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Umschlagplatz für Europas Gas

18. April 2009

Baumgarten ist ein kleiner Ort in Österreich, der für ganz Europa von großer Bedeutung ist. Hier wird Gas, das aus Sibirien kommt, gemessen, getrocknet, komprimiert und in andere EU-Staaten weitergeleitet.

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Rohrleitungen einer Schnellschlussarmatur in Baumgarten (Foto: OMV)
Hier wird Europas Gas gemessen und verteiltBild: OMV

Das Gas aus Westsibirien strömt gleichmäßig und gut hörbar durch die Leitungen der Verteilerstation Baumgarten. Das Firmenareal ist so groß wie 24 Fußballfelder. Mit seinen Kondensatoren, Transistoren und Widerständen ähnelt es einer überdimensionierten elektronischen Platine. Weiß lackierte Rohre sprießen aus dem Boden und führen in Bögen zurück ins Erdreich. Andere Rohrleitungen enden mit Absperrventilen in der Luft.

Stündlich kommen hier 2,5 bis 4,5 Millionen Kubikmeter Erdgas aus Russland an. Fünf Tage lang ist das Gas unterwegs, bevor es von hier aus in andere europäische Länder verteilt wird.

Von Österreich nach ganz Europa

Gas Filterseparator Baumgarten
In Baumgarten wird Gas aus Sibirien gemessen und in andere EU-Staaten weitergeleitetBild: OMV

Überwacht wird Baumgarten vom 40 Kilometer entfernten Wien aus. Im so genannten Floridotower ist der Sitz von "OMV Gas & Power". Das Unternehmen kümmert sich um das Leitungsnetz und die Verteilerstation Baumgarten. "Das Besondere dabei ist, dass es sich nicht nur um eine Übergabe-Station handelt, bei der das Gas von einem Transportsystem zu einem anderen überführt wird. Es ist gleichzeitig ein Verkaufspunkt", erklärt Geschäftsführer Harald Stindl. In Baumgarten werde russisches Gas empfangen und gemessen und aufgrund dieser Messungen würden die Rechnungen ausgestellt, sagt er weiter.

Das Gas kann in drei große Pipelines eingespeist werden: Ein Teil geht über die Trans-Austria-Gasleitung in Richtung Italien und Slowenien, ein anderer Teil über die West-Austria-Leitung nach Deutschland und Frankreich und der Rest geht nach Ungarn. Früher seien die Russen noch regelmäßig nach Baumgarten gekommen und hätten die Zähler persönlich abgelesen, erzählt Harald Stindl. "Heute werden die Monatsprotokolle, die Dokumentation der verkauften Mengen, im Floridotower unterzeichnet."

Fernkontrolle

Auch die Kontroll-Abteilungen sind inzwischen in Wien. Bei Problemen mit den Gaslieferungen erhalten zwei Männer im elften Stock des Towers eine Warnmeldung auf ihren Bildschirmen. "Die gesamte Leitung wird vom Druck her kontrolliert", erklärt Geschäftsführer Stindl die Abläufe. "Der Dispatcher hier merkt sofort, wenn es an irgendeiner Stelle der Leitung einen Druckabfall gibt. Dann wird diese Leitung sofort an der nächstmöglichen Stelle abgeriegelt und wir schauen, was nicht in Ordnung ist."

Das war am 5. Dezember 2008 der Fall. Als der Gasdruck an der ukrainisch-slowakischen Grenze abfiel, saß Harald Stindl im Burgtheater in Wien. Die russische "Gazprom" hatte den Gashahn zugedreht. Österreich musste auf Reserven in den eigenen Erdgasspeichern zurückgreifen. Das habe es in der 40-jährigen Zusammenarbeit mit Russland noch nie gegeben, sagt Stindl.

Virtuelle Marktplätze

Während sich die Russen nicht scheuen, ihre europäischen Partner zu brüskieren, treiben sie gleichzeitig weitere gemeinsame Geschäfte voran. "Gazprom" will sich noch 2009 in die virtuelle Handelsplattform von Baumgarten einkaufen: Über den Marktplatz im Internet mit dem Namen "Central European Gas Hub" wird Gas europaweit gehandelt. Diese Plattform gehört zu den drei größten in Kontinentaleuropa. Die Zeiten, als sich die Russen noch mit dem Ablesen der Zähler begnügten, sind vorbei. Heute wollen sie die Rahmenbedingungen des Geschäfts mit abstecken.

Autor: Alexander Musik

Redaktion: Julia Kuckelkorn