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EU Ukraine

19. Dezember 2011

Keine Unterschriften unter Dokumente, stattdessen kritische Fragen zur politischen Lage im Land. Die EU geht zu Recht auf Distanz zur Ukraine, meint Bernd Johann.

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Themenbild Kommentar
Bild: DW

Der EU-Ukraine-Gipfel endete ohne konkrete Ergebnisse. Die Ukraine hat bei diesem Treffen die große Chance verpasst, enger an die Europäische Union heranzurücken. Denn Brüssel ist derzeit nicht bereit, das praktisch fertig ausgehandelte Freihandels- und Assoziierungsabkommen zu unterschreiben. Beide Seiten haben sich offenbar eine längere Denkpause bis zur Parlamentswahl in der Ukraine im Herbst nächsten Jahres verordnet. Bis dahin wird die EU beobachten, wie sich die Lage in der Ukraine entwickelt.

Assoziierungsvertrag liegt auf Eis

Das Gipfeltreffen in Kiew ist ein Wendepunkt in den Beziehungen. Eine Assoziierung wäre ein echter Schritt in Richtung EU-Integration der Ukraine. Stattdessen aber liegt sie jetzt auf Eis. Das harte Gerichtsurteil und ein weiterer Prozess gegen Julia Timoschenko liegen als großes Hindernis zwischen Kiew und Brüssel, das derzeit nicht überwindbar erscheint. Das Vorgehen der ukrainischen Justiz gegen die frühere Regierungschefin hält die EU nach wie vor für politisch motiviert.

Auch das Gebaren des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch in der Angelegenheit hat Misstrauen geweckt. Mal wies dieser in den vergangenen Wochen auf die Unabhängigkeit der Justiz hin. Dann wieder deutete er an, Gesetzesänderungen oder eine Revision könnten das Ergebnis des umstrittenen Verfahrens gegen Timoschenko verändern. Das waren seltsame Äußerungen, die die Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Verfahren noch weiter genährt haben.

Es geht nicht nur um Timoschenko

Porträt von Bernd Johann
Bernd Johann, Leiter der Ukrainisch-Redaktion

Doch es geht längst nicht mehr nur um den Fall Timoschenko. Der ukrainische Präsident und seine Administration fordern eine EU-Perspektive für ihr Land. Aber seit dem Amtsantritt von Janukowitsch hat sich die Ukraine von der EU immer weiter entfernt. Demokratie und Rechtsstaat scheinen keine Priorität der Führung in Kiew zu sein.

So wurden Verfassungsänderungen, die die Rolle des Parlaments gestärkt hatten, kurzerhand zurückgenommen. Reformen im Justiz- und Verwaltungsbereich blieben aus. Dafür wurden fast alle wichtigen Positionen in Verwaltung und Justiz inzwischen mit Gefolgsleuten von Janukowitsch und dessen "Partei der Regionen" besetzt. Die Opposition steht unter großem politischen Druck. Denn nicht nur Timoschenko, sondern auch andere Oppositionspolitiker sind mit juristischen Verfahren konfrontiert. Viele Medien klagen über die Einflussnahme des Staates auf ihre Berichterstattung.

Widersprüchliche Außenpolitik

Auch außenpolitisch setzte die Ukraine unter Janukowitsch bislang keine klaren Signale. Sie verfolgt offenbar eine Politik der Mehrgleisigkeit, die auch bereit zu sein scheint, Russland und die EU gegeneinander auszuspielen. Neben einer EU-Annäherung ist in Kiew auch von der Möglichkeit eines Beitritts zur postsowjetischen Zollunion mit Russland, Belarus und Kasachstan die Rede. Auch über eine Teilnahme an einer "Eurasischen Union" ehemaliger Sowjetrepubliken, an deren Gründung Russland derzeit arbeitet, wird nachgedacht.

Aus diplomatischen Kreisen in Kiew hieß es vor einigen Tagen sogar, der Gipfel mit der EU könne nicht stattfinden, weil Janukowitsch zu Gesprächen nach Moskau fahren werde. Nun reist Janukowitsch doch erst nach dem Gipfel mit der EU nach Moskau. Es geht dabei vor allem um den Tarif für russisches Gas. Die Ukraine hofft auf einen kräftigen Preisnachlass, den Russland ihr vielleicht auch gewähren wird - jetzt, da die weitere Annäherung zwischen der EU und der Ukraine erst einmal gestoppt scheint.

Zeit für Entscheidungen

Zwanzig Jahre sind vergangen, seit die Ukraine unabhängig geworden ist. Ihren Platz in Europa hat sie immer noch nicht gefunden. Sie schwankt zwischen engen Beziehungen mit ehemaligen Sowjetrepubliken auf der einen und einer europäischen Perspektive innerhalb der EU auf der anderen Seite. Die Ukraine wird sich entscheiden müssen. Entweder bekennt sie sich auf dem Weg in die EU zu demokratischen und rechtsstaatlichen Werten oder sie verbündet sich eng mit autoritären Staaten wie Russland und Belarus.

Aber auch die EU steht vor einer Entscheidung. Wenn sie einen stabilen Partner im Osten Europas haben will, der auf dem Weg der politischen Reformen vorangeht, dann muss sie sich stärker als bisher mit der Ukraine auseinandersetzen. Letztlich wird die EU der Ukraine dann auch eine Beitrittsperspektive eröffnen müssen.

Autor: Bernd Johann
Redaktion: Tamas Szabo