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UN-Truppen ziehen aus Sierra Leone ab

Sonja Lindenberg31. Dezember 2005

Nach sechs Jahren verlassen die UN-Blauhelme Sierra Leone. Doch ob der Frieden wirklich hält, muss sich zeigen - die Ursache des Konfliktes bleiben bestehen.

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Das Mandat für die UN-Truppen in Sierra Leone endet am 31.DezemberBild: AP

Sie haben 2002 den blutigen Bürgerkrieg in Sierra Leone beendet und dem westafrikanischen Land beim Wiederaufbau geholfen - der Einsatz der UN-Blauhelme, der am 31. Dezember endet, gilt als Erfolg. Doch das Land ist alles andere als stabil. Die Hoffnung auf einen sicheren Frieden in Sierra Leone sei trügerisch, erklärt Anne Jung von der Menschenrechtsorganisation Medico International. Der Konflikt könne jederzeit neu aufflammen, wenn es nicht gelinge, den Menschen eine ökonomische Zukunft zu bieten.

Kriegsgründe bestehen immer noch

Der Einsatz der UN-Truppe beendete einen mehr als zehn Jahre dauernden Bürgerkrieg, in dem die Rebellen der Revolutionären Vereinigten Front (RUF) gegen die Regierung kämpften. Teile der Bevölkerung fielen dabei Gräueltaten wie Verstümmelungen zum Opfer. In dem Krieg, in dem die Parteien um Diamanten und Bodenschätze kämpften, wurden auch Kinder als Soldaten zwangsrekrutiert. Zwischenzeitlich waren rund 17.000 Soldaten in dem Land stationiert. Rund 70.000 Bürgerkriegssoldaten wurden von der UN entwaffnet und die Blauhelme halfen dabei, Polizisten auszubilden. Außerdem sicherte die UN die Wahlen, aus denen 2002 Präsident Ahmed Tejan Kabbah hervorging.

Als Prestigeprojekt der UN galt die Einrichtung eines internationalen Strafgerichtshofs in Sierra Leone. Der berühmteste Angeklagte fehlt jedoch - der ehemalige liberianische Präsident Charles Taylor, der die Rebellen in Sierra Leone finanziell unterstützte. Er hat in Nigeria Asyl bekommen.

Isatu Kaigbo
Besonders Kinder sind von den Gräueltaten des Krieges gezeichnetBild: AP

Als wesentliche Kriegsursachen gelten Armut, Ungleichheit und Perspektivlosigkeit. "Daran hat sich auch heute nichts geändert", stellt Anne Jung fest. Sierra Leone zählt immer noch zu den 20 ärmsten Ländern der Welt, die Arbeitslosigkeit liegt bei 70 bis 80 Prozent. Vor allem die jungen Menschen trifft dies hart. Viele von ihnen haben als Kindersoldaten gekämpft. Hilfsprojekte hätten zwar versucht, Einkommensalternativen zum Söldnerdasein zu entwickeln, sagt Jung. Doch viele dieser Maßnahmen seien daran gescheitert, dass keine Absatzmärkte für die Produkte gefunden wurden.

Kriegsökonomie besteht immer noch

Afrika - Sierra Leone Schule Schülerinnen und Schüler
Schule in Sierra LeoneBild: picture-alliance/dpa/T. Schulze

Landwirtschaft und Infrastruktur des Landes sind zerstört - Der illegale Handel mit Diamanten, der damals den Bürgerkrieg finanzierte, besteht hingegen immer noch. "Der Diamantenschmuggel könnte erneut einen Krieg finanzieren", befürchtet Wolf-Christian Paes. Trotz eines Abkommens, das den Diamantenschmuggel verhindern soll, gebe es einen intensiven und illegalen Diamanten-Transfer von und nach Sierra Leone und damit eine kaum zu kontrollierende Schattenökonomie.

Staat muss UN-Abzug auffangen können

Die Frage wird daher sein, wie die staatlichen Stellen, den Abzug der UN-Truppen auffangen können", sagt Andreas Mehler, Direktor des Instituts für Afrika-Kunde in Hamburg. "Das Vertrauen aber, das man in den Frieden hat, wenn demokratische Wahlen stattgefunden haben, halte ich für unberechtigt", sagt Mehler. Wichtig werde sein, dass Arbeitsplätze geschaffen und dass die ländlichen Regionen wirtschaftlich gestärkt werden, sagt er. Nicht zu unterschätzen seien auch die körperlichen und psychologischen Kriegsfolgen - die müssten ebenfalls noch bewältigt werden.

Korruption ist weiterhin ein Problem

Blut Diamanten aus Sierra Leone - Werbetafel
Das illegale Geschäft mit Diamanten blüht immer nochBild: dpa

Eine große Herausforderung für die Regierung wird auch der Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft sein. Zwar gibt es in Sierra Leone inzwischen eine Antikorruptionsbehörde, die bereits 42 Fälle vor Gericht gebracht hat, doch eine flächendeckende Bekämpfung ist das nicht. "An der weit verbreiteten Korruption hat sich auch unter der demokratischen Regierung nichts geändert", sagt Wolf-Christian Paes vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn (BICC). Seine Forderung: Die internationale Gemeinschaft müsse mehr Druck auf Sierra Leone ausüben.

Europa tut dies bereits: 800 Millionen Euro soll Sierra Leone nächstes Jahr erhalten, aber nur, wenn das Land sicherstellen kann, dass das Geld nicht in Korruption verschwindet. Andreas Mehler aber warnt vor zu häufigen Korruptionsvorwürfen, denn gerade die könnten die Gewalt im Land wieder aufflammen lassen: "Man muss immer bedenken, was für ein Signal man damit setzt. Wir haben in Afrika ja oft genug gesehen, dass solche Vorwürfe ein willkommener Anlass für Putschisten sind."