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Homophobie made in the USA

Christina Bergmann12. Juni 2013

In Nigeria droht Schwulen und Lesben, die sich öffentlich küssen, das Gefängnis. In Uganda wird sogar über die Todesstrafe für Homosexuelle diskutiert. Hinter der Hetz-Kampagne sollen auch Missionare aus den USA stecken.

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Religiöser Führer bei einer Ansprache während einer Anti-Homosexuellen-Demonstration in Kampala, Uganda (Foto: afp)
Hassprediger in UgandaBild: Trevor Snapp/AFP/Getty Images

"Wir sind die Opfer der Evangelikalen, und zwar täglich", sagt der lesbische Transsexuelle Victor Mukasa. In einem Konferenzraum der National Cathedral in Washington, D.C., berichtet er von Erlebnissen in seinem Heimatland Uganda. Der 37-Jährige trägt an diesem Abend ein weißes, mit schwarzer Bordüre verziertes afrikanisches Gewand und eine dazu passende Kopfbedeckung. Vor vielen Jahren haderte Mukasa mit dem Konflikt zwischen seinem Glauben und seiner sexuellen Orientierung. Hilfe suchte er damals in einer Kirche in Uganda. "Ich habe darum gebeten, dass man mich von meiner Homosexualität heilt, und wurde am Ende von den sogenannten 'Männern Gottes' - den Evangelikalen - missbraucht", erinnert er sich. Bei einer der Veranstaltungen habe er sich nackt ausziehen müssen. Die Priester hätten ihre Hände auf ihn gelegt, auch auf die Genitalien, "um den Geist der Homosexualität zu vertreiben".

Victor Mukasa war früher Direktor der Nichtregierungsorganisation "Sexual Minorities Uganda" (SMUG), die sich für Gleichberechtigung lesbischer, schwuler, bi- und transsexueller Menschen in Uganda einsetzt. Das ist ein mutiger Kampf, denn Homosexualität ist dort strafbar. Einige Politiker fordern für Homosexuelle unter bestimmten Umständen sogar die Todesstrafe. Internationale Proteste verhinderten bisher, dass ein entsprechender Entwurf zum Gesetz wurde.

Victor Mukasa, früherer Direktor von SMUG, (Sexual Minorities Uganda) bei der Vorführung des Films "God Loves Uganda" in der Washington National Cathedral (Foto: Christina Bergmann/DW)
Kämpft für Gleichberechtigung: Victor MukasaBild: DW/C. Bergmann

Schauplatz für einen Kulturkampf

Jeff Sharlet ist Journalist, Buchautor und Englischprofessor am Dartmouth College in New Hampshire und beschäftigt sich seit Jahren mit den politischen Interessen der Evangelikalen, auch in Uganda. In Zentrum seiner Recherchen steht die sogenannte "Familie", eine christlich-politische Gruppe, zu der auch Mitglieder der politischen Elite der USA gehören. Sie ist weitgehend im Verborgenen tätig, um ihre religiösen und politischen Ansichten national und international zu verbreiten. Eine Veranstaltung im Jahr ist öffentlich: Das National Prayer Breakfast in Washington, D.C., auf dem traditionsgemäß auch der amtierende US-Präsident zumindest einmal in seiner Amtszeit spricht. "Es gibt eine von der 'Familie' gesponsorte Gruppe von Parlamentariern in Uganda," erläutert Sharlet, "die sich einmal in der Woche trifft, um darüber nachzudenken, wie sie die Gesetze in Uganda so verändern können, dass sie ihrer Vorstellung von biblischen Prinzipien entsprechen."

Ein Amnesty International Poster gegen ein Gesetz gegen Homosexuelle in Uganda (Foto: dpa)
Aktivistin machen seit Jahren mobil gegen das Anti-Homosexuellen-Gesetz in UgandaBild: picture-alliance/dpa

Dazu gehört auch die Ablehnung von Homosexualität. Einer der ugandischen Politiker, David Bahati, brachte 2009 ein Gesetz ein, nach dem Homosexualität unter bestimmten Umständen mit dem Tod bestraft werden sollte - und fühlte sich dabei von den Amerikanern unterstützt. Hier, so Sharlet, gingen die Darstellungen der Ereignisse auseinander: "Die Amerikaner, die damals dabei waren, sagen, sie hätten ihm geraten umsichtiger zu sein." Bahati aber sage, er hätte grünes Licht aus den USA bekommen. Die Amerikaner, so Sharlet, hätten sich erst dann öffentlich von dem Dokument distanziert, als sie aufgrund der Medienaufmerksamkeit nicht mehr anders konnten.

Predigen gegen Homosexualität

Ein Amerikaner, der sich inzwischen ebenfalls von dem harschen Gesetz distanziert, ist der evangelikale Pastor Scott Lively. Er lebt und predigt in Springfield, einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Massachusetts mit rund 150.000 Einwohnern. "Ich unterstütze keine Gefängnisstrafe für Homosexuelle, das habe ich nie getan, das ist eine falsche Behauptung von Seiten der Homosexuellen und der liberalen Medien", sagt er, und beharrt: "Ich war auch niemals für die Todesstrafe in diesem Zusammenhang."

