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Ungleiches Pärchen: Hollande besucht Merkel

Andreas Becker9. Mai 2014

Frankreichs Präsident Hollande und die deutsche Kanzlerin Merkel wollen bei ihrem Treffen die Gemeinsamkeiten betonen. Wirtschaftlich aber haben beide unterschiedliche Vorstellungen.

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Französische und deutsche Flagge
Bild: picture-alliance/dpa

Wenn Angela Merkel und François Hollande am Europatag gemeinsam Boot fahren im ostdeutschen Wahlkreis der Bundeskanzlerin, dann geht es zunächst einmal um Bilder und Symbolik. "Das Signal soll sein: Wir verstehen uns, wir sind Freunde", sagt Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin. "Es soll gezeigt werden: Wir machen weiter wie die anderen Pärchen vor uns."

Pärchen wie Bundeskanzler Adenauer und Präsident de Gaulle, wie Helmut Kohl und François Mitterrand. Dabei hat die Beziehung zwischen Merkel und Hollande nicht gut begonnen. Vor zwei Jahren hatte sich die deutsche Kanzlerin geweigert, Hollande zu empfangen, weil sie den Sozialisten im Präsidentschaftswahlkampf nicht unterstützen wollte. Hollande soll ihr das lange übel genommen haben.

Vor allem bei zentralen Fragen der Wirtschafts- und Europapolitik wirken beide Länder nicht wie ein harmonisches Pärchen. Die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist doppelt so hoch wie in Deutschland, das Wachstum geringer, und im gemeinsamen Handel erwirtschaftete Deutschland zuletzt einen Überschuss von fast 40 Milliarden Euro gegenüber Frankreich.

Während Frankreichs Regierung sich aktiv einmischt in die Diskussion um die Übernahme des Technologiekonzerns Alstom durch General Electric oder Siemens, gibt sich die deutsche Politik hier sehr zurückhaltend.

Angela Merkel und Francois Hollande beim EU Afrika Gipfel in Brüssel
Merkel und Hollande, hier bei einem Treffen in Brüssel Anfang April 2014Bild: Reuters

Streit um den Eurokurs

Auch beim Eurokurs gehen die Meinungen auseinander: Ist der zu hoch, gefährdet das die Exporte beider Länder. Frankreich will den Euro aktiv schwächen, Deutschland jeoch nicht. "Die Beeinflussung des Euro-Wechselkurses würde riesige Interventionssummen verlangen und Gegenmaßnahmen anderer Regierungen wie China, Japan und der USA provozieren", so der Ökonom Hans-Werner Sinn, Leiter des Münchner ifo-Instituts, in einem Zeitungsinterview.

"Die Aufwertung des Euro ist für Frankreich ein Problem", sagt Jürgen Pfister, bis 2013 Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank und seitdem freier Wirtschaftsberater. Frankreich sei hier anfälliger als Deutschland, weil es weniger wettbewerbsfähig sei: "Da sind etwa die zu starke Lohnsteigerung im letzten Jahrzehnt, die Vernachlässigung der expandierenden Märkte außerhalb Europas und teilweise auch Probleme in der Produktpalette", so Pfister gegenüber DW.

Auch das Bemühen der Franzosen, beim Abbau von Schulden und Haushaltsdefizit mehr Zeit zu erhalten, stößt auf deutscher Seite auf Ablehnung. Die französische Regierung könne nicht die Steuern senken und gleichzeitig behaupten, sie habe kein Geld, um das Defizitziel von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu erreichen, so Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung.

Kritik aus Frankfurt

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB) machte ebenfalls deutlich, dass er von den französischen Plänen nichts hält. "Die Glaubwürdigkeit geltender Regeln zu untergraben ist keine gute Politik", so Draghi einen Tag vor dem Treffen von Merkel und Hollande. "So entsteht kein Wachstum, und es gibt keine Rechtfertigung, Strukturreformen auf die lange Bank zu schieben." Die Franzosen werden das nicht gerne hören, zumal die EZB in ihren Augen ohnehin zu mächtig ist - während sich die Deutschen ständig um die Unabhängigkeit der Notenbank sorgen.

Für Claire Demesmay von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik sind all die Konfliktthemen jedoch nichts Neues: "All diese Punkte gibt es in der deutsch-französischen seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten", so die Französin im DW-Gespräch. "Es sind traditionelle französische Forderungen und ebenso lang schon stehen die deutschen Antworten fest. Man hat den Eindruck, diese Traditionen bleiben, wir werden uns nicht ähnlicher."

Zaghafte Annäherung

Immerhin gab es Versuche. Hollandes Vorgänger Nicolas Sarkozy pries Deutschland als wirtschaftliches Vorbild - eine Position, die dazu beitrug, dass er nicht wiedergewählt wurde. Hollande sei da zurückhaltender, lasse sich aber ebenfalls vom deutschen Modell inspirieren, sagt Demesmay. "DeutschIand ist für Hollande in vielen Bereichen ein Vorbild, insbesondere das deutsche Ausbildungssystem und die Einbindung der Sozialpartner, das hat er mehrfach gesagt."

So will Hollande mit seinem Reformpaket "Pakt für Verantwortung" die Belastungen für französische Unternehmen reduzieren, ohne Generalstreiks der Gewerkschaften zu provozieren. Und mit Manuel Valls hat er einen Premierminister ernannt, der in der sozialistischen Partei als wirtschaftsliberal gilt.

Dennoch möchte Hollande beim Abbau von Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechten nicht so weit gehen wie die Deutschen unter dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder. Aus Sicht Hollandes unternimmt Deutschland im Kampf gegen Armut zu wenig, sagt Claire Demesmay. "Das französische Sozialsystem ist für Hollande vorbildlich, auch wenn er weiß, dass es reformiert werden muss."

Dass Deutsche und Franzosen trotz aller Unterschiede auch Einigkeit demonstrieren können, habe dagegen der Kompromiss bei der europäischen Bankenunion gezeigt. Auch in politischen Fragen wie der Haltung gegenüber Russland im Ukraine-Konflikt seien die Gemeinsamkeiten groß, so Demesmay.