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Urnengang nach "Wahlshow"

Auron Dodi 23. Juni 2013

Zum siebten Mal seit dem Ende des Kommunismus wählt Albanien ein neues Parlament. Inhaltlich glänzen konnte im Vorfeld kein Beteiligter. Für große Irritationen sorgte vor allem der Seitenwechsel einer Partei.

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Die Fassade des albanischen Parlaments
Bild: Mimoza Dhima

Es war ein Zwei-Parteien-Wahlkampf: In Albanien konkurrieren die beiden Bündnisse "Allianz für Arbeit, Wohlfahrt und Integration" (die sich um die regierende Demokratische Partei gebildet hat) und die "Allianz für ein Europäisches Albanien" (die rund um die oppositionelle Sozialistische Partei entstanden ist). 62 der insgesamt 66 Parteien, die an der Wahl am Sonntag (23.06.2013) teilnehmen, haben sich jeweils einem der beiden Bündnisse angeschlossen.

Das regionale Verhältniswahlrecht in Albanien bevorzugt große Parteien, in diesem Fall die regierende Demokratische Partei (PD) und die Sozialistische Partei (PS). Für kleinere Parteien alleine ist es schwierig, überhaupt ein Parlamentsmandat zu ergattern. Aus diesem Grund schließen sie sich gewöhnlich einem der beiden großen Vorwahl-Bündnisse an. Mit besonderer Spannung verfolgen deshalb Beobachter, wie kleinere Parteien abschneiden, die das nicht tun: zum Beispiel die nationalistische "Rot-Schwarze-Allianz" (AK), die konservative Partei "Neuer Demokratischer Geist" (FRD) oder die Partei der griechischen Minderheit PBDNJ, die wegen des albanischen Wahlsystems bei künftigen Regierungskoalitionen eine Rolle spielen dürften.

Mehr Chancen, diesmal die Rolle des Königsmachers zu spielen, räumen Beobachter einer kleinen Partei ein, die nicht allein in den Wahlkampf geht: der "Sozialistischen Bewegung für Integration" (LSI). Die sozialistische Splitterpartei hat sich um den ehemaligen Außenminister Ilir Meta gegründet. Bis Anfang April koalierte sie mit den regierenden Demokraten. Dann schwenkte sie um und ging ein Vorwahl-Bündnis mit der oppositionellen Sozialistischen Partei ein, die ihr ohnehin ideologisch näher steht. Beide Parteien bildeten damit eine Mehrheit im Parlament. Eine sofortige Ablösung der Regierung wurde nur dadurch verhindert, dass drei Abgeordnete der Sozialisten die Demokraten mit ihren Stimmen unterstützten.

Porträt des albanischen Premiers Sali Berisha, der einen Wahlzettel in die Urne wirft (Foto: AP)
Premier Sali BerishaBild: AP

Seitenwechsel der LSI führt zu institutioneller Krise

Dieser Seitenwechsel der LSI hat eine Krise bei der Wahlorganisation in Gang gesetzt, die die Legitimation der Wahlen insgesamt in Frage stellen kann: Nachdem die LSI kurzfristig in die Opposition wechselte, entließ kurzerhand die Regierung den Vertreter dieser Partei aus der Zentralen Wahlkommission und ersetzte ihn durch einen eigenen Vertreter. Die Wahlkommission ist ein staatliches Kollegialorgan in Albanien, das Wahlen und Volksabstimmungen vorbereitet, beaufsichtigt, leitet und deren Resultate veröffentlicht.

Eine rechtliche Basis hatte die Regierung für ihre Reaktion nicht. Deshalb verließen aus Protest alle verbliebenen Vertreter der Opposition die Zentrale Wahlkommission. Seitdem sitzen in dem sonst siebenköpfigen Gremium nur die vier Vertreter der Regierung. Viele Entscheidungen, für die eine Mehrheit von fünf Mitgliedern nötig ist, können nun nicht mehr getroffen werden. Dadurch ist die Zentrale Wahlkommission nur noch bedingt funktionsfähig. Zwar haben die albanischen Parteien angekündigt, das Wahlergebnis anzuerkennen - egal, wie es ausfalle. Doch glaubhaft ist dies nur bedingt: In der Vergangenheit haben immer wieder Wahlverlierer das Wahlergebnis angezweifelt.

