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Urteil in Ehrenmordprozess verschoben

26. November 2015

Heimtückischer Mord aus niederen Beweggründen - so heißt im Juristendeutsch, was die Anklage den Beschuldigten in Darmstadt vorwirft. Sie sollen ihre gemeinsame Tochter getötet haben, um die Familienehre zu retten.

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Die mitangeklagte Mutter vor dem Landgericht in Darmstadt (Archivbild: dpa)
Die mitangeklagte Mutter im Gerichtssaal (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Verhandelt wird vor dem Darmstädter Landgericht ein Fall geglückter Integration - in der Generation des Opfers. Doch zugleich ist es ein Fall misslungener Integration - von dessen Eltern. Diese müssen sich nun wegen gemeinschaftlichen Mordes verantworten. An diesem Donnerstag wurden die Plädoyers gehalten. Das Urteil wurde auf den 1. Dezember verschoben.

Vor zwei Jahrzehnten kamen die Eltern der getöteten 19-Jährigen aus Pakistan nach Deutschland. Während Vater und Mutter ganz den strengen religiösen Vorstellungen einer islamischen Sondergemeinschaft verhaftet blieben, wuchsen ihre beiden Töchter zweisprachig auf, kamen in der deutschen Schule gut voran - und wollten offenbar so leben, wie es ihre Altersgenossinnen auch tun.

Geständnis am ersten Prozesstag

Als die Eltern von sexuellen Kontakten zwischen ihrer älteren Tochter und deren Freund erfuhren, sahen sie die Familienehre bedroht. Durch einen vom Vater begangenen und von der Mutter unterstützten Mord an der jungen Frau - so der Vorwurf der Anklage - sollte die vermeintliche Schmach gesühnt werden.

Gleich am ersten Prozesstag im September hatte der 52 Jahre alte Vater die Tötung gestanden. Er soll seine Tochter im Januar erwürgt haben. Die Mutter war nach Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht nur damit einverstanden, sie habe auch bei der Planung der Tat, die in ihrer Anwesenheit geschehen sei, und bei der Beseitigung der Leiche geholfen.

Die Mutter hatte hingegen erklärt, sie sei erst von der Tat überrascht und dann dazu gezwungen worden, ihren Mann beim Wegschaffen des Leichnams zu unterstützen. Während die 41-Jährige sich vor Gericht als Unterjochte ihres Ehegatten darstellte, der sie isoliert und unterdrückt habe, widersprach die zweite Tochter dieser Darstellung als Zeugin.

"Treibende Kraft des Verbrechens"

Auch der Freund der Getöteten hatte im Oktober schwere Vorwürfe gegen die Mutter des Opfers erhoben. Sie sei bei dem Verbrechen die treibende Kraft gewesen, sagte er im Zeugenstand des Darmstädter Landgerichts. Die 41-Jährige habe ihrer Tochter schon zuvor "viel Leid zugefügt". So habe sie der 19-Jährigen Kleidung weggenommen und ihr nichts mehr zu essen gegeben. Bereits einige Wochen vor der Tat sei seine Freundin vom Vater schwer gewürgt worden. Die Mutter habe daneben gestanden und nicht eingegriffen.

Versuche einer Einigung zwischen den Familien des Mädchens und ihres Freundes, etwa das Drängen auf eine Heirat der beiden durch die Eltern der jungen Frau, waren erfolglos geblieben. Auch ein Vermittlungsversuch innerhalb der islamischen Gemeinschaft war vor dem Verbrechen gescheitert.

jj/kle (dpa, spon)