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UN wollen bis 2030 eine Welt ohne Armut

Mirjam Gehrke7. Juni 2013

UN-Experten haben Vorschläge für eine Entwicklungsagenda nach 2015 vorgelegt. Bis 2030 soll damit die extreme Armut beseitigt werden. Hilfsorganisationen kritisieren die Fixierung auf Wirtschaftswachstum.

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Eine Romafamilie vor ihrer aus Wellblech und Pappe zusammengebauten Hütte in Bulgarien (Foto: DIMITAR DILKOFF/AFP/Getty Images)
Roma in BulgarienBild: AFP/Getty Images

Bis 2030 soll niemand mehr von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag - also in extremer Armut - leben müssen. "Die Chance dazu ist eindeutig da", begrüßt Hans-Jürgen Beerfeltz, Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, die neue Zielsetzung der UN-Experten.

Im Mittelpunkt der Agenda steht eine nachhaltige Entwicklung, die Ressourcen schonen und Arbeitsplätze schaffen soll. Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer können nur dann einen angemessenen Lebensstandard für alle Menschen schaffen, wenn Wachstum ökologisch und sozial nachhaltig gestaltet wird: Das ist die Kernaussage des Berichts, den das hochrangige Beratergremium UN-Generalsekretär Ban Ki Moon überreicht hat. Deutschland ist in dem 27-köpfigen Gremium durch Ex-Bundespräsident Horst Köhler vertreten.

"Gemeinsam mit dem neuen Dreiklang aus Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden wir das schaffen", so Beerfeltz zur DW. Die Bundesrepublik Deutschland als zweitgrößtes Geberland weltweit habe "eine Vorreiterrolle eingenommen in der Verbindung von Entwicklungszielen mit Marktwirtschaft". Viele dieser Aspekte seien in die neue Agenda eingeflossen.

Der Präsident von Indonesien, Susilo Bambang Yudhoyono überreicht UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den Bericht des High-level Panels über die Post-2015 Entwicklungsziele (Foto: dpa)
UN-Generalsekretär Ban nimmt den Bericht über die neuen Entwicklungsziele entgegenBild: picture-alliance/dpa

Umwelt und Wirtschaft werden berücksichtigt

Insgesamt zwölf neue Ziele schlägt der Bericht vor. Neben der Beseitigung der extremen Armut soll bis 2030 auch die Zahl der vermeidbaren Todesfälle bei Säuglingen und Kindern unter fünf Jahren auf null gesenkt werden. Gewalt gegen Frauen soll weltweit geächtet werden. Der Zugang zu sicherer Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung soll global gewährleistet werden - ebenso wie eine universelle Grundschulausbildung.

Neu im Katalog sind Umwelt- und Wirtschaftsziele. So soll der Anteil erneuerbarer Energien weltweit verdoppelt und Energieeffizienz im gleichen Maße gefördert werden. Die Erderwärmung soll auf maximal zwei Grad Celsius begrenzt werden. Regierungen und große Unternehmen sollen Rechenschaft über ihre wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Bilanzen ablegen. Als Messlatte für gute Regierungsführung ist unter anderem der universelle Zugang zu Geburtsurkunden und Identitätsdokumenten vorgesehen.

Die Autoren des Berichts schlagen weiterhin vor, Agrarsubventionen radikal zu streichen, gegen Steueroasen vorzugehen und sicherzustellen, dass multinationale Konzerne ihre Steuern ordnungsgemäß abführen.

Demonstration gegen häusliche Gewalt gegen Frauen in Bolivien (Foto: dpa)
Gewalt gegen Frauen soll weltweit geächtet werdenBild: picture-alliance/dpa

Kritik an Fokussierung auf Wirtschaftswachstum

Kritik üben Vertreter der Zivilgesellschaft daran, dass der Bericht zwar die Armutsbekämpfung zum Ziel hat, jedoch die Ursachen von Armut nicht ausreichend analysiert. "Wir brauchen eine Wirtschaft, die stärker darauf ausgerichtet werden muss, Jobs zu schaffen, nicht nur Profite zu erwirtschaften", fordert der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Wolfgang Jamann, im DW-Interview. Bestehende Systeme wie unfaire Handelsbedingungen oder ein Finanzsystem, das den Armen nicht helfe, würden nicht ausreichend hinterfragt.

Noch weiter geht Klaus Schilder, Leiter der Abteilung Entwicklungspolitik beim katholischen Hilfswerk Misereor, in seiner Kritik. "Der Bericht schafft es nicht, die Wachstumslogik zu überwinden", so Schilder zur DW. "Wir müssten wegkommen von nachhaltigem Wachstum und Effizienzsteigerung. Was wir erreichen müssen, ist die Reduzierung von Wachstum. Wir brauchen ein Suffizienzdenken, das die Grenzen unseres Ökosystems wirklich berücksichtigt."

Industrie- und Schwellenländer müssen Verantwortung übernehmen

Umweltschäden durch Ölförderung (Shell) im Nigerdelta. Foto: DW/Muhammad Bello, Haussa Korrespondent from Niger Delta( Nigeria), 15.11.2011
Nachhaltigkeit soll Vorrang haben vor Wirtschaftswachstum auf Kosten der UmweltBild: DW/M. Bello

Armutsbekämpfung durch Wirtschaftswachstum auf Kosten von Menschenrechten und Umwelt - diesen Weg haben viele Schwellenländer in den vergangenen Jahren eingeschlagen. Die Industrienationen werden in den Millenniumszielen hauptsächlich als Geberländer erwähnt. Die neue globale Partnerschaft soll ab 2015 alle Länder in die Verantwortung nehmen.

Staatssekretär Beerfeltz appelliert in diesem Zusammenhang explizit an die Schwellenländer, "denen deutsche Entwicklungszusammenarbeit und internationale Unterstützung viele Jahre lang geholfen hat". Diese Länder müssten sich bereit zeigen, "bestimmte Beiträge zu übernehmen". Dazu gehören Themen wie "die nach wie vor bestehende Benachteiligung der Zivilgesellschaft, good governance, Rechtssicherheit, oder die Frage der Behandlung von indigenen und lokalen Gemeinschaften." Viele dieser Themen "sind in Ländern wie Brasilien oder Mexiko nicht auf dem Schirm."

Im September wird UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon der Vollversammlung der Vereinten Nationen seine Empfehlungen für eine neue Entwicklungsagenda für die Zeit nach 2015 vorlegen. Klaus Schilder von Misereor hofft, dass die Schwachstellen des jetzt vorgelegten Berichts bis dahin korrigiert werden und sich die Staatengemeinschaft auf wesentlich umfassendere Ziele einigen kann. Denn das UN-Expertengremium "gibt selbst zu, dass bei den gegenwärtigen Wachstumsraten und dem Beibehalten der einkommensabhängigen Armutsdefinition auch 2030 immer noch fünf Prozent der Menschen in absoluter Armut leben werden." Das Versprechen, innerhalb einer Generation die absolute Armut zu überwinden, bliebe somit unerfüllt.