Vorgefertigte Videofilme der Parteien in den Medien

Ihre Namen haben die beiden großen Bündnisse mit Bedacht gewählt: Die "Allianz für Arbeit, Wohlfahrt und Integration" der Demokraten soll auf eine besser funktionierende Wirtschaft deuten, die "Allianz für ein Europäisches Albanien" der Sozialisten auf ein europäisches Land mit weniger Korruption und verbesserter Infrastruktur. Doch große inhaltliche Unterschiede zwischen den Programmen der beiden Bündnisse waren im Wahlkampf nicht auszumachen: "Der Wahlkampf bezog sich weniger auf Sachthemen, sondern vielmehr auf die gegenseitigen Anschuldigungen und Korruptionsvorwürfe", kritisiert Frank Hantke von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Tirana im DW-Interview.

Eine Ausnahme war das Thema Wirtschaft, bei dem die Parteien zum ersten Mal versuchten, sich ideologisch voneinander abzugrenzen: "Die Regierungspartei favorisiert weiterhin die sogenannte 'Flat-Tax' - die Einheitssteuer. Mit dem Argument, dass sie attraktiv sei für potenzielle Investoren. Die Sozialistische Partei unterstützt eine progressive Steuer, ein Steuersystem in drei Stufen, wobei es offen ist, was als niedriges, mittleres und hohes Einkommen gelten soll", sagt Thomas Schrapel von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Tirana.

Eine kompromisslose Sprache und persönliche Beleidigungen des politischen Gegners waren sowohl aus dem sozialistischen Lager von Edi Rama als auch aus dem demokratischen von Premier Sali Berisha zu hören. Und die Sprache der Politiker gaben die Medien ungefiltert weiter an die Wähler. "Da die Debatte über sachliche Fragen zwischen den Kontrahenten dürftig war, war das, was in den Häusern der Albaner ankam, größtenteils eine Wahlshow: inhaltsleere Witze und die persönlichen Konflikte der politischen Führer", kritisiert der albanische Medienexperte Mustafa Nano. Kritisch sieht Nano dabei auch das aktuelle Wahlgesetz in Albanien, das vorsieht, dass Medien vorgefertigte Videofilme der politischen Parteien senden: "So sind die Informationssendungen der Fernsehanstalten zu einer vulgären Propaganda verkommen."

Porträt des Oppositionsführers Edi Rama (Foto: AP)
Oppositionspolitiker Edi RamaBild: dapd

Weniger pan-albanische Begeisterung im Wahlkampf

Die pan-albanische Euphorie, die sich seit November 2012 anlässlich der Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Albaniens verbreitet hatte, fand keinen Platz im Wahlkampf. Auch die entsprechenden Äußerungen, die noch am Anfang der Wahlkampagne 2013 von Premierminister Berisha zu hören waren - wie "die Notwendigkeit zur Vereinigung der Albanischen Nation" - tauchten in seinen späteren Reden nicht mehr auf. In den Nachbarländern gibt es Regionen, in denen viele Albaner leben - zum Beispiel im Kosovo. "Wir sind eine Partei, die immer realistisch war und die bestehenden Grenzen auf dem Balkan respektiert", ließ die Demokratische Partei in den Medien verkünden. Nach internationaler Kritik durch die EU und die USA wurde die pan-albanische Rhetorik nicht wiederholt.

Südosteuropa-Experte Franz-Lothar Altmann und andere Beobachter hatten darin ohnehin ein politisches Kalkül Berishas gesehen, um Stimmen am rechten politischen Rand von Anhängern der neu gegründeten Partei AK zu gewinnen. "Denn wenn Berisha es ernst meint mit der Mitgliedschaft in der EU, dann kann er sich nicht einen Klotz ans Bein hängen, der Kosovo heißt", erklärt Altmann. Denn Kosovo werde sehr viel länger brauchen, um der EU beizutreten. Die Europäische Kommission hat im Oktober 2012 die Zuerkennung des Kandidatenstatus für Albanien empfohlen - mit Vorbedingungen: Unter anderem soll Albanien seine Justiz und die öffentliche Verwaltung reformieren und erfolgreich gegen die Korruption kämpfen.