Unterwegs in der Wellnesswelt
Etwas für das eigene Wohlbefinden zu tun, liegt in Deutschland seit langem im Trend. Entsprechend zahlreich sind die Angebote. Nicht alle tragen jedoch unbedingt zur Harmonie von Körper, Geist und Seele bei.
Die Definitionen, was „Wellness“ eigentlich bedeutet, reichen von „ein durch leichte körperliche Betätigung erzieltes Wohlbefinden“ über „Gesundheit und Schönheit als umfassendes Konzept körperlichen Wohlbefindens“ bis zur „Herstellung körperlichen, geistigen, seelischen, emotionalen, ökologischen und sozialen Wohlbefindens durch Tätigkeiten wie Fitness, gesunde Ernährung, Spa und Beauty“. Entstanden ist der Begriff „Wellness“ aus der Verbindung der englischen Wörter „well being“, Wohlbefinden, auf der einen und „fitness“ und „happiness“, Glück, auf der anderen Seite. Ursprünglich hatte „Wellness“ einen medizinischen und wirtschaftlichen Hintergrund. Als in den 1970er Jahren die Kosten im amerikanischen Gesundheitswesen stiegen, erhielten drei US-Amerikaner von ihrer Regierung den Auftrag, ein neues Gesundheitsmodell zu entwickeln. Ziel war es, das Ernährungsbewusstsein zu stärken, die Selbstverantwortung zu erhöhen und die Kosten zu senken.
In Deutschland wurde schon im 19. Jahrhundert Wellness praktiziert. Nur hieß es früher noch nicht so. Man kurte, machte einen Kururlaub. Entsprechend zahlreich ist daher die Zahl an Sanatorien, Kurorten und Thermalzentren hierzulande und entsprechend hoch die Zahl derjenigen, die gerne etwas für Körper, Geist und Seele tun wollen. Nach einer Studie des Stanford Research Institute SRI International aus dem Jahr 2014 stehen die Deutschen bei Wellness-Reisen im europäischen Vergleich auf Platz eins, dicht gefolgt von Franzosen, Österreichern, Briten, Italienern und Schweizern. Was man heutzutage unter dem Begriff „Wellness“ versteht, erklärt Volker Ullrich, Geschäftsführer der Hochschule für Gesundheitswissenschaften Wuppertal:
„Wellness ist halt nicht nur: ‚Ich lasse passiv etwas über mich ergehen‘, sondern ist auch ‚ich tue aktiv etwas für mich‘. Das heißt, Wellness ist nicht nur die Massage, sondern Wellness ist auch zum Beispiel das Erlernen eines Entspannungsverfahrens. Wellness kann auch sein das ‚Achten auf gesunde Ernährung‘, Wellness kann auch sein ‚körperliche Bewegung‘. Das heißt, der Versuch, den Körper insgesamt oder den Menschen insgesamt, in eine Situation zu bringen, in der er sich wohl fühlt, aber halt nicht nur passiv, sondern in der Gesamtheit von Körper, Seele und Geist.“
Viele Menschen wollen im Urlaub Kraft für den Körper und den Geist „tanken“ und das seelische Gleichgewicht wieder ins Lot bringen. Die Wege dahin können verschieden sein. Manche können das am besten mit Entspannungsverfahren wie Meditation oder Yoga, oder sie ziehen sich für einige Zeit ins Kloster zurück. Andere fasten oder ernähren sich bewusst und verzichten auf ungesunde Lebensmittel. Und wieder andere bevorzugen einen Aktivurlaub mit Fahrradfahren, Wandern oder Surfen. Aber auch die Schönheit kommt nicht zu kurz. Viele Leute schätzen es, entspannt auf einer Liege zu liegen, während eine Kosmetikerin eine besondere Gesichtsmaske aus natürlichen Produkten aufträgt. Zum Beispiel eine, die auf Basis von roten Weintraubenkernen erstellt wird, erklärt Kosmetikerin Miriam:
„Die setzt sich zusammen einmal aus’m Traubenkernmehl, dem Traubenkernschrot, unser kaltgepresstes Traubenkernöl und das OPC-Pulver – das ist ’n Wirkstoff aus’m Traubenkern, der ’n ganz toller Radikalfänger ist.“
Traubenkerne gelten als gesundheitlich wertvoll, sie sind Radikalfänger. Sogenannte „freie Radikale“ sind für den Organismus gefährliche Stoffwechselprodukte, die regelmäßig in unserem Körper gebildet werden. Zu viele davon begünstigen die Entstehung von Krankheiten oder beschleunigen die Hautalterung. Sogenannte „Antioxidantien“ wirken ihnen entgegen, fangen sie ein. Und diese finden sich unter anderem auch in kaltgepresstem Traubenkernöl, ein Öl, das ohne vorherige Erhitzung der Kerne gewonnen wird. Wird es erwärmt auf die Haut aufgetragen, öffnet es die Poren. Dadurch kann die Haut die Wirkstoffe besser aufnehmen. Der Wellness-Begriff geht inzwischen jedoch weit über seinen ursprünglichen Gedanken hinaus, so Volker Ullrich:
„Wellness ist auch verbunden mit Ernährungsfragen, das heißt, die Ernährungsindustrie liefert uns Wellness-Tees, Wellness-Joghurts, wahrscheinlich sogar Wellness-Schokoladen. Hat aber nicht unbedingt was damit zu tun, wie Wellness im Ursprung verstanden wurde.“
„Wellness“ ist zu einer Art Label geworden, zu etwas, das für alles steht, was gesund ist. Vor allem die Lebensmittelindustrie ist auf diesen „Gesundheitszug“ aufgesprungen. Das Motto: „Wellness sells – Wellness verkauft sich gut“. Lebensmittel und Getränke mit der Aufschrift „Wellness“ erwecken den Eindruck, dass sie gesund sind oder gesund machen – auch wenn das nicht immer stimmt. Trotzdem: Nach Ansicht von Fachleuten wird das Thema für Deutsche auch in Zukunft wichtig bleiben, und bei Wellness-Reisen wird in den kommenden Jahren mit weiter hohen Zuwachsraten gerechnet. Tourismusmarktforscher Rolf D. Freitag sieht dafür zwei Gründe:
„Ein Hintergrund ist mit Sicherheit, dass unser Alltag ziemlich stressig geworden ist und eigentlich zugestopft mit Tätigkeiten. Das ist ja nicht nur die Arbeit. Das sind Termine. Man geht zu Kursen und sonst was. Von daher produziert man zu Hause den Bedarf: ‚Irgendwann muss sich jemand um mich sorgen‘. Und dann kommt dazu die gestiegene Kaufkraft, die den Leuten halt erlaubt, dass man das nicht mehr selbst tun muss, sondern man lässt sich pflegen.“
Für Rolf D. Freitag ist klar: Diejenigen, die sich für einen Wellness-Urlaub entscheiden, produzieren zu Hause den Bedarf, schaffen die Voraussetzung dafür, dass sie sich entspannen wollen. Denn sie füllen jeden Tag mit Aufgaben, Pflichten und Tätigkeiten, stopfen sich die Tage zu. Sie sind dann gestresst, müde und ausgelaugt, völlig entkräftet. Und weil die Kaufkraft in Deutschland gestiegen ist, die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben, können sich viele einen Wellness-Urlaub auch leisten. Denn der hat seinen Preis: Wellness-Reisen zählen zu den teureren Urlaubsarten. Trotzdem gönnen sich viele ganz bewusst eine Auszeit – wie diese Urlauberin:
„So ’n Wellness-Urlaub ist doch noch mal ’n ganz anderes Gefühl. Nach so ’ner Woche, wenn man sich dann doch eher mal um den Körper gekümmert hat, um das Gesicht, geht man doch viel gestärkter und gekräftigter wieder ins normale Berufsleben zurück.“
„Entschleunigung“ heißt das Stichwort. Ganz egal, wie man seine „inneren Batterien“ wieder auflädt: Der entsprechende Urlaubsort mit dem passenden Angebot wartet schon.