Obwohl die meisten Jugendlichen in Deutschland im Wohlstand leben, fühlen sie sich unwohl und unglücklich. Laut einer internationalen Studie ist jeder Siebte unzufrieden.
Eine internationale Studie vom Kinderhilfswerk UNICEF hat Anfang 2013 festgestellt: Viele Jugendliche in Deutschland sind mit ihrer Lebenssituation unzufrieden. Nur in fünf Ländern sind die jungen Menschen unzufriedener. Befragt wurden mehr als 176 000 Kinder und Jugendliche in 29 Ländern, davon rund 5000 in Deutschland. Die Studie zeigte außerdem, dass viele Kinder hierzulande in Armut leben.
Doch auch Jugendliche ohne materielle Sorgen sind unzufrieden. Laut der Umfrage ist jeder Siebte unglücklich. Professor Hans Bertram, Mitglied des Deutschen Komitees für UNICEF, glaubt, dass dafür der Leistungsdruck verantwortlich ist. Es stresst die Jugendlichen, immer Erfolg haben zu müssen.
Josef Kraus, Präsident des deutschen Lehrerverbandes, bezweifelt diese Ansicht. Er sagt: „Der Leistungsdruck, den unsere jungen Leute erleben, ist in gewisser Weise das Ergebnis einer Pädagogik der Verwöhnung.“ Er sieht es als Wohlstandsphänomen, dass die Jugendlichen unglücklich sind, obwohl es ihnen eigentlich gut geht.
Kraus glaubt, dass die Kinder in Deutschland immer mehr verwöhnt werden. Das soll an der wachsenden Zahl der Ein-Kind-Familien liegen. „Da wird alles auf ein Kind projiziert“, begründet er. Allerdings werden in nur etwa 20 Prozent aller Familien die Kinder überbehütet. Das Jammern ist laut Kraus einfach ein typisch deutsches Phänomen.
Glossar
Wohlstand (m., nur Singular) – die Tatsache, dass jemand genug Geld hat, um gut zu leben, und sich keine Sorgen um seine finanzielle Situation machen muss
sich unwohl fühlen – sich nicht gut fühlen; mit etwas unzufrieden sein
laut – hier: nach Angaben von; wie jemand gesagt oder geschrieben hat
Kinderhilfswerk, -e (n.) – ein Verein, der sich für Rechte für Kinder einsetzt
hierzulande – hier in diesem Land; gemeint ist: in Deutschland
materielle Sorgen (f., meist im Plural) – die Tatsache, dass man finanzielle Probleme hat
Umfrage, -n (f.) – die Befragung von vielen unterschiedlichen Personen
Komitee, -s (n.) – eine Gruppe von Menschen, die bestimmte Entscheidungen trifft
Leistungsdruck (m., nur Singular) – die hohe Erwartung an eine Person, gute Leistungen zu erreichen; der Druck, Erfolg haben zu müssen
für etwas verantwortlich sein – hier: die Ursache von etwas sein
stressen, etwas stresst jemanden – jemand hat Stress wegen etwas; jemand ist unter Druck wegen etwas
etwas bezweifeln – Zweifel an etwas haben; nicht an die Richtigkeit von etwas glauben
Pädagogik (f., nur Singular) – hier: die Art, wie man seine Kinder erzieht
Verwöhnung (f., nur Singular) – hier: das Erfüllen aller Wünsche von jemandem
Phänomen, -e (n.) – hier: etwas, das sehr weit verbreitet ist
jemanden verwöhnen – alle Wünsche von jemandem sofort erfüllen
etwas liegt an etwas – etwas ist der Grund für etwas
Ein-Kind-Familie, -n (f.) – eine Familie mit nur einem Kind
etwas auf jemanden projizieren – hier: alle Aufmerksamkeit auf jemanden richten
jemanden überbehüten – jemanden zu sehr beschützen; jemanden → verwöhnen
jammern – sich oft beklagen; oft sagen, dass man unzufrieden ist
Fragen zum Text
1. Viele Jugendliche in Deutschland sind unzufrieden, obwohl sie …
a) im Wohlstand leben.
b) unter Leistungsdruck stehen.
c) in Armut leben.
2. Jeder siebte Jugendliche ist unglücklich. Laut Professor Bertram liegt es daran, dass …
a) die Jugendlichen sehr arm sind.
b) die Deutschen immer nur jammern.
c) der Leistungsdruck die Jugendlichen stresst.
3. Josef Kraus glaubt nicht, dass …
a) die Jugendlichen zu sehr verwöhnt werden.
b) viele Familien nur noch ein Kind haben.
c) die Jugendlichen sehr viel Stress haben.
4. Welches Wort passt nicht? Die jungen Menschen in Deutschland sind …
a) unglücklich.
b) unwohl.
c) unzufrieden.
5. Welches Gegenteil-Paar ist nicht richtig?
a) zufrieden - unzufrieden
b) typisch - untypisch
c) arm - unarm
Arbeitsauftrag
Wie schätzt ihr die Jugendlichen in eurem Land ein? Glaubt ihr, dass sie zufrieden oder unzufrieden sind? Nennt Gründe für eure Einschätzung.
Autor/in: Naomi Conrad/Benjamin Wirtz
Redaktion: Shirin Kasraeian