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Umstrittene letzte Ruhe für Attentäter

Vera Kern3. August 2016

Bayern steht vor einer schwierigen Aufgabe: Wo und wie sollen die Attentäter von Ansbach und Würzburg beerdigt werden? Der Zentralrat der Muslime sagt, ein Islam-Begräbnis ist kein Muss. Ein Präzedenzfall in Deutschland.

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Grabstein auf einem muslimischen Friedhof (Foto: picture-alliance/dpa/P.Strobel)
Bild: picture-alliance/dpa/P.Strobel

Wohin mit den Leichen von islamistischen Attentätern? Vor dieser schwierigen Frage steht nun auch Deutschland. Konkret betrifft es zwei bayerische Städte: Würzburg, wo ein 17-jähriger mutmaßlicher IS-Anhänger mit Axt und Messer Zugreisende attackierte, ehe er von der Polizei erschossen wurde. Und Ansbach, wo kurz darauf ein 27-jähriger islamistischer Selbstmordattentäter sich bei einem Musikfestival in die Luft sprengte und mehrere Menschen verletzte.

Beide Leichen wurden noch nicht von der Staatsanwaltschaft freigegeben. Wer für die Beerdigung des Axt-Attentäters überhaupt zuständig ist, sei derzeit noch völlig unklar, sagte eine Sprecherin des Landratsamts Würzburg der Deutschen Welle. Es gebe noch viele offene Fragen: Wo wird der Attentäter begraben? Auf einem muslimischen Gräberfeld oder auf einem normalen Friedhof? Anonym oder mit Namen? Und wer kommt für die Kosten der Beisetzung auf? Auch in Ansbach ist man mit diesen Überlegungen noch nicht weiter.

Islam-Begräbnis kein Muss

"Grundsätzlich sollte ein Muslim auch muslimisch beerdigt werden", sagt Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland gegenüber der Süddeutschen Zeitung (SZ). Aber aus theologischer Sicht sei ein Imam nicht verpflichtet, an einer Bestattung teilzunehmen.

Bislang wurden die islamischen Gemeinden in Bayern noch nicht gebeten, die Selbstmordattentäter zu beerdigen. Sollte es soweit kommen, wird das aber vermutlich für Streit sorgen. Mohamed Abu El Qomsan jedenfalls, Bayern-Beauftragter des Zentralrats der Muslime, vertrat gegenüber der Deutschen Presse-Agentur die Meinung: kein Begräbnis auf einem islamischen Friedhof und auch keine islamische Zeremonie für die Attentäter.

Amoklauf und Anschläge in Deutschland

In Frankreich kennt man sich mit der heiklen Frage, wie Dschihadisten beerdigt werden sollen, bereits aus. So weigerten sich gerade sämtliche islamische Gemeinden im Land, die beiden Kirchen-Attentäter religiös zu bestatten, die vor gut einer Woche im Norden des Landes einen katholischen Priester töteten. Auch nach den Pariser Anschlägen vom November 2015 diskutierte Frankreich heftig darüber, welche Gemeinde die Terroristen bei sich beerdigen muss. Einer der Bataclan-Attentäter wurde schließlich anonym in seinem Heimatort beigesetzt. Auch die beiden Brüder, die Anfang 2015 zwölf Mitarbeiter des Satire-Magazins "Charlie Hebdo" töteten, wurden jeweils ohne Namen und ohne Zeremonie bestattet.

Anonym bestattete Amokläufer

Die schwierige Frage, wie Menschen, die anderen unfassbares Leid zugefügt haben, beerdigt werden, stellt sich in Deutschland aktuell nicht nur bei den beiden islamistischen Attentätern von Würzburg und Ansbach.

Auch der 18-jährige Amokläufer von München, David S., muss nun beigesetzt werden. Er tötete Mitte Juli an einem Einkaufszentrum neun Menschen und erschoss sich anschließend selbst.

Anonymes Grab mit einer Nummer (Foto: picture-alliance/dpa/F. Zahn)
Die meisten Amokläufer werden ohne eigenen Grabstein bestattetBild: picture-alliance/dpa/F. Zahn

Psychologen sagen: Auch für trauernde Angehörige von Amoktätern ist es wichtig, würdevoll Abschied nehmen zu können. Es ist eine Gratwanderung. Aus Angst vor Grabschändern tragen die meisten Gräber keine Namen. So wurde der Amokläufer Robert S., der 2002 an seiner Schule in Erfurt 16 Menschen und anschließend sich selbst erschoss, an einem unbekannten Ort beerdigt. Auch Grab-Lage des 17-jährigen Tim K., der 2009 im baden-württembergischen Winnenden 15 Schüler und Lehrer und sich selbst tötete, bleibt geheim. Medienberichten zufolge soll es auf einem abgelegenen Waldfriedhof liegen.

Keine Pilgerstätte für Fanatiker

Zur Angst vor möglichen Grabschändern gesellt sich eine weitere Sorge: mit dem Grab eines Amoktäters oder Terroristen einen Wallfahrtsort für andere Fanatiker zu schaffen. Eine Art Kultstätte für potenzielle Nachahmer, die dort ihrem Vorbild huldigen könnten.

So war es etwa sehr umstritten, wo die beiden Rechtsterroristen der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, beerdigt werden sollen. Böhnhardt soll inzwischen auf einem Friedhof in Jena in einem Gemeinschaftsgrab beerdigt worden sein - anonym, damit dort keine Verehrungsstätte für andere NSU-Anhänger entsteht.

Das Grab des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess (Foto: picture-alliance/dpa/M.Führer)
Neonazis legten am Grab von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß regelmäßig Kränze niederBild: picture-alliance/dpa/M.Führer

Denn die Stadt Jena befürchtete, dass es ihr ähnlich ergehen könnte wie dem oberfränkischen Wunsiedel. Dort pilgerten jahrelang Neonazis auf den Friedhof, auf dem Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß begraben war. Sein Grab wurde zum Wallfahrtsort für Neonazis. Inzwischen wurde es aufgelöst.

Auch die Würde eines Attentäters ist unantastbar

Aiman Mazyek, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, kann verstehen, dass Gemeinden es ablehnen, islamistische Attentäter bei sich im Ort zu begraben. Er erinnert in der SZ jedoch auch daran: "Die Würde des Menschen ist unantastbar, egal was sie gemacht haben. Ein Mensch hat ein Recht auf ein Begräbnis."

Auch die Attentäter von Würzburg, Ansbach und München werden ihre letzte Ruhestätte bekommen - so unerträglich dieser Gedanke für so manchen der Angehörigen ihrer Opfer erscheinen mag.