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US-Sanktionen jagen russischen Rubel in den Keller

Arthur Sullivan
30. November 2024

Russlands Währung bricht ein, nachdem die USA Sanktionen gegen eine der größten Banken des Landes, die Gazprombank, verhängen. Inflation und Zinsen steigen, Fachleute fürchten eine Überhitzung der Kriegswirtschaft.

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Fünftausender-Rubel-Banknoten, aufgeblättert und mit zwei Daumen festgehalten
Der russische Rubel verliert drastisch an Wert. Dies verbilligt zwar russische Exporte, verteuert aber Importe und heizt die Inflation anBild: Sergei Karpukhin/Tass/dpa/picture alliance

Der russische Rubel stürzt ab. Mitte dieser Woche näherte sich der Dollar der Marke von 115 Rubel, der Euro kostete bereits mehr als 120 Rubel an der Börse Forex. Damit hat die russische Landeswährung seit Anfang August fast ein Viertel ihres Werts verloren.

Dmitri Pjanow, Topmanager der russischen VTB-Bank, macht neue US-Sanktionen gegen die Gazprombank für den Kursverfall verantwortlich. Die Sanktionen hätten Panikkäufe auf dem Devisenmarkt ausgelöst. Pjanow, rechnet mit einem Anstieg des Leitzinssatzes auf 23 Prozent.

Was steckt hinter den Kursverlusten?

Nicht nur die russische Währung büßt seit Ende des Sommers an Wert ein. Im selben Zeitraum fielen auch die Ölpreise und verringerten damit die Erträge aus dem wichtigsten Exportgut des Landes.

Das erhöht den Druck auf eine Kriegswirtschaft, die bereits unter der Last der massiv steigenden Inflation leidet. Präsident Wladimir Putin hat die Militärausgaben in den vergangenen 18 Monaten drastisch erhöht, um im Krieg gegen die Ukraine die Oberhand zu gewinnen.

Die Verteidigungsausgaben haben sich seit 2021 mehr als verdreifacht und sollen im Haushalt für das kommende Jahr auf einen Rekordwert von 13,5 Billionen Rubel (122 Milliarden US-Dollar bzw. 116 Milliarden Euro) steigen. Dies entspricht einer Anhebung von 25 Prozent.

Die russische Zentralbank geht davon aus, dass die Inflation in diesem Jahr 8,5 Prozent erreichen wird, das angestrebte Inflationsziel würde sich damit verdoppeln. Auch die Zinssätze liegen mit einer Rate im Oktober von 21 Prozent bereits auf einem Rekordhoch.

Der unvermittelte Absturz des Rubels in den vergangenen Tagen lässt sich auf die Sanktionen zurückführen, die die USA am 21. November gegen die Gazprombank verhängten.

Die Bank, eine der größten russischen Banken des Landes, gehört  zu den wenigen großen Finanzinstituten des Landes, die bislang von Sanktionen verschont geblieben waren. Sie hat sich zu einer wichtigen Plattform für Zahlungen für russische Energielieferungen entwickelt und ist zugleich der wichtigste Zugangspunkt des Landes zum globalen Finanzsystem.

Der Ausschluss der Bank aus dem US-dominierten globalen Finanzsystem schränkt die Möglichkeiten des Kremls ein, seine Streitkräfte zu finanzieren. Zusätzlich erschwert es den Zugriff auf die Einnahmen aus Rohstoff- und Gaslieferungen an die letzten verbliebenden europäischen Kunden wie die Slowakei und Ungarn.

Die US-Regierung hat zudem damit begonnen, ausländische Banken dazu zu drängen, keine Geschäfte mehr mit Russland abzuschließen. Sie warnt deshalb vor sogenannten "sekundären Sanktionen".

Diese Vergeltungsmaßnahmen drohen Staaten, die sich Russlands System zur Übermittlung von Finanznachrichten (SPFS) anschließen. Das vom Kreml entwickelte System gilt als Alternative zum westlich dominierten SWIFT-System.

"Die russische Zentralbank versucht eiligst Wege zu finden, die Sanktionen zu umgehen", erklärt Anlageberater Chris Weafer. "Wie es scheint, suchen sie noch immer nach einer Lösung."

Weafer hat über 25 Jahre in Russland gearbeitet. Er ist überzeugt, dass die Sanktionen gegen die Gazprombank "gravierende Auswirkungen" auf den Haushalt haben werden, sollten keine Ausweichlösungen gefunden oder von den USA Ausnahmeregelungen für einige Länder gewährt werden.

Der in Moskau ansässige Wirtschaftswissenschaftler Oleg Buklemishev erklärte im Video-Podcast DW Novosti Show, die jüngsten Entwicklungen spiegelten den Druck wider, dem die russische Wirtschaft seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine ausgesetzt sei.

"Das Land leidet und schiebt Ex- und Importe von einer Richtung in die andere. Es trägt gigantische Kosten für Logistik und Vertrieb", sagt er. "All das ist irrsinnig teuer. Ich würde sagen, dass es naiv ist, zu erwarten, dass Russlands Währung und Russland stärker werden."

Wie steht es um die russische Wirtschaft?

Seit der Erhöhung der russischen Verteidigungsausgaben warnen Fachleute vor einer Überhitzung der Kriegswirtschaft . Zwar konnte das Land dank des Ausgabenhochs einen starken Anstieg des BIPs und rekordverdächtig niedrige Arbeitslosenzahlen verzeichnen, der Inflationsdruck aber ist gestiegen.

Filiale der Gazprombank
Blieb lange verschont: Die Gazprombank ist erst seit wenigen Tagen von westlichen Sanktionen betroffenBild: Vladimir Gerdo/TASS/dpa/picture alliance

Von Russland in der letzten Novemberwoche veröffentlichte Zahlen machen einige der Probleme deutlich. So herrscht ein gravierender Arbeitskräftemangel im Land.

Dieser wird nicht nur durch den Einsatz vieler Arbeitnehmer als Soldaten im Krieg gegen die Ukraine verursacht, sondern auch durch die mehr als eine Million gut ausgebildeter Fachkräfte, die Russland wegen des Krieges verlassen haben. Die Reallöhne lagen in Folge im September im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 Prozent höher.

Die steigenden Einkommen und Ausgaben führten zu einem starken Preisanstieg für wichtige Konsumgüter wie Butter. Aus Schutz vor Diebstählen liegt Butter in vielen Geschäften mittlerweile in mit Vorhängeschlössern gesicherten Kisten aus.

Was sagt die russische Regierung?

Die Zentralbank begründete ihre Entscheidung, Fremdwährungskäufe einzustellen mit "der Volatilität der Finanzmärkte". Wirtschaftsminister Maxim Reschetnikow führte die Schwankungen des Rubels auf die Stärke des US-Dollars und Bedenken des Marktes wegen der Sanktionen gegen Gazprombank zurück.

Sie seien nicht das Ergebnis "fundamentaler Faktoren" betonte er gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Interfax und fügte hinzu, die Lage werde sich "bald stabilisieren".

Es gibt auch Hinweise darauf, dass ein schwacher Rubel Putins massiven Ausgabeplänen entgegenkommt. Dem Kreml stünden mehr inländische Devisen zur Verfügung, denn Öl- und Gasexporte werden in der Regel in ausländischen Währungen bezahlt.

Der russische Finanzminister Anton Siluanow deutete dies bereits Anfang der Woche an. "Ich sage nicht, dass der Kurs gut oder schlecht ist. Ich sage nur, dass der aktuelle Wechselkurs sehr, sehr gut für Exporte ist", zitieren staatliche Nachrichtenagenturen den Minister.

Anton Siluanow, Finanzminister
Ein schwacher Rubel sei förderlich für Exporte, meint der russische Finanzminister Anton SiluanowBild: AlexeixDanichev/SNA/IMAGO

Weafer zufolge betrachtet die Regierung den Kursverfall des Rubels als Chance, so viele Deviseneinnahmen wie möglich in Rubel umzuwandeln, bevor die große Haushaltserhöhung im Jahr 2025 ansteht.

"Sie wollen das Haushaltsdefizit möglichst niedrig halten", erläutert er. Die Regierung sähe möglicherweise Vorteile darin, dass Exporte wie beispielsweise Dünger für mögliche Käufer billiger werden.

Wie geht es weiter?

Russlands Wirtschaft hat sich schon früher düsteren Prognosen entzogen. Als die USA, die EU und Großbritannien Anfang 2022 Sanktionen gegen das Land verhängten, waren die Staatsoberhäupter überzeugt, dies würde Russlands Wirtschaft lähmen.

Die riesigen Öl- und Gasreserven verschafften dem Land jedoch während des gesamten Jahres 2022 erhebliche Einnahmen. Und dank seiner Fähigkeit, Sanktionen zu umgehen, konnte Russland im Jahr 2023 seine Einnahmen über lange Zeit aufrechterhalten.

Auch wenn Russland Zeit benötigte, Wege zu finden, die Sanktionen zu unterlaufen, war es doch immer wieder in der Lage, genau das zu tun. Während sich die europäischen Länder weitgehend von russischem Öl und Gas abwandten, vertiefte Russland seine Handelsbeziehungen mit China, Indien und anderen Ländern.

Dennoch gibt es Gründe für Moskau, sich Sorgen zu machen. Der fallende Ölpreis trifft die wichtigste Einnahmequelle des Landes. Neueste Daten weisen Fachleuten zufolge auf eine Überhitzung der Wirtschaft hin, die die finanzielle Stabilität gefährdet. Der Kreml steht also unter erheblichem Druck, die Situation so schnell wie möglich unter Kontrolle zu bringen.

Weafer ist der Meinung, ein schwacher Rubel mache es den Behörden schwerer, die Inflation zu bekämpfen. Er warnt jedoch auch, dass die Regierung bei Wertverlusten des Rubels letztlich immer einschritt, um den Wechselkurs zu korrigieren. "Durchaus möglich, dass das das vor Ende des Jahres wieder passiert", vermutet er.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.