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Schmutzige EU

Ruth Reichstein3. April 2008

Wirtschaftsförderung geht vor Umweltschutz: Das gilt auch oft bei der Europäischen Union. Sie fördert über 50 Projekte, die der Natur direkt schaden - von der mehrspurigen Autobahn bis zur Müllverbrennungsanlage.

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Müllverbrennungsanlage (AP Photo/Frank Augstein)
Wer Dreck in die Luft bläst, kann sich das von der EU finanzieren lassenBild: AP

Beim Umweltschutz rühmt sich die Europäische Kommission gerne als Vorreiter. Die EU finanziert aber auch Projekte, die die Umwelt zerstören - solange Investitionen und Arbeitsplätze locken.

Der Wedauer Wald im Duisburger Süden: Hier tummelten sich bis vor kurzem zahlreiche Vogelarten und sogar seltene Fledermäuse. Aber vor einigen Monaten wurden sie vertrieben - die Stadt lässt nämlich gerade einen neuen Kanal mit Ruderstrecke, beleuchtendem Weg für Spaziergänger und Jogger sowie einem Wasserspielplatz errichten.

Touristen statt seltener Vogelarten

Das Ziel: mehr Ruderwettkämpfe und Touristen nach Duisburg zu locken. "Das ist Lebensqualität für unsere Bürgerinnen und Bürger", sagt Bausenator Peter Gräulich. "Das ist aber auch ein neuer Wirtschaftszweig für unsere Stadt. Wir gehen davon aus, dass mit dieser Investition auch Leute nach Duisburg kommen werden, die Geld hier lassen."

EU-Umweltkommissar Stavros Dimas (EPA/ERIC VIDAL +++(c) dpa - Report+++)
EU-Umweltkommissar Stavros DimasBild: picture-alliance/ dpa

Aber das Projekt stößt nicht bei allen Duisburgern auf Begeisterung. Denn für den Bau der Freizeitanlage mussten rund zwölf Hektar Wald weichen. Das sind immerhin knapp 1000 Bäume - und das mitfinanziert von der Europäischen Union. Für Matthias Schneider vom BUND ist das völlig unverständlich: "Die EU formuliert einerseits große Ziele. Die Projekte, die mit EU-Mitteln finanziert werden, sollen umweltschonend realisiert werden, aber in der Praxis unten kommt das nicht an."

17 Millionen Euro kostet das Projekt. Etwa ein Drittel davon zahlt die Europäische Union - aus den Töpfen für Wirtschaftsförderung im strukturschwachen Ruhrgebiet. Eigentlich muss bei solchen Projekten der Umweltschutz berücksichtigt werden, aber immer öfter fällt er zu Gunsten von Arbeitsplätzen und Investitionen unter den Tisch. Die Europäische Kommission in Brüssel will dafür allerdings nicht die Verantwortung übernehmen. "Es ist die Sache der Mitgliedsstaaten und der Regionen zu überprüfen, ob die Umweltauflagen bei jedem einzelnen Projekt eingehalten werden oder nicht", sagt Sprecherin Eva Kaluzynska.

Doch auch beim Wirtschaftsministerium von Nordrhein-Westfalen (NRW) in Düsseldorf winkt man ab. Der Sprecher, Joachim Neuser, versichert zwar, dass durchaus auf die Umwelt geachtet werde bei der Auswahl von Förderprojekten, aber eine detaillierte Prüfung jedes Projekts vor Ort sei nicht möglich: "Dafür ist NRW dann doch zu groß."

22 Millarden Euro für Umweltverschmutzer

Autobahn bei Nacht (FFO40-010302)
Die EU unterstützt den Autobahnausbau in TschechienBild: picture-alliance/dpa

Also geht die Umweltzerstörung weiter. In anderen Ländern der Europäischen Union fällt die Bilanz noch schlimmer aus als in NRW. In einem kürzlich veröffentlichten Bericht kritisiert die Umweltschutz-Organisation Friends of the Earth 50 Projekte, die mit EU-Geld finanziert wurden und gleichzeitig die Umwelt zerstören. Insgesamt wurden dafür 22 Milliarden Euro ausgegeben. Darunter sind zum Beispiel Müllverbrennungsanlagen in Polen und eine Autobahn in der Tschechischen Republik.

Die Möglichkeiten der Umweltschützer, an dieser Situation etwas zu ändern, sind relativ gering. Sie hoffen aber, mit mehr öffentlichem Druck auf die Politiker in Brüssel die Umweltschutz-Ziele wieder zu stärken. Immerhin haben sie Ende vergangenen Jahres erreicht, dass die EU den Bau der umstrittenen Autobahn Via Baltica, die von Prag nach Helsinki auch durch ein polnisches Naturschutz-Gebiet führen soll, vorerst gestoppt hat - für wie lange ist ungewiss.