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Welches Recht gilt?

24. März 2010

Wenn bi-nationale Paare sich scheiden lassen, wissen sie oft nicht, welches Recht für sie gilt. EU-Justizkommissarin Reding will den 140.000 Paaren, die sich jedes Jahr in der Union trennen, mit klaren Regeln helfen.

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EU-Justizkommissarin Reding im Interview (Foto: Susanne Henn)
EU-Justizkommissarin Viviane RedingBild: DW

DW-WORLD.DE: Wie will die EU gemischt-nationalen Paaren, die sich scheiden lassen, das Leben erleichtern?

Viviane Reding: Wir möchten, dass die Menschen, die in Europa grenzüberschreitend aktiv sind, nicht auch noch bestraft werden, wenn sie eine Grenze überschreiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir hier rechtliche Klarheit schaffen. Es ist ja schon schlimm genug, wenn man durch eine Scheidung hindurch muss. Wenn man dann auch noch darüber streitet, welches Recht angewandt werden soll, weil ein Deutscher mit einer Spanierin verheiratet ist und die beiden in Helsinki leben, dann wird es nun wirklich schwierig.

Wo liegen denn im Moment die Probleme für bi-nationale Paare?

Sie wissen oft nicht, welches Recht angewandt wird und welches Gericht zuständig ist. Es kommt auch vor, dass der etwas wendigere Partner sich einfach das Gericht aussucht und versucht, eine Scheidung zu bekommen, die ihm eher zuspricht. Das kann und darf doch nicht sein. Ich kann ein ganz extremes Beispiel nennen: Stellen Sie sich vor, eine Frau aus dem Süden Europas heiratet einen Mann aus dem Norden Europas und die beiden leben zusammen in Deutschland. Der Mann geht in den Norden, beantragt dort die Scheidung und die Hausfrau, die mit den Kindern in Deutschland lebt, bekommt das über Fax mitgeteilt. Das ist alles im Moment möglich.

Welche Neuerungen beinhaltet Ihr Vorschlag?

Ein Hochzeitsfoto wird zerrissen (Foto: Bilderbox - Erwin Wodicka)
Klare Regeln, welches Recht angewandt wirdBild: picture-alliance/MAXPPP

Bei der Heirat sollen beide Partner festlegen, welches Gericht im Falle einer Scheidung zuständig ist. Wenn sie das nicht getan haben, gibt es eine Hierarchie von Kriterien: Zunächst gilt das Recht des Landes, in dem das Paar wohnt oder zuletzt zusammengewohnt hat. Wenn das auch nicht klappt, gilt das Recht des Landes der gemeinsamen Nationalität. Und wenn alle Stricke reißen, gilt das Recht des Landes, in dem die Scheidung eingereicht wurde. So wird Rechtsklarheit geschaffen.

Warum gibt es solche Vereinfachungen im Scheidungsrecht bislang noch nicht?

Ganz einfach: weil man dazu eine einstimmige Entscheidung im Rat braucht. Und es gibt immer Mitgliedsstaaten, die nicht mitmachen wollen. Deshalb habe ich jetzt zum ersten Mal in der Geschichte der EU das System der verstärkten Zusammenarbeit angewandt: Die Staaten, die mitmachen wollen, sollen das zusammen tun - und alle anderen können zu jedem Moment dazu stoßen und in dieser Gruppe mitarbeiten.

Nun machen zunächst nur zehn Länder mit - was ist mit den anderen?

Ein Paar zerreißt ein Hochzeitsfoto (Foto: Bilderbox)
Vorteile für bi-nationale PaareBild: Bilderbox

In den anderen 17 Ländern ändert sich rein gar nichts. Das ist nicht zum Vorteil der Menschen vor Ort, aber es ist auch nicht zu ihrem Nachteil. Das Recht bleibt, wie es eben ist. Aber ich glaube, zahlreiche andere Mitgliedsstaaten werden sich dieser Bewegung der zehn Initiatoren anschließen.

Wie lange wird es dauern, bis die Bürger etwas davon haben?

Wir müssen noch ein gutes Jahr warten, bis die Initiative Wirklichkeit wird. Die Praxis wird aber zeigen, dass klare Regeln dazu führen, dass es weniger Probleme gibt - und damit auch weniger administrativen Aufwand.

Derzeit wollen sich Österreich, Frankreich, Griechenland, Ungarn, Italien, Luxemburg, Rumänien, Slowenien, Spanien und Bulgarien an der Initiative beteiligen.


Das Interview führte Susanne Henn.
Redaktion: Julia Kuckelkorn