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Umweltschutz mit Rückenwind

Gebriel Dominguez/gh15. April 2015

Immer mehr Chinesen gehen im Kampf gegen Feinstaub und Chemieparks auf die Straße, um ihrer Forderungen nach einer sauberen Umwelt Nachdruck zu verleihen. Viele Proteste werden vom Staat geduldet.

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Protest in der südchinesischen Stadt Maoming im April 2015. Auf dem Transparent steht: "Chemieprojekt raus aus Maoming! Maoming braucht ein sauberes Umfeld". (Foto: Reuters)
Protest in der südchinesischen Stadt Maoming im April 2015Bild: REUTERS

Die Menschen in der südchinesischen Stadt Luoding wollen keine neue Müllverbrennungsanlage. Sie befürchten Umweltbelastungen nach der Fertigstellung. Tausende von ihnen waren Anfang April auf die Straße gegangen. Und die Regierung lenkte ein. Das bereits genehmigte Projekt werde "wegen Forderungen aus der Öffentlichkeit" nicht umgesetzt, teilte die Stadt mit.

Luoding ist nur eines von zahlreichen Beispielen in der letzten Zeit, dass sich Menschen durch öffentliche Kundgebungen und Protestaktionen gegen Großprojekte durchsetzen konnten. Schließlich machen sich die Menschen in China zunhemend Sorgen wegen der gesundheitsschädlichen Umweltverschmutzung. Wie aus dem letzten Jahresbericht über Umweltschutz in China hervorgeht, wurden 2013 insgesamt 712 "ernste Umwelt belastende Zwischenfälle" registriert, 31 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Kohlekraftwerk China. (Foto: AFP)
Kohlekraftwerk in ChinaBild: picture-alliance/dpa

Soziale Spannungen steigen

Die Bereitschaft gegen Missstände zu protestieren steigt in der chinesischen Gesellschaft. Fast alle Großstädte leiden unter den Folgen der Umweltbelastung von Luft, Gewässern und Böden, die jetzt auf die politische Tagesordnung gerückt ist. "Zum ersten Mal ist die Gewährleistung von Luft- und Wasserqualität genau so wichtig wie das Wirtschaftswachstum", meint Shuo Li von der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Das chinesische Planungsinstitut für Umweltschutz weist in einer aktuellen Studie auf soziale Spannungen hin, die durch die Umweltverschmutzung verursacht worden sind. Während die Ansprüche der Bevölkerung auf ein sauberes Umfeld kontinuierlich steigen, greifen die Umweltschutzmaßnahmen nicht zügig genug. "Dies könnte zu sozialen Risiken führen", so die Wissenschaftler.

Nun ist die Regierung am Zug. Ministerpräsident Li Keqiang hatte im März auf dem Plenum des Volkskongresses, des chinesischen Parlaments, der Luftverschmutzung den Krieg erklärt. "Mit allen Mitteln soll die Umwelt geschützt werden", so Li.

Chinas Ministerpräsident Li Keqiang. (Foto: Reuters)
Ministerpräsident Li: Krieg "mit allen Mitteln"Bild: Reuters/J. Lee

Erste Erfolge

In den vergangenen 20 Jahren hätten die Bürger gelernt, zum richtigen Druckmittel zu greifen, so Isabel Hilton, Chinaexpertin und Gründerin der gemeinnützigen Organisation "chinadialogue". 2007 protestierten die Bürger der Millionenmetropole Xiamen gegen den Bau eines großen Chemieparks, in dem jährlich 800.000 Tonnen giftige chemische Säure produziert werden sollten. Erfolgreich. Sechs Monate später verkündete die Regierung, den Chemiepark in einer dünn besiedelten Gegend anzusiedeln.

Die Aktion hatte Präzedenzcharakter, so Hilton. "Die lokale Regierung wollte auf keinen Fall für soziale Unruhen verantwortlich sein und war verhandlungsbereit."

"Nichtregierungsorganisationen sind entstanden und die Menschen sind in vielen Bereichen aktiv geworden. Sie pflanzen Bäume und beseitigen Müll aus Flüssen - und sie erhöhen sie den Druck auf die Umweltverschmutzer in der Region", so Hilton im Gespräch mit der DW.

Dicke Luft in Peking. (Foto: Getty Images)
Dicke Luft in PekingBild: Getty Images

Kampf im Internet

Darüberhinaus werde das Internet von den Aktivisten als "Schwarzes Brett" genutzt, sagt die in den USA lebende Publizistin Rebecca Liao. Sie beschwerten sich im Netz und richteten ihre Kritik nicht nur gegen die verantwortlichen Unternehmen, sondern auch gegen Behördenvertreter, die nichts gegen Missstände tun.

Mittlerweile habe nicht nur die chinesische Öffentlichkeit ein Umweltbewusstsein entwickelt, betonen China-Experten. Auch bei den Regierenden habe sich die Einstellung zur Umwelt geändert. Man habe verstanden, dass das Thema zentral für die Lebensqualität der Menschen ist. Außerdem habe die chinesische Regierung verstanden, dass ihre Glaubwürdigkeit und Legitimität auf dem Spiel stehe, sagt Hilton. "Sie will handeln und sie möchte, dass ihr Handeln auch wahrgenommen wird. Im vergangenen Jahr wurde ein neues Umweltgesetz verabschiedet, in dem die Strafen für Umweltvergehen drastisch erhöht worden sind."

Die neuen Bewegungen der Umweltaktivisten sind effektiver geworden und haben immer öfter Erfolg - besonders in den wohlhabenden Regionen Chinas. In vielen anderen Landesteilen geht dagegen die Verschmutzung von Luft und Wasser weiter. "Meistens versuchen die Firmen, die Menschen mit kleinen Zugeständnissen zu beruhigen. Nur ganz selten erreichen die Menschen ihre Hauptziele", sagt Liao.