1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Chance auf Frieden?

Benjamin Knight/ cb26. Juni 2013

Die USA und Afghanistan haben widerwillig die Öffnung eines Taliban Büros in Katar geduldet - und somit eine kleine Chance auf Frieden ermöglicht. Aber wird die USA von nun an mehr mit militanten Gruppen verhandeln?

https://p.dw.com/p/18wbO
Eröffnung eines büros FAISAL AL-TIMIMI/AFP/Getty Images)
Katar Büro der Taliban in DohaBild: AFP/Getty Images

Das Büro wurde geöffnet, aber das Schild sollte weg - es gibt wenige Dinge, die die Komplexität des Konflikts in Afghanistan so gut illustrieren wie die Taliban Büroeröffnung in Katar letzte Woche. Der afghanische Präsident Hamid Karzai zeigte sich zunächst einverstanden, dass die Rebellengruppe eine Niederlassung in dem Golfstaat einrichten wollte. Aber als er das Schild sah, auf dem "Islamic Emirate of Afghanistan" stand, wurde er wütend. Schließlich war das der Name, den sein Land trug, als es von 1996 bis 2001 unter dem islamistischen Regime der Taliban stand. 

Es sah so aus, als hätte eine Exilregierung eine Existenzberechtigung erhalten. Und zwar nicht nur von Katar, sondern auch von der US-Regierung, die die Öffnung des Büros als einen ersten Schritt in Richtung Verhandlungen erlaubt hatte. Nach einem Jahrzehnt im Exil und der Einstufung als Terror-Organisation, waren die Taliban plötzlich eine politische Gruppierung mit einer internationalen Präsenz.

Bericht über Probleme der Frauen gesendet worden, die in Afghanistan gern sportlichen Tätigkeiten nachgehen würden. Der Reporter hat einen Karateklub für Frauen besucht und sie über ihre Probleme mit der Familie und Gesellschaft interviewt. Copyright: DW/Hussain Sirat
Die Frauen in Afghanistan haben jetzt andere Freiheiten als unter den TalibanBild: DW/H. Sirat

Trotz dieser Probleme im frühen Stadium sieht es so aus, als ob Washington, Kabul und die Taliban nun offen für Friedensgespräche sind. Um überhaupt so weit zu kommen, mussten alle drei erhebliche Zugeständnisse machen, sagt Matt Waldman, Experte beim britischen Thinktank Chatham House. 

Die USA ließen von der Bedingung ab, dass die Taliban sich öffentlich von Al Kaida distanzieren, die afghanische Regierung gab ihre Bedenken über das Büro in Doha auf, und die Taliban hörten auf, öffentlich zu erklären, dass sie nicht mit der Karzai Regierung sprechen würden. "Das war immer ihre Position für die Öffentlichkeit, obwohl sie sich in der Vergangenheit sehr wohl mit Vertrauten Karzais getroffen haben", sagte Waldman der DW.

Umstrittenes Symbol

Die Diskussion um das Schild an dem Gebäude in Doha zeigt in vielerlei Hinsicht, worum es bei dem Konflikt geht - bedeutet es, dass es letztlich das Ziel der Taliban ist, sich wieder als legitime Regierung in Afghanistan zu positionieren? "Das ist eine sehr gute Frage", sagt Waldman. "Und eine, die man den Verhandlungsführern der Taliban stellen muss. Denn wenn sie eigentlich nur das Emirat wieder einführen wollen, werden wir nicht weit kommen. Aber wenn sie für Kompromisse bereit sind, gibt es Raum für einen Dialog und vielleicht die Möglichkeit für ein Friedensabkommen oder sogar ein Abkommen, das die Macht im Land aufteilt."

Das sei keine Fantasievorstellung, behauptet Waldman. Immerhin sehen sogar die Taliban ein, dass eine Forderung das ganze Land zu regieren, wieder zu einem bewaffneten Konflikt führen würde. "Die Pragmatiker unter den Taliban haben erkannt, dass die afghanische Bevölkerung sich verändert hat. Die Menschen haben jetzt Erwartungen in Bezug auf soziale Dienste und Freiheiten, und die Taliban wissen, dass sie allein diese Erwartungen nicht erfüllen können", sagt Waldman.

Alle haben genug vom Krieg

Eine Motivation für die neue Gesprächsbereitschaft ist Kriegsmüdigkeit. "Die USA möchten sich zurückziehen und den Konflikt beenden", sagt Waldmann. "Und man sieht ja, dass die Afghanen herbe Verluste hinnehmen müssen - pro Monat werden rund 250 Soldaten und Polizisten getötet. Die afghanische Bevölkerung sehnt sich nach Jahrzehnten im Krieg und Chaos natürlich nach Frieden. Selbst bei den Taliban gibt es einige, die das Leid und den Hass, den sie herbeigeführt haben, bedauern."

Polizisten tragen verwundete personen (AP Photo/Jawed Basharat)
Der Krieg hat viele Tote und Verletzte gefordertBild: picture-alliance/dpa

Für Judy Dempsy vom Carnegie Europe Thinktank ist es eine erstaunliche Kehrtwende nach 10 Jahren schrecklicher Kämpfe und Verluste. "Es erinnert mich an die Zeit, als niemand mit der IRA in Nordirland sprechen wollte. Und irgendwann haben Dublin und London festgestellt, dass sie nie langfristigen Frieden erreichen würden, wenn sie nicht mit beiden Seiten sprächen. Das haben sie mit unglaublicher Überzeugungskraft und imposanter Diplomatie getan, weil sie gemerkt hatten, dass, wenn es einen Krieg geben sollte, sie ihn militärisch niemals gewinnen würden."

Gespräch mit Terroristen als Präzedenzfall?

Die Situation in Afghanistan ist aber völlig anders als die in Nordirland, gibt Dempsey zu. "Dieser Krieg in Afghanistan hat so viele Leben gekostet, aber auf der anderen Seite Mädchen und jungen Frauen sehr viel Hoffnung gegeben", erzählt sie der DW. "Und jetzt geht es ums Ganze und die Afghanen müssen selbst entscheiden, welchen Weg sie nehmen wollen."

In den USA glauben währenddessen einige Beobachter, dass Präsident Barack Obama in seiner zweiten Amtszeit bereit sei, mehr politische Risiken einzugehen, um Konflikte zu lösen - dass er bereit sei, mit Terroristen zu verhandeln.

Dempsey jedoch warnt vor zu viel Optimismus."Ich denke, die Sache sieht ganz anders aus. Es hängt sehr viel davon ab, wo diese Gruppen herkommen. Die anderen Kriege sind nicht vergleichbar, vor allem, weil die USA militärisch nicht so engagiert ist, wie in Afghanistan. Deswegen kann dies kein Präzedenzfall sein."

Waldman ist ebenfalls skeptisch. "Ich denke, es ist richtig, dass die USA mit militanten Gruppen verhandelt. Oft ist das in ihrem Interesse", sagt er. "Gleichzeitig habe ich aber auch Zweifel. Die Probleme entstehen dann, wenn die Verhandlungen an die Öffentlichkeit dringen. Dann wird den verschiedenen Parteien bewusst, dass sie ihrer Seite zeigen müssen, wie stark sie in den Verhandlungen auftreten, und das ist für den Dialog nicht hilfreich. Sie versteifen sich auf ihre Positionen, und das verhindert Fortschritte."

Den Experten zufolge ist es also vielleicht gar nicht schlecht, wenn nicht viel von den Friedensverhandlungen an die Öffentlichkeit dringt. Je weniger wir hören, desto größer könnten die Chancen auf Erfolg sein, so die Hoffnung.