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US-Etat: Die Zeit wird knapp

Benjamin Knight / db 28. September 2013

Der tief gespaltene US-Kongress müsste sich dringend auf einen vorläufigen Haushalt einigen: Am Dienstag (01.10.2013) geht der weltgrößten Volkswirtschaft das Geld aus. Debattiert wird jedoch vor allem über "Obamacare".

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Vor dem US-Kapitol blickt ein Abgeordneter auf seine Uhr (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Am 1. Oktober endet in den USA das laufende Haushaltsjahr. Wenn sich der zerstrittene US-Kongress bis dahin nicht auf eine provisorische Finanzierung des Bundes geeinigt hat, müssen öffentliche Einrichtungen, Behörden und Ministerien geschlossen und Staatsbedienstete in Zwangsurlaub geschickt werden. In einem zweiten Schritt muss die Schuldenobergrenze von derzeit 16,7 Billionen Dollar angehoben werden, um die Supermacht vor der Pleite zu bewahren.

Die Fronten zwischen Regierung und Opposition sind verhärtet: Die konservativen Republikaner im Repräsentantenhaus haben sich in ihrer Partei mit der Forderung durchgesetzt, das Haushaltsgesetz mit massiven Kürzungen bei der verhassten Gesundheitsreform "Obamacare" zu koppeln. Das ist für Präsident Barack Obama und seine Demokraten schlichtweg inakzeptabel.

Kräftemessen in der Haushaltspolitik

Am Freitag (27.09.2013) hat der US-Senat einen Übergangshaushalt beschlossen, der bis zum 15. November gelten soll. Die Vorlage muss allerdings noch vom Repräsentantenhaus gebilligt werden. Und der Sprecher des Repräsentantenhauses, der Republikaner John Boehner, hatte bereits angekündigt, in der vorliegenden Form werde der Übergangshaushalt die Kammer nicht passieren.

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid, will weiter Druck machen. "Abgeordnete neigen dazu, nur das absolute Minimum zu machen, und das auch erst in letzter Minute", sagte Loren Adler, Forschungsleiterin des gemeinnützigen Finanzpolitik-Instituts "Committee for a Responsible Federal Budget." Adler erwartet lediglich eine sehr kurzfristige Lösung vom Kongress, womöglich "erst am 30. September, und wahrscheinlich gibt uns das sechs Wochen oder noch weniger Zeit."

Der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid (Foto. Reuters)
Senator Reid kritisierte Cruz' DauerredeBild: Reuters
John Boehner im US-Kapitol (Foto: Getty Images)
John Boehner ist der starke Mann der Republikaner im RepräsentantenhausBild: Getty Images

Marathonredner

Bereits am Mittwoch hatte der Konservative Ted Cruz - Anhänger der erzkonservativen Tea Party-Bewegung - mit einer mehr als 20-stündigen Dauerrede versucht, eine Senats-Abstimmung zu durchkreuzen. Der Senator aus Texas kündigte an, er werde reden "bis ich nicht mehr stehen kann" - und sprach die ganze Nacht lang über das Gesetz, verglich sein Anliegen mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus, und las aus einem amerikanischen Kinderbuchklassiker vor.

Haushaltsdebatten seien oft schwierig, erklärt Paul Van de Water, aber dieses Mal gebe es "größere Konflikte und mehr Dramen als in vergangenen Jahren." Diese Entwicklung schreibt der Experte am "Center on Budget and Policy Priorities" (CBPP) zum Teil der Tea Party-Bewegung zu, die "weniger willens sei, Kompromisse zu schließen."

Sorge vor einem Rückschlag

Für seine Daueransprache zur Verzögerung der Abstimmung fand Cruz nicht nur Zustimmung innerhalb seiner Partei. Mitch McConnell, republikanischer Minderheitsführer im Senat, fürchtet, man könne seine Partei dafür verantwortlich machen, wenn die Regierung lahmgelegt würde.

US-Präsident Barack Obama bei einer Rede (Foto: dpa)
Obama lehnt Kürzungen seiner Gesundheitsreform abBild: picture-alliance/dpa

Alle Republikaner hätten das Ziel, dem "Obamacare"-Programm die Finanzierung zu entziehen, aber die Taktik könne "auch nach hinten losgehen", meint Senator Lindsey Graham. Viele Republikaner fürchten eine Wiederholung der Situation von 1995, als eine ähnliche Taktik den Stillstand der Regierung auslöste, worauf die Partei in den folgenden Zwischenwahlen Stimmen verlor.

"Diese Sorge haben Republikanerführer wirklich", meint Adler. Wer schon länger im Kongress arbeite, erinnere sich daran, wie Newt Gingrich und den Republikanern damals die Schuld gegeben wurde, so Adler. "Das heißt natürlich nicht, dass alle Parteimitglieder das so sehen, weshalb die Gespräche wohl auch so hart geführt werden."

"Obamacare" ist nur eines der Probleme

Obwohl "ObamaCare" seit Wochen die Gemüter erhitzt, ist es bei Weitem nicht das einzige Problem. Auch bei der Finanzierung von Verteidigung und Bildung, Verkehr und Justiz, Gefängnissen und FBI herrsche große Uneinigkeit zwischen den Parteien, erklärt Adler. Der Unterschied betrage 90 Milliarden Dollar (67 Milliarden Euro): "Darum wird es einen ziemlich heftigen Kampf geben."

"Das Haushaltsdefizit sinkt in diesem Jahr, und wird auch in den nächsten Jahren weiter sinken", so Van de Water. Trotzdem gebe es in den kommenden zwei Jahrzehnten noch Probleme, die die Republikaner und vor allem die Tea Party-Bewegung mit Ausgabenkürzungen lösen wollen, statt Steuererhöhungen zu erwägen, so der Experte vom Forschungsinstitut CBPP.

Waghalsige Manöver von konservativen Republikanern wie Cruz drohen, die Chancen für einen Kompromiss zu untergraben. Laut Van der Water gibt es eine Gruppe von Politikern, die bereit ist, einen Stillstand der Regierung zu erwägen, um ihre eigene Agenda voranzutreiben.

Aktivisten der U.S. Tea Party demonstrieren (Foto: dpa)
Konservative Aktivisten machen gegen Obama mobilBild: picture-alliance/dpa

Schließung der Ämter droht

Derweil wird die Zeit knapp. Finanzminister Jacob Lew betonte am Mittwoch in einem Brief an den Kongress, dass die Vereinigten Staaten "spätestens am 17.Oktober" zahlungsunfähig würden - es sei denn, der Kongress hebt die Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen Dollar an.

Die US-Regierung gibt durchschnittlich 60 Milliarden Dollar am Tag aus. Seit Mai, warnt Lew, habe das Finanzministerium "außerordentliche Maßnahmen" ergriffen, um die Nation unterhalb der Schuldenobergrenze zu halten, zum Beispiel durch verzögerte Rentenzahlungen.

"Ohne ausreichend Barmittel könnten die Vereinigten Staaten zum ersten Mal in ihrer Geschichte nicht alle Verpflichtungen begleichen", stellt Lew fest. Da diese Debatte aber schon seit 2010 geführt werde, gebe es eine Menge fertiger Strategien, bereits juristisch ausformuliert, die man einfach aus der Schublade ziehen könnte, so Adler - "wenn die Parteien sich denn einigen könnten."