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Urteil gegen "Supercop"

Matthias von Hein24. September 2012

Im Skandal um den gestürzten chinesischen Polit-Star Bo Xilai ist dessen ehemaliger Vertrauter Wang Lijun zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Jetzt steht allerdings noch der Prozess gegen Bo selbst aus.

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Wang Lijun (Mitte) bei der Urteilsverkündung (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Rechtsbeugung, Machtmissbrauch, Fahnenflucht und Korruption - so lautete die Liste der Anklagepunkte vergangene Woche im Prozess gegen den ehemaligen "Supercop" Wang Lijun. All das hat er zugegeben. Am Montag (24.09.2012) fällte ein Gericht in Chengdu, der Hauptstadt der südwestchinesischen Provinz Sichuan, sein Urteil: 15 Jahre Haft. Wang hat das Urteil akzeptiert und will nach Angaben seiner Anwältin keine Berufung einlegen.

Wahrscheinlich ist er froh, mit dem Leben davon gekommen zu sein - er hätte theoretisch auch zum Tode verurteilt werden können. Das Gericht lobte ausdrücklich seine Kooperation.

Schlüsselfigur in Politthriller

Wang Lijun, ehemals Polizeichef von Chinas größter Stadt Chongqing, ist eine Schlüsselfigur in einem Politthriller, der China seit Februar in Atem hält. Der Skandal hat die Vorbereitungen des Machtwechsels an der Spitze der Kommunistischen Partei Chinas heftig durcheinander gewirbelt. Der Parteitag soll im Herbst stattfinden, einen offiziellen Termin gibt es immer noch nicht.

Bo Xilai und Wang Lijun singen die Nationalhymne (Foto: Reuters)
Bo Xilai und sein Polizeichef Wang Lijun Anfang des Jahres beim Singen der Nationalhymne, kurz bevor die Skandallawine losbrach.Bild: Reuters

Ausgangspunkt des Skandals war Chengdu - eben jene Stadt, in der Wang jetzt verurteilt wurde. Hier gibt es ein amerikanisches Konsulat. Als Frau verkleidet flüchtete Wang Lijun Mitte Februar aus dem 300 Kilometer entfernten Chongqing in dieses US-Konsulat, offensichtlich um sein Leben fürchtend. Damit lag er vermutlich nicht so falsch: Eine ganze Karawane von Fahrzeugen mit bewaffneter Polizei war ihm von Chongqing aus hinterher gefahren und umstellte das Konsulat - ein extrem ungewöhnlicher Vorgang.

Nach 36 Stunden verlies Wang das Konsulat. Er begab sich allerdings nicht in die Hände der vor der Tür wartenden Beamten aus seiner Heimatstadt Chongqing, sondern in die Obhut von Beamten der Zentralregierung in Peking.

Der Mord an Heywood

Der Grund für Wangs Angst: Gu Kailai, die Frau seines Chefs, von Chongqings mächtigem Parteichef Bo Xilai, hatte den englischen Geschäftsmann Neil Heywood ermordet. Zunächst hatte Wang offenbar noch versucht, den Mord zu decken. Dann informierte er doch seinen Chef Bo Xilai. Der habe ihn daraufhin geschlagen, heißt es. Sicher ist, dass Wang kurz darauf, Anfang Februar, seines Postens als Polizeichef enthoben wurde.

Im August war bereits Bo Xilais Frau Gu Kailai von einem Gericht im ostchinesischen Hefei zum Tode verurteilt worden, mit Aufschub. In der Praxis entspricht das einer lebenslangen Freiheitsstrafe.

Gu Kailai nach der Urteilsverkündung (Foto: Reuters)
Gu Kailai wurde als Erste im Bo-Xilai-Skandal verurteiltBild: REUTERS

Bo Xilai selbst wurde Mitte März einen Tag nach der jährlichen Tagung von Chinas Nationalem Volkskongress all seiner Parteiposten enthoben. Der als Sohn eines hohen Parteifunktionärs zur Fraktion der sogenannten "Prinzlinge" gehörende Bo ist seither verschwunden. Aus Parteikreisen verlautet, eine 300-köpfige Sonderkommission sei mit der Untersuchung seines Falles betraut. Quellen  zufolge, die nicht genannt werden wollen, soll diese Kommission am vergangenen Wochenende (22./23.09.2012) ihren Bericht dem Politbüro vorgelegt haben.

Unter der Oberfläche brodelt es

Bis zu seinem Sturz war Bo Xilai selbst Mitglied dieses exklusiven Kreises von 25 Personen. Bo hatte Ambitionen auf den Aufstieg in den ständigen Ausschuss des Politbüros. Die neun Mitglieder dieses Ausschusses bilden den engsten Kreis der Macht in China. Beim bevorstehenden Führungswechsel werden sieben von neun Posten neu besetzt. 

Mit über 80 Millionen Mitgliedern ist Chinas Kommunistische Partei die größte politische Organisation der Welt. Gerade im Vorfeld des Machtübergangs bemühte sie sich um Geschlossenheit. Der Fall von Bo Xilai und der Umgang mit diesem Politthriller brachte jedoch einen Machtkampf zwischen unterschiedlichen Fraktionen innerhalb der Partei an die Oberfläche - ebenso wie Abgründe von Korruption und Machtmissbrauch auf den höchsten Ebene der Partei.

Mit Wang Lijun hat die KP nun den zweiten der drei am engsten mit dem Politskandal verbundenen Personen verurteilt. Wie man mit dem ehemaligen Politstar Bo Xilai umzugehen gedenkt, muss die Partei noch vor ihrem Führungswechsel klären.