1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Umstrittener Berlusconi

Alexander Kudascheff, Brüssel1. Juli 2003

Italien übernimmt für sechs Monate den EU-Vorsitz. Man darf gespannt sein, wie die Ratspräsidentschaft unter Silvio Berlusconi verlaufen wird, einem Mann mit fragwürdigem Ansehen.

https://p.dw.com/p/3nfg
Ein Mann für taktische WinkelzügeBild: AP

Einen amtierenden EU-Ratspräsidenten als Angeklagten in einem - oder gar mehreren - Korruptionsverfahren: Ein solches Spektakel wird die am 1. Juli 2003 beginnende italienische EU-Ratspräsidentschaft dem Publikum auf jeden Fall nicht bieten. Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat dafür gesorgt, dass ihm während seiner Amtszeit keine Anklagen wegen diverser
Korruptionsvorwürfe drohen. Damit kann er sich also voll und ganz auf die anstehenden Aufgaben konzentrieren.

Es ist auf den ersten Blick ein ganz normaler Vorgang. Routinemäßig übernimmt Italien für die nächsten sechs Monate die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Ein halbes Jahr lang wird Italien die europäischen Geschäfte führen, die Union durch das internationale und das europäische Fahrwasser leiten. Nichts Besonderes also.

Großes Vorhaben

Und natürlich hat auch Italien - so wie alle anderen Länder - ein besonderes Thema, ein politisches Herzensanliegen: Italien möchte, dass die Beratungen über die künftige europäische Verfassung in seiner Ratspräsidentschaft abgeschlossen werden. Den Römischen Gründungsverträgen von 1957 soll die europäische Verfassung von Rom 2003 folgen. Damit möchte das Land unterstreichen, welche Rolle es im europäischen Einigungsprozess spielt. Ein Anliegen, das sympathisch ist. Ein Ziel, das erreichbar ist - wenn die abschließende Regierungskonferenz ergebnis- und kompromissorientiert arbeitet. Und darauf haben sich die Staats- und Regierungschefs ja auf ihrem Juni-Gipfel im griechischen Thessaloniki verständigt.

Ob es so kommt, wird man allerdings noch sehen. Soweit also ist an der italienischen Ratspräsidentschaft nichts Ungewöhnliches. Und trotzdem schauen viele Europäer besorgt auf die nächsten Monate. Der Grund ist der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Unternehmer mit "schwarzer Weste"

Berlusconi ist ein Medienmogul, der das gesamte Fernsehen in seinem Land kontrolliert - ein unhaltbarer Zustand in einer Demokratie. Berlusconi steht ständig vor Gericht, weil die Justiz ihn mit Klagen überhäuft - zu Recht oder zu Unrecht ist dabei inzwischen schon zweitranging. Denn das Ansehen Berlusconis ist dadurch ramponiert. Und sein Versuch, sich durch ein Immunitätsgesetz den Prozessen zu entziehen, hat - so selbstverständlich Immunität eigentlich ist - inzwischen einen schalen Beigeschmack: Berlusconi schmiedet sich die Gesetze auf den eigenen Vorteil hin - ein doch ungewöhnliches Vorgehen.

Und so rückt mit dem umstrittenen Premierminister Berlusconi auch seine Regierung wieder in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Und Berlusconis Koalition ist zumindest umstritten: Denn die Partei "Lega Nord" ist separatistisch und unverhohlen ausländerfeindlich. Die "Alleanza Nazionale" - die Nachfolgepartei der italienischen Faschisten - ist immer noch ein Hort unverbesserlicher Anhänger Benito Mussolinis, so staatsmännisch sich ihr derzeitiger Chef, Gianfranco Fini, auch gibt. Als der Rechtspopulist Jörg Haider in Österreich an die Regierung kam, wurde Österreich boykottiert. Bei der fragwürdigen italienischen Dreierkoalition ist noch nicht einmal über eine vorübergehende Suspendierung nachgedacht worden.

Kompromiss oder Chaos

Die Regierungskoaltion in Italien wird geprägt von Berlusconi: Er ist gleichermaßen populistisch wie aggressiv. Er liebt taktische Winkelzüge und überrascht mit grandiosen Ideen - beispielsweise, dass Russland in die EU aufgenommen werden solle. Er ist impulsiv und unberechenbar und auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Das ist kein gutes Zeichen für eine Ratspräsidentschaft, die auf Kompromiss und Konsens angelegt sein muss. Und deswegen ist Resteuropa besorgt, wie die nächsten sechs Monate sich entwickeln werden - nämlich normal, oder politisch chaotisch?