Das Café "Holy Grounds" in Springfield (Foto: Christina Bergmann)
Treffpunkt der Missionare: das Café "Holy Grounds"Bild: DW/C. Bergmann

Lively sitzt auf einem roten Plüschsofa in der hinteren Ecke seines Cafés "Holy Grounds" in einem heruntergekommenen Viertel der Stadt, wo sich vor allem Arbeits- und Obdachlose jeden Morgen zur Bibelstunde treffen. Kaffe und Kuchen sind umsonst. Über die Autoren der Gesetzesinitiative in Uganda sagt der evangelikale Pastor: "Ihr Motiv ist gut, sie wollen ihre Gesellschaft davor schützen, homosexualisiert zu werden, wie es in anderen Ländern geschehen ist. Sie schützen Religionsfreiheit und Familienwerte, sie gehen nur in der Gesetzessprache zu weit."

Gott sei gegen Homosexualität, davon ist Lively überzeugt. Und genauso wie der Pastor nach Springfield gekommen ist, um die Stadt zu "re-christianisieren", ist er auch nach Uganda gegangen, um dort seine Werte zu verbreiten. Leider, erklärt er, habe man nicht auf ihn gehört. "Ich habe der ugandischen Regierung geraten, sich auf 'wiedergutmachende' Therapie zu konzentrieren und auf Prävention, indem sie ihre Kinder in der Schule auf das Heiraten vorbereiten." Auf diese Art würde man die Bevölkerung gegen "die Ethik der sexuellen Revolution" impfen und die Zahl der Kinder verringern, "die eine perverse Lebensweise wählen". Dass seine "Beratung" - selbst wenn sie nur so stattfand, wie er behauptet - missverstanden werden kann, glaubt er nicht. Gewalt gegen Homosexuelle in Uganda gebe es nicht, erklärt der Pastor.

Verfahren wegen Volksverhetzung und Verschwörung

SMUG, die Homosexuellen-Organisation in Uganda, sieht das anders - und hat in den USA im März 2012 einen Zivilprozess gegen Scott Lively angestrengt. Grundlage ist das Gesetz zur Regelung von ausländischen Ansprüchen. Der Vorwurf lautet auf Volksverhetzung und Verschwörung. Als Strafe fordert SMUG eine finanzielle Entschädigung. Lively sei einer der "Hauptstrategen", sagt Pam Spees, die die Homosexuellen-NGO vor Gericht vertritt. Sie ist Anwältin am Zentrum für Verfassungsrecht in New York. Seit 2002, sagt sie, habe sich Lively immer wieder in Uganda mit Politikern getroffen. Er versuche den Mitgliedern der LGBT-Gemeinschaft (Lesbian Gay Bisexual Trans) "die Rechte zu nehmen". Erfolg hätten die Amerikaner mit der Behauptung, Homosexuelle würden die Kinder verführen.

Vor dem Rathaus von Springfield weht am die Regenbogenfahne - an dem Tag erklärt Bürgermeister Dominic J Sarno den Juni zum "Gay Pride Monat" (Foto: Christina Bergmann)
Springfield feiert im Juni 2013 die "Gay Pride": Regenbogenflagge vor dem RathausBild: DW/C. Bergmann

Lively bezeichnet den Vorwurf als "unsinnig". Seine Anwälte haben beantragt, das Verfahren einzustellen. In einer Anhörung in Springfield vor dem Landgericht am 7. Januar wollte Richter Michael A. Ponsor genau wissen, inwieweit Livelys Rhetorik über das von der Verfassung garantierte Recht auf freie Rede hinausgehe. Denn während in Deutschland beispielsweise die Leugnung des Holocaust strafbar ist, darf in den USA nahezu jeder alles behaupten. "Wir halten hier in den USA die freie Rede für mehr oder weniger unantastbar", sagte der Richter in der gut einstündigen Anhörung.

Noch etwas könnte das Verfahren scheitern lassen: Der Oberste Gerichtshof der USA hat gerade in einem ähnlichen Fall entschieden, dass Ausländer nicht in jedem Fall das Recht haben, wegen eines Verstoßes gegen internationales Recht in den USA Anklage zu erheben.

Protest auch unter Evangelikalen

Doch sind tatsächlich alle US-Evangelikalen homophob? Bei Weitem nicht, sagt Warren Throckmorton. Der Professor für Psychologie am Grove City College in Pennsylvania war früher der Ansicht, Homosexualität sei heilbar. Heute spricht er sich gegen eine entsprechende "Therapie" aus. Und machte sogar gegen Ugandas Anti-Homosexuellen-Gesetz mobil. Die "Familie", jene christlich-konservative Vereinigung, sei von der Entwicklung in Uganda überrascht worden, erklärt er - und kritisiert den zu leisen Widerspruch der Evangelikalen gegen die homophoben Politiker und religiösen Führer in Uganda. "Wenn sie keine Unterstützung von Scott Lively und anderen Amerikanern bekämen, dann würden sie eher darüber nachdenken und sich fragen: Warum sehen das diese Leute, die unsere Religion teilen, nicht so wie wir?" Aber wegen der amerikanischen Unterstützung hätten die Evangelikalen in Uganda keinen Grund, diese Positionen zu hinterfragen.

In Uganda wird das radikale Gesetz gegen Homosexuelle wohl so nicht durchgebracht werden. Doch Menschenrechtsaktivisten sind sich einig: Der Schaden ist bereits angerichtet.