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USA widersprechen Gabriels TTIP-Abgesang

30. August 2016

Gerade hat Wirtschaftsminister Gabriel das geplante Freihandelsabkommen mit den USA für "de facto gescheitert" erklärt. Die Regierung in Washington sieht das ganz anders. Sie will trotz aller Probleme weiter verhandeln.

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Plakat bei einer TTIP Infoveranstaltung in Berlin (Archivbild: Getty Images)
Bild: Getty Images/S. Gallup

In Washington ist man ziemlich irritiert über das Vorpreschen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zu den Aussichten des angestrebten Freihandelsabkommens TTIP zwischen der Europäischen Union und den USA. Der Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman sagte Spiegel Online, die Verhandlungen machten "in Wahrheit ständig Fortschritte". Es liege in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart sei, bis alles vereinbart sei.

"Insofern ist es nicht im Geringsten überraschend, dass einzelne TTIP-Kapitel noch nicht förmlich beschlossen worden sind", zitierte das Portal den Sprecher Fromans. Der Handelsbeauftragte werde sich wie geplant zur nächsten Verhandlungsrunde Mitte September mit seinem EU-Kollegen treffen.

Gabriel hatte am Sonntagabend im Zweiten Deutschen Fernsehen gesagt, die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen seien "de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen". Er verwies auf die harte Verhandlungslinie der USA. "Da bewegt sich nichts", sagte Gabriel.

Union widerspricht

Das geplante TTIP-Abkommen mit den USA ist in Deutschland zwar derzeit nicht sehr populär. Dass Gabriel das Projekt aber quasi für tot erklärte, kam beim Berliner Koalitionspartner Union nicht gut an. Auch die Wirtschaftsverbände sind sauer. Bundeskanzlerin Angela Merkel hält gar nichts davon, das geplante Mega-Abkommen jetzt schon als erledigt einzustufen. Sie ließ in Berlin erklären: "Es ist richtig, weiter zu verhandeln." Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Merkel sehe es als ihre Aufgabe, abzuwarten, was die EU in den Verhandlungen mit den USA erreichen könne. Schon oft sei das Entscheidende erst in der letzten Runde von Gesprächen passiert. Er räumte aber ein, dass die Positionen der Verhandlungspartner "in wichtigen Fragen durchaus voneinander abweichen".

CDU-Generalsekretär Peter Tauber merkte an, der Eiertanz Gabriels zwischen Parteivorsitz und Wirtschaftsminister sei nur schwer erträglich. "Als Wirtschaftsminister muss man ihn daran erinnern, dass sein Amtseid dem deutschen Volk gilt, nicht der SPD oder gar der Parteilinken." Gabriel sei verpflichtet, für Arbeitsplätze zu streiten und für die Interessen deutscher Unternehmen. "Deswegen ist seine Haltung zum Freihandel und vor allem zu TTIP grundfalsch."

Auch EU hat Einwände

Auch die EU-Kommission widersprach Gabriel. "Der Ball rollt jetzt. Die Kommission macht stetig Fortschritte", sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas. Wenn die Bedingungen stimmten, könnten die 2013 gestarteten Verhandlungen bis Jahresende abgeschlossen werden.

"Ich finde es erstaunlich, dass der Bundeswirtschaftsminister die TTIP-Verhandlungen für de facto gescheitert erklärt", sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Dies sei politisch fragwürdig. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer sagte: "Ich begrüße, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei TTIP weiter Flagge zeigt und den richtigen Kurs für den Exportstandort Deutschland vorgibt." Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warf Gabriel wahltaktisches Taktieren vor. In dem Interview habe "wohl nicht der Bundeswirtschaftsminister gesprochen, sondern der SPD-Vorsitzende, der in TTIP ein Wahlkampfthema erkannt hat". Nur aus der eigenen Partei und aus dem Gewerkschaftslager erhielt Gabriel Unterstützung. IG-Bau-Chef Robert Feiger sagte, alles was bisher über TTIP bekannt sei, widerspreche "unserer Vorstellung von einem Zusammenleben in Europa".

Das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA soll Handelsbarrieren senken und Normen bei Produkten und Verfahren angleichen. Allerdings stocken die Gespräche um das umstrittene Vertragswerk seit längerem. Gegner befürchten, durch TTIP könnten hiesige Umwelt- und Sozialstandards aufgeweicht werden.

kle/cr (rtr, dpa, afp)