Unterwegs in der Senfmühle
Scharf, süß oder körnig – Senf gibt es in den verschiedensten Variationen. Viele große Firmen produzieren die gelbe Paste. Doch in einer Senfmühle in der Eifel wird Senf noch auf traditionelle Weise hergestellt.
Eine Bockwurst ohne Senf zu essen, ist schwer vorstellbar. Auch zur Weißwurst oder zum Leberkäse darf er nicht fehlen. Schon in der Antike war das scharfe Gewürz bekannt und wurde auch als Heilmittel eingesetzt. Heutzutage finden sich unzählige unterschiedliche Senfsorten. In Deutschland kennen wir vor allem Senf, der aus braunen beziehungsweise weißen oder gelben Senfkörnern hergestellt wird. Je höher der Anteil an braunen Körnern, desto schärfer ist er. Allerdings entfalten die Körner ihren scharfen Geschmack erst, wenn man sie mit Wasser oder Essig vermischt. Obwohl Senf inzwischen überwiegend industriell produziert wird, finden sich noch einige Betriebe, in denen er nach alter Tradition hergestellt wird. Zu diesen Betrieben gehört die Senfmühle in Monschau, einer Kleinstadt im Rheinland nahe der belgischen Grenze. Eine der zahlreichen produzierten Senfsorten ist der sogenannte „Moutarde de Montjoie“. Senfmühlenbesitzer Guido Breuer erzählt, wie es zu dem Namen kam:
„Wir nennen unseren Senf ‚Moutarde de Montjoie‘, weil mein Urgroßvater im französischen Teil gründete. Monschau hat ja mal erfahren, dass der Napoleon da war, die Rheinlande besetzte und aus dem damaligen ‚Monjave‘ ein ‚Montjoie‘ im Französischen formte. Deshalb hab ich gesagt bei Übernahme des Geschäftes: ‚Was machste jetzt? Machste jetzt einen ‚Monschauer Senf‘, machste ‘n ‚Monschauer Mostard‘ oder machste ganz was Hochtrabendes und schreibst ‚Moutarde de Montjoie‘.‘ Und so heißt mein Senf heute ‚Moutarde de Montjoie‘.“
Die Senfproduktion der Monschauer Mühle reicht zurück bis zu Guido Breuers Urgroßvater. Seine Urgroßmutter stellte ihn anfangs in der heimischen Küche her. Als Guido Breuer dann darüber nachdachte, wie er diesen „Ursenf“ nennen solle, hatte er die Wahl zwischen drei Möglichkeiten: einer hochsprachlichen, einer im regionalen Dialekt und einer französischen. Auch wenn sie übertrieben vornehm, hochtrabend, klang: Die französische Bezeichnung gefiel dem Senfmüller am besten. Gebiete des Rheinlands waren zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Truppen des französischen Generals Napoleon Bonaparte besetzt worden. Die Besatzung endete 1815, der französische Einfluss blieb aber in der Sprache. Am Wasser der Rur steht die Mühle heute nicht mehr. 1951 zogen die Breuers mit ihrer Senfmühle an den Ortsrand. Geblieben ist aber die traditionelle Herstellung mittels riesiger Mahlsteine, die noch aus den Zeiten von Großvater Clemens-August Breuer stammen. Und auch das Erscheinungsbild der Senfgefäße erinnert an früher. Als Guido Breuer den Betrieb von seinem Vater übernahm, hat er bewusst Gefäße ausgewählt, die den Charakter des Historischen und Handgefertigten unterstreichen. Eine Veränderung, die Vater Breuer zunächst für überflüssig hielt:
„Mein Vater hat die Welt ehnicht verstanden, wie ich hinging und machte ‘nen Senf in so einem Pott. Hab gesagt, das ist ‘n dunkler, schöner Steinzeugtopf. Da sind die Aromen heil. Der Senf kann kein Licht vertragen. Er erfährt die Kühle des Topfes, kann also noch zusätzlich im Kühlschrank aufbewahrt werden. Da hab ich eine Verpackung, die ist Eins a.“
Vater Breuer verstand die Welt nicht mehr. Er konnte nicht glauben, dass sein Sohn den Senf in einen Pott, einen kleinen Topf, aus Steinzeug füllte und nicht in ein Glas. Allerdings hatte das einen guten Grund: Steinzeug ist ein mit einer Glasur überzogenes, undurchsichtiges Keramikerzeugnis. Sein Vorteil ist unter anderem, dass es kühlt und den Geschmack des Inhalts bewahrt. Er bleibt unversehrt, heil. Der Topf ist – wie es Guido Breuer umgangssprachlich formuliert – eine Eins-a-Verpackung. Die Wendung „Eins a“ wird verwendet, um auszudrücken, dass etwas beste Qualität ist. Senf zu produzieren heißt einerseits, überlieferte Erfahrung und alte Rezepte anzuwenden. Es bedeutet aber auch, die Geschmackssinne für neue Eindrücke offen zu halten und für die Wünsche der Kundinnen und Kunden offen zu sein. Über manche seiner Senfsorten hat Guido Breuer jahrelang nachgedacht und verschiedenste Mischungen ausprobiert, bis am Ende die aromatische Verbindung herauskam, die ihn zufriedenstellte. Mit seinem Sortiment versucht er vom Feinen bis zum Rustikalen alle Geschmacksrichtungen abzudecken:
„Manche mögen’s mal ‘n bisschen deftig. Ne deftige Schlachtplatte mit Leberwurst und Wurst und Sauerkraut, und da passt Kümmelsenf dazu, zweifelsohne, denn der hilft ja dann auch bei der Verdauung. Und unser Honigsenf, den mach ich mit 30 Prozent Honiganteil und schmeck das Ganze mit blauem Mohn ab. Und dieser blaue Mohn gibt dem Senf das absolute Aha-Erlebnis.“
Senf beziehungsweise die eine oder andere Senfspezialität gehört zu vielen Gerichten dazu – wie beispielsweise zu einer sogenannten „Schlachtplatte“. Das ist ein sehr deftiges, also nahrhaftes, kalorienreiches, Gericht, das aus gekochtem Fleisch, frischer Blutwurst und Fleischwurst sowie Beilagen wie Kartoffeln und Sauerkraut besteht. Zu einem solchen Gericht passt bestimmt, zweifelsohne, ein Senf, der das verdauungsfördernde Gewürz Kümmel enthält. Guido Breuer experimentiert gern. Als er beispielsweise auf die Idee kam, die blaugrauen Samen der Mohnpflanze zu seinem Senf hinzuzugeben, war das für ihn ein absolutes Aha-Erlebnis. Er hatte eine plötzliche, tolle Erkenntnis. Guido Breuer ist überzeugter Senfmüller und ein aktiver Unternehmer. Neben seiner Senfmühle betreibt er zusätzlich einen Getränke- und Weinfachhandel. Seine Waren kann man auch online bestellen. Dort bietet er auch seine mit Sicherheit größte Besonderheit an: Senfpralinen. Von der Überzeugung geleitet, dass Gegensätze sich anziehen, ließ er einen belgischen Pralinenhersteller Süßes und Saures, Mildes und Herbes verbinden. Sein Ehrgeiz als Unternehmer hat Guido Breuer aber nicht dazu verführt, eine höhere Senfproduktion anzustreben. Die Zusammenarbeit mit Großunternehmen, Riesen, hat er immer abgelehnt:
„Meine Freunde meinen manchmal, ich sollte den Senf doch von den Riesen machen lassen und nur mein Etikett verwenden. Und das ist genau das Falscheste, was ich machen könnte. Ich würde mir sofort den Ast absägen, wenn ich neben diese altehrwürdigen Mühlsteine eine moderne Turbinenanlage stellen würde. Und da wäre ich schön dumm. Ich betreibe heute eine Nischenpolitik und kann auch noch sehr gut einwirken auf den Preis, auf die Qualität sowieso – und das macht dem Kaufmann Spaß.“
Seine Senfherstellung möchte Guido Breuer nicht ausweiten, auch nicht über den Umweg, dass er nach seinem Rezept andernorts produzieren lässt. Damit würde er sich, wie er sagt, selbst den Ast absägen,auf dem er sitzt. Er würde sich seiner Lebensgrundlage berauben und seinen eigenen Niedergang betreiben. Stattdessen betreibt er mit altehrwürdigen, schon wegen ihres hohen Alters Achtung einflößenden, Mühlsteinen lieber eine Nischenpolitik, produziert und verkauft also nur in einem begrenzten Bereich der Wirtschaft. Er hat eine kleine, qualitätsbewusste Käuferschicht mit speziellen Wünschen. Und diese kann leichter zufriedengestellt werden als eine mit unterschiedlichsten Bedürfnissen. Und den Senfmüller freut dann auch, wenn er lobende Worte zu hören bekommt:
„Der erste Kunde, der mich hier besuchte, war ‘ne ältere Dame. Die meinte bei der Probe des Senfes: ‚Herr Breuer, so schmeckte Senf in meiner Jugend‘. Und damit hat sie mir ‘n tolles Kompliment gemacht. Denn in der Jugend der Dame gab es tausende Senfmühlen.“
Und die Mühlsteine in der Monschauer Senfmühle werden sicher weiter Senfkörner mahlen. Denn die fünfte und sechste Generation steht schon bereit.
Arbeitsauftrag
Informiert euch über die Senfmühle und ihre Produktion: http://bit.ly/1Vq7DO2. Sucht euch ein Produkt aus und gestaltet dafür beispielsweise einen Werbespot oder ein Werbeplakat. Schreibt auf, was an dem Senf so besonders ist und warum ihn die Menschen kaufen sollten.