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Unmut über Troika, Hoffnung auf Berlin

Jannis Papadimitriou18. November 2013

Der griechische Premier Antonis Samaras wird zu Gesprächen in Berlin erwartet. Angesichts der Haushaltslücke von 1,3 Milliarden Euro drängen die Gläubiger auf weitere Einsparungen, doch Samaras sträubt sich.

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Der griechische Premier Antonis Samaras im Dialog mit Journalisten(Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Besuch der Gläubiger-Troika (EU, Internationaler Währungsfonds und Europäische Zentralbank) in Athen Anfang November stand lange auf der Kippe. Denn in zentralen Punkten war es zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der griechischen Koalitionsregierung und den Geldgebern gekommen. Streit gab es vor allem über die Höhe einer drohenden Finanzlücke im griechischen Haushalt für 2014. Wochenlang hat der griechische Finanzminister Jannis Stournaras das künftige Haushaltsloch auf höchstens 500 Millionen Euro beziffert, während die Troika den Fehlbetrag auf mindestens zwei Milliarden berechnete und neue Sparmaßnahmen forderte, damit die Finanzlücke durch die Regierungseinnahmen gedeckt wird.

Inzwischen hat man sich auf einen Zusatzbedarf von 1,3 Milliarden Euro geeinigt. Doch Regierungschef Antonis Samaras weigert sich, weitere Einschnitte und Lohnkürzungen mitzutragen. Vor dem Hintergrund der seit sieben Jahren anhaltenden Rezession und einer Rekordarbeitslosigkeit von 28 Prozent bezeichnet der konservative Premier die griechische Gesellschaft als "erschöpft".

Taktische Manöver um den Haushalt

Demonstranten protestieren in Athen gegen die Sparmaßnahmen im Juli 2013 (Foto: Reuters)
"Die Gesellschaft ist erschöpft": Generalstreik gegen Sparmaßnahmen im JuliBild: Reuters

"Die Regierung will einen härteren Verhandlungskurs einschlagen, weil es keinen Spielraum gibt für einseitige Sparmaßnahmen", erklärt der Verfassungsjurist und Europapolitiker der mitregierenden sozialistischen PASOK-Partei, Kostas Botopoulos. Zwar würde das Vereinbarte selbstverständlich umgesetzt, aber neue Einschnitte seien nicht vertretbar, mahnt er. Zudem würde die Verhandlungsposition der Athener Regierung dadurch gestärkt, dass sie einen primären Haushaltsüberschuss erzielt habe - also dass die Staatseinnahmen (ohne Berücksichtigung der Kreditkosten) höher sind als die Staatsausgaben. Diesen finanzpolitischen Erfolg müsse man in der Verhandlung über die Haushaltslage berücksichtigen, fordert Botopoulos.

Eine andere Auffassung vertritt der Athener Finanzjournalist und Publizist Makis Andronopoulos. Er ist überzeugt, dass die Athener Politiker zwar aus taktischen und innenpolitischen Gründen Härte vorgaukeln, aber trotzdem auf Troika-Linie bleiben.

In der Hoffnung auf einen deutschen Sinneswandel nach der Bundestagswahl habe sich die griechische Regierung darauf festgelegt, dass die Menschen keine weiteren Sparmaßnahmen ertragen können, so Andronopoulos, der gerade an einem Buch über Deutschland arbeitet. Doch beim ersten EU-Gipfel nach der Wahl habe Bundeskanzlerin Angela Merkel dem griechischen Premier Samaras die kalte Schulter gezeigt. Daraufhin habe Finanzminister Stournaras zugegeben, dass eine Finanzlücke in Höhe von 1,3 Milliarden Euro für den Haushalt 2014 droht. Dann folgte direkt die Einladung des griechischen Premiers nach Berlin für Freitag (22.11.2013).

Innenpolitische Spannungen

"Wir liefern, Europa hilft", erklärte Regierungschef Samaras bei seinem letzten Krisengespräch in Berlin im Januar. Schon damals blieb die Bundeskanzlerin höflich-unverbindlich und mahnte lediglich weitere Reformen im krisengeplagten Griechenland an. Beobachter erwarten, dass Samaras diesmal versuchen wird, größere Klarheit über den europapolitischen Kurs der gerade erst entstehenden Großen Koalition zu bekommen.

Einen weiteren Grund für die Reise-Diplomatie von Samaras sieht Andronopoulos in den wachsenden innenpolitischen Spannungen in Griechenland. Nur knapp überstand der Athener Regierungschef am 11. November ein Misstrauensvotum der Linksopposition. Unterdessen rief der Chef der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen", Panos Kammenos, zu einer Allianz gegen die Sparpolitik auf, der sich auch die Linken anschließen dürften.

Banger Blick auf die Europawahl 2014

Der griechische Finanzminister Jannis Stournaras im Parlament (Foto: Reuters)
Minister Stournaras hat eine drohende Finanzlücke für 2014 zugegebenBild: Reuters

Für die kommende Europawahl im Mai 2014 rechnen sich Populisten aller Couleur und sogar die rechtsextreme Partei "Goldene Morgenröte" gute Chancen aus. Parallel zur Europawahl finden auch die Kommunalwahlen in Griechenland statt.

"Sollten bei der Europa- und der Kommunalwahl jene politischen Kräfte die Oberhand gewinnen, die sich gegen die aktuelle Sparpolitik stellen, würde die Linksopposition gleich am nächsten Tag Neuwahlen zum griechischen Parlament verlangen", meint Andronopoulos. Auch wegen der drohenden Instabilität würde Regierungschef Samaras die Bundeskanzlerin um Verständnis und Aufschub bei der Umsetzung von Sparmaßnahmen bitten, erläutert der Athener Publizist.

Keinen Grund zur Aufregung sieht dagegen der sozialistische Politiker Kostas Botopoulos: Eine Parteienallianz gegen den Sparkurs sei im Grunde genommen nichts Neues. Die Rechtspopulisten pflegten schon länger Kontakte zu den Linken und verfolgten gelegentlich sogar eine gemeinsame Linie mit ihnen, meint Botopoulos. Eine solche Allianz würde "nicht ausreichen, um das politische System insgesamt in Frage zu stellen."

Ein weiteres Hilfspaket für Griechenland?

Im April 2014 läuft das Rettungspaket für Griechenland aus, ohne dass die weitere Finanzierung des krisengeplagten Landes gesichert wäre. Was dann kommt, ist unklar. Noch vor der Bundestagswahl hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble angedeutet, dass ein weiteres Hilfspaket für Griechenland nicht ausgeschlossen sei. Nach Medienberichten geht es dabei um rund zehn Milliarden Euro. Entscheidungen dazu sind bisher noch nicht gefallen. Am liebsten hätte Griechenland noch in diesem Jahr eine Zusage über das neue Rettungspaket erhalten, aber das sei wohl nicht realistisch, glaubt der ehemalige EU-Abgeordnete Botopoulos.

"Angesichts der politischen Spannungen in Griechenland wäre es für die Europawahl natürlich wichtig, dass die Regierung einen Verhandlungserfolg vorweist", erläutert er. "Aber es sieht danach aus, dass wohl auch in Deutschland innenpolitische Erwägungen die Oberhand gewinnen werden und die Debatte über ein neues Hilfspaket für Griechenland aufgeschoben wird".