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Kriegsverbrechen: War Lafarge Mittäter?

Luisa von Richthofen
18. Mai 2022

Der Zement-Produzent Lafarge soll mit dem IS in Syrien kooperiert haben und wird deshalb wohl in Frankreich angeklagt. Beobachter sprechen von einem wichtigen Signal zur Unternehmens-Verantwortung in Kriegsgebieten.

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Syrien Unternehmen Lafarge, Fabrik in Ayn Al-Arab
Als einziges multinationales Unternehmen blieb Lafarge in Syrien während der IS-Herrschaft in dieser Fabrik weiter tätigBild: Chris Huby/Le Pictorium/Zuma/IMAGO

Lange hat sich das Zement-Unternehmen Lafarge dagegen gewehrt, doch nun kann die französische Justiz weiter ermitteln. Der Anklagepunkt wiegt schwer: Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Ein Pariser Berufungsgericht verwarf den Einspruch Lafarges und gab stattdessen dem obersten französischen Gericht Recht, das im September angewiesen hatte, den Vorwurf des Verbrechens gegen die Menschlichkeit wieder in den Blick zu nehmen.

Was wird Lafarge genau vorgeworfen?

Zum Hintergrund: Laut der Anklage unterhielt Lafarge Absprachen mit dem sogenannten Islamischen Staat (IS), um den Betrieb ihrer Fabrik in Nordostsyrien von 2012 bis 2014 aufrecht zu erhalten. So soll das Unternehmen für die Zementherstellung Rohstoffe wie Öl und Puzzolanerde vom IS gekauft und Gebühren für Passierscheine gezahlt haben. Insgesamt soll Lafarges Tochtergesellschaft Lafarge Cement Syria circa 13 Millionen Euro an verschiedene bewaffnete Gruppen gezahlt haben - offenbar ungeachtet des anhaltenden Krieges, der regelmäßigen Entführungen und der Gefährdung der Mitarbeiter.

Frankreich Paris | Cour d'appel
Beim zweiten Anlauf hielt das Pariser Gericht an der Anklage gegen Lafarge im Syrien-Fall festBild: Stephane de Sakutin/AFP/Getty Images

In Frankreich wird deshalb gegen das Unternehmen (damals noch Lafarge, nach der Fusion mit einem Schweizer Konzern 2015 LafargeHolcim) ermittelt - wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Finanzierung einer terroristischen Vereinigung, Verletzung des EU-Embargos und Gefährdung des Lebens von ehemaligen Beschäftigten der syrischen Fabrik.

Konflikt in Syrien | IS-Kämpfer
13 Mio. Euro soll das Unternehmen Lafarge an bewaffnete Gruppen in Nordsyrien gezahlt haben, darunter auch an den ISBild: Uncredited/Militant Photo/dpa/picture alliance

"Rücksichtslos Leben gefährdet"

Von der gefährlichen Lage in den Gebieten, die ab 2012 vom IS kontrolliert wurden, soll die Zentrale in Paris Kenntnis gehabt haben. Trotzdem zog sich Lafarge aus der Region nicht zurück. Die Konzern-Führung soll sogar Angestellte genötigt haben, trotz der Gefahr zur Arbeit zu erscheinen.

"Sie haben nicht einfach nur Geschäfte gemacht, sondern rücksichtslos mein und das Leben meiner Kollegen gefährdet", sagt Mohammad, einer der Kläger in dem Verfahren. Er sagt, die Entscheidung des Pariser Gerichts bringe ihn und die anderen Kläger der Gerechtigkeit einen Schritt näher: "Es ist wichtig, dass solche großen Unternehmen erkennen, dass Macht und Reichtum es ihnen nicht erlauben, ohne Konsequenzen zu handeln."

Inzwischen hat das Unternehmen mitgeteilt, Fehler von damals zu bereuen und Schritte eingeleitet zu haben, damit sich diese nicht wiederholen.

Wann der Prozess gegen Lafarge starten wird, ist noch unklar. Der Schweizer Mutterkonzern LafargeHolcim kündigte in einer Mitteilung an, gegen die Entscheidung Berufung einlegen zu wollen. Sollte es zu einem Prozess kommen, wäre das historisch: Erstmals käme mit Lafarge in Frankreich ein Unternehmen als juristische Person für die mutmaßliche Beteiligung an Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht , und nicht wie bisher nur Einzelpersonen. Gerade mit Hinblick auf den Krieg in der Ukraine könnte der Prozess einen Präzedenzfall schaffen und die Bedeutung von Strukturen statt der Verantwortung Einzelner in den Vordergrund stellen. 

Staatsfolter vor Gericht

"Historische Entscheidung"

"Einen echten Sieg", nannte Claire Tixeire die Entscheidung des Pariser Gerichts. Sie ist Juristin beim Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) und hat den Fall mit betreut. Wenn schwere Verbrechen begangen würden, dann reiche es nicht mehr, die Verantwortung der politischen und militärischen Akteure zu beleuchten. 

"Auch die Rolle von Wirtschaftsakteuren, multinationalen Konzernen, die extrem mächtige Akteure sind, muss zur Sprache kommen", fordert Tixeire. Die Entscheidung sei ein klares Signal an alle Wirtschaftsakteure, die versuchten, von bewaffneten Konflikten zu profitieren. Auf die Frage ob der Fall Lafarge auch in anderen Führungsetagen mitverfolgt werde, antwortet Tixeire: "Da bin ich mir sicher."