garnisonsstadt amerikanischen Militärs, das Zentrum der "Bastion Pfalz". Nach Ende des Kalten Krieges 1989 wurden die Truppen nach und nach abgebaut, um mittlerweile die Hälfte des ursprünglichen Kontingents. Ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Stadt schmolz dahin.

Kaiserslautern mit Sonne
Die Dächer von Kaiserslautern

Die Entscheidung, den Flugplatz Ramstein, den größten US Luftstützpunkt in Europa, zu erweitern, wurde in Kaiserslautern mit einem lachenden und einem weinenden Auge aufgenommen: Die Zahl der knapp 40.000 in der Region von Kaiserslautern verbliebenen Amerikaner wird sich nicht weiter verringern. Aber die Stadt wird auch weiter mit dem Fluglärm der Jets und der Transportmaschinen leben müssen.

Barbarossas Spuren

Nein, besonders hübsch ist Kaiserslautern nicht gerade: Das Gesicht der Innenstadt Kaiserslauterns ist vom Wiederaufbau nach dem Krieg geprägt. Markantestes Wahrzeichen der Stadt ist der 84 Meter hohe Rathausbau aus den sechziger Jahren. An vergangene Jahrhunderte erinnern nur noch einige wenige Baudenkmäler.

Dabei ist Kaiserslautern eine Stadt mit langer Tradition. Um 1160 ließ der Staufen-Kaiser Friedrich I., alias Barbarossa, hier eine Pfalz errichten, laut mittelalterlicher Berichte prächtig, wie keine andere im ganzen Reich. Ein paar Steinquader und die Fluchtgänge, das ist alles, was von Barbarossas Residenz geblieben ist.

Auch vom 1571 errichteten Pfalzgräflichen Renaissance-Schloss sind nur noch Ruinen erhalten. Der 30-jährige Krieg und die sich daran anschließenden pfälzischen Erbfolgekonflikte ließen in Kaiserlautern kaum einen Stein auf dem anderen.

Erst Mitte des 18. Jahrhunderts konnte sich die Stadt von diesen Kriegen wieder erholen. Hundert Jahre später, mit der Gründung industrieller Unternehmen, wie der Kammgarnspinnerei und der Nähmaschinenfabrik Pfaff, entwickelte sich Kaiserslautern zum bedeutendsten Industriestandort der Pfalz. Aber auch aus dieser Zeit haben nur wenige Gebäude die Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg überstanden. Die Pfalzgalerie etwa oder die Fruchthalle, damals Umschlagplatz für Gemüse und Obst, heute Veranstaltungssaal für Konzerte und große gesellschaftliche Feste.

Ein toller Hecht

Kaiserslautern Stadtportrait: Bardamensprotte
Bardamensprotte vor der MartinskircheBild: DW

Der kaiserliche Zusatz im Namen der Stadt stammt von Barbarossa. Schade, dass von ihm im Stadtbild so gar nichts mehr zu sehen ist. Aber auch das Flüsschen Lauter, verantwortlich für den zweiten Namensteil, sucht man vergebens in der Stadt. Es ist heute überbaut. Seine einst so zahlreichen Weiher mit "lauterem", also klarem, reinen Wasser, wurden schon in alten Zeiten abgeleitet und trockengelegt.

Der Fisch im Wappen Kaiserslauterns wirkt daher heute fast kurios. Die dazugehörende Legende ist es auch: Im 15. Jahrhundert, so heißt es, sei ein riesiger Hecht aus dem Kaiserwoog, dem größten Weiher der Stadt, gezogen worden. Er trug einen Ring Barbarossas um den Hals, und er behauptete, vor 300 Jahren vom Kaiser eigenhändig dort ausgesetzt worden zu sein. Ein unbestreitbar phantastischer Fisch.

Fische der Phantasie

Um "phantastische Fische" ging es auch bei einer Aktion, mit der Kaiserslautern im Jahr 2001 den 725. Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1276 feierte. Schulklassen und Privatpersonen, Vereine und Betriebe - wer immer sich dazu berufen fühlte, konnte sich an einem riesigen Prototyp des Kaiserslauterer Wappentiers gestalterisch austoben. Das Ergebnis ist in über 200 Exemplaren unterschiedlichster Fisch-Gattungen in der ganzen Stadt zu bewundern: die Bardamen-Sprotte und der Mozart-Karpfen, Regenbogen-Sardinen und Wolken-Forellen, ein bemooster Hering, ein geflügelter Hecht, und, und, und ...

Die Bürger der Stadt lieben ihre verrückten Fische und betrachten sie als gutes Omen dafür, dass Mut und Phantasie die besten Ressourcen für die Zukunft sind.