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Politik

Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft in Haft

Shabnam von Hein
14. Oktober 2016

Wegen Festnahme mehrerer Iraner mit ausländischen Pässen steht die iranische Regierung unter Druck. Kritiker werfen dem Iran vor, Unschuldige als Geiseln für politische Zugeständnisse zu nehmen.

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Evin Gefängnis in Teheran im Iran
Bild: FF

Klare Worte an die Adresse Irans kommen von den Vereinten Nationen: Das Land verletze weiterhin die Menschenrechte, urteilt Ahmad Shaheed, der UN-Sonderberichterstatter für den Iran. Er fordert die Regierung des Landes zur bedingungslosen Freilassung der festgenommenen Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft auf. "Ihre Verhaftung und die Verletzung ihrer Rechte auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht sind eklatante Verletzungen der iranischen Verpflichtungen nach internationalem Recht", betonte Ahmed Shaheed vergangene Woche.

Anlass für die Beschwerde ist das Vorgehen der iranischen Justiz. Vier Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft sitzen in Haft. Bis Ende September waren es sogar fünf. Gegen drei von ihnen wurde Anklage wegen angeblicher Spionage erhoben: die britisch-iranische Staatsbürgerin Nazanin Zaghari-Ratcliffe, Projektmanagerin bei der Thomson Reuters Stiftung, der amerikanisch-iranische Wirtschaftsberater Siamak Namazi und die kanadisch-iranische Professorin Homa Hoodfar. Alle drei Klagen berührten die nationale Sicherheit, teilte die Staatsanwaltschaft in Teheran Mitte Juni mit.

Einerseits erkennt der Iran doppelte Staatsangehörigkeiten nicht an. Anderseits entlässt das Land seine Bürger praktisch nie aus der iranischen Staatsbürgerschaft, auch wenn diese im Ausland leben und eine andere Staatsbürgerschaft annehmen. Wenn jemand mit Doppelpass in den Iran reist, gilt er als Iraner und wird auch juristisch so behandelt.

Haltlose Vorwürfe gegen unschuldigen Menschen

"Die iranischen Gesetze verlangen die Anklage wegen Spionage, wenn der Beschuldigte nachweislich geheime Informationen an ein feindliches Land weitergegeben hat", erläutert die iranische Menschenrechtsanwältin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi die Rechtslage. Doch: "Im Fall der jetzt Angeklagten gibt es dafür keine Beweise", schränkt Ebadi gleichzeitig ein.

Homa Hoodfar am Flughafen Montreal
Genderforscherin Hoodfar bei ihrer Rückkehr nach Kanada: Nach Verhandlungen freigelassenBild: picture-alliance/AP Photo/The Canadian Press/R. Remiorz

Immerhin: Die Genderforscherin Homa Hoodfar wurde am 26. September überraschend aus dem berüchtigten Evin-Gefängnis entlassen. Knapp eine Woche zuvor, hatte der kanadische Außenminister Stéphane Dion mit seinem iranischen Kollegen Javad Zarif am Rande der UN-Generalversammlung in New York über ihre Freilassung gesprochen. Kanadische und iranische Medien spekulieren nun darüber, was der Preis für Hoodfars Freilassung war. Aus Sicht von Shirin Ebadi war das Ganze eine Art politischer Geiselnahme: "Homa Hoodfar wurde unschuldig verhaftet und nun nach Verhandlungen auf politischer Ebene freigelassen", so die Menschenrechtsanwältin. "Es fällt auf, dass direkt nach ihrer Freilassung die Meldung über die Wiedereröffnung der kanadischen Botschaft in Teheran bestätigt wurde."

Dass die Regierung etwas mit der Hoodfars Festnahme zu tun hatte, weist Außenminister Zarif von sich. Für die Verhaftung von Iranern mit doppelter Staatsbürgerschaft sei die Justiz zuständig, nicht die Regierung von Hassan Rohani. In seiner letzten Pressekonferenz in New York betonte Sarif: "Die Justiz im Iran agiert unabhängig." Er fügte aber gleichzeitig hinzu: "An der Freilassung einiger von ihnen war ich ja bekanntlich beteiligt."

Ein bekanntes Muster

"Die Regierung kann nicht einfach jede Verantwortung von sich weisen", kritisiert Reza Moini, Iranreferent im internationalen Sekretariat von "Reporter ohne Grenzen". "Für die Verhaftungen dieser Leute ist das Geheimdienstministerium verantwortlich, das der Regierung untersteht." Gerade bei Journalisten, die neben der iranischen auch eine andere Staatsbürgerschaft haben, sei das ein bekanntes Muster. "Sie werden wegen angeblicher Spionage verhaftet und vor Gericht gestellt. Die Vorwürfe werden aber nie bestätigt", so Moini im DW-Interview. Die Gefangenen würden fast alle nach politischen Verhandlungen freikommen. "Das haben wir zuletzt im Fall von Jason Rezaian erlebt."

Shirin Ebadi in Turin
Menschenrechtsanwältin Ebadi: "Keine Beweise"Bild: picture-alliance/Pacific Press/M. Ferraro

Rezaian, amerikanisch-iranischer Korrespondent der "Washington Post", wurde 2014 in Teheran verhaftet. Wegen "Spionage" saß er 18 Monate im Gefängnis. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Atomverhandlungen wurde der Journalist im Januar 2016 freigelassen. Anfang Oktober hat Rezaian den Iran verklagt. Einem Bericht der "Washington Pos"t zufolge heißt es in seiner Klageschrift: "Ich wurde als Geisel gehalten und 18 Monate psychologisch gefoltert." Rezaian sagt, er habe während seiner Verhöre wiederholt gehört, dass er für den Austausch mit iranischen Gefangenen in den USA Verhandlungswert hat. Nun fordert er vom Iran Entschädigung.

Abolfazl Hassanbeigi, Mitglied des Nationalen Sicherheitsausschusses im iranischen Parlament, sieht darin einen Beweis der Undankbarkeit des Journalisten. Rezaian sei aufgrund der islamischen Barmherzigkeit im Iran "begnadigt" worden, sagte er die iranischen Medien. In selben Atemzug fügt Hassanbeigi allerdings hinzu: "Die Amerikaner hatten versprochen, als Gegenleistung 20 inhaftierte Iraner aus US-Gefängnissen freizulassen. Sie haben nicht Wort gehalten."