1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

F-16 oder MiG-29: Was können Kampfjets?

Lukas Stock
19. August 2023

Kampfjets wie F-16 oder MiG-29 können Kriege verändern. Wie die Jets funktionieren, warum sie heute noch wichtig sind und wie es sich anfühlt, einen zu fliegen.

https://p.dw.com/p/4NBgK
Über F-16, wie diese der U.S. Air Force wird diskutiert: An die Ukraine liefern, oder nicht?
Bild: Sgt. Joseph Swafford/abaca/picture alliance

In der Kurve presst es dich mit dem Vielfachen der Erdanziehung in den Sitz. Nur höchste körperliche Fitness und eine spezielle Hose, die dir das Blut aus den Beinen drückt, halten dich bei Bewusstsein. Du fliegst selten unter 900 km/h. 

"Die Beschleunigung ist atemberaubend." So beschreibt der ehemalige Pilot der deutschen Luftwaffe, Joachim Vergin, das Gefühl, einen Kampfjet zu fliegen. 

Man könne es vielleicht mit Achterbahnfahren vergleichen, aber doch nicht wirklich: Die Kräfte in einem Jet sind oft doppelt so stark. Dazu muss man im Gefecht noch eine Vielzahl an Waffensystemen bedienen. Kämpfen, ausweichen, verteidigen. Im Ernstfall geht es um Leben und Tod, oft bei Schallgeschwindigkeit.

Triebwerk unter Hochdruck

Das erste Mal wurden Kampfjets Ende des letzten großen Krieges in Europa eingesetzt: dem Zweiten Weltkrieg. Mit ihrem Strahltriebwerk fliegen Jets viel schneller als Propellerflugzeuge, die bis dahin genutzt wurden.

Ein Strahltriebwerk funktioniert so: Vorne wird Luft in das Triebwerk eingesaugt und zusammengedrückt. Dann wird Kraftstoff in die nun hoch verdichtete Luft eingesprüht und entzündet. Dadurch drückt sich die Luft "extrem stark" aus dem Triebwerk heraus, wie Dr. Robert Kluge, Luftfahrtexperte vom Deutschen Museum erklärt. 

Da diese Luft dabei beschleunigt wird, entsteht nach den Gesetzen der Physik ein Schub, der das Flugzeug nach vorne bewegt.  

Jet-Angriff aus der Luft

Kampfjets können sowohl Ziele in der Luft als auch am Boden angreifen. Im Luftkampf kann ein Jet mit Luft-Luft-Raketen ein ebenfalls fliegendes Ziel zerstören. Ziele am Boden kann ein Jet mit Luft-Boden Raketen an greifen oder einfache Freifallbomben abwerfen, die quasi "nach den Gesetzen der Physik" auf den Boden fallen, so Leonhard Houben, Historiker und freier Mitarbeiter am Militärhistorischen Museum Berlin-Gatow.

MiG-Jets im Training
Ukraine MiG im Training: Der sowjetische Jet wurde über 1600 Mal gebaut.Bild: Roman Pilipey/dpa/picture alliance

Technik der Kompromisse

Beim Bau von Kampfjets muss abgewogen werden: Soll ein Jet eher andere Flugzeuge in der Luft bekämpfen? Und sind diese Flugzeuge andere Kampfjets, die sich wehren können? Oder soll der Jet nur effektiv Bodenziele bekämpfen können?

Solche strategischen Überlegungen spiegeln sich dann in der Technik eines Kampfjets wider: Für den Luftkampf wird das Flugzeug eher leicht und wendig gebaut, für eine hohe Reichweite wird es mit großen Treibstofftanks ausgestattet.

Die MiG-29 beispielsweise wurde für einen ganz bestimmten Zweck in die Luft geschickt: Die Grenzen der Länder des Warschauer Pakts gegen NATO-Flugzeuge zu schützen.

So kann dieser 1983 in Dienst gestellte sogenannte Abfangjäger sehr schnell abheben und an sein Ziel kommen. Aufgrund ihrer Bauweise ist die MiG-29 im Luftkampf extrem wendig: Sie kann sogar kurzzeitig auf ihrem eigenen Strahl vertikal in der Luft stehen. Allerdings trug der Jet anfangs nur wenig Treibstoff mit sich, um Gewicht zu sparen, weshalb er eine geringe Reichweite hatte.

F-16: Multitalent vom Fließband

Moderne Kampfjets kombinieren zumeist eine Vielzahl an Fähigkeiten. Laut Houben ist es ökonomischer, sogenannte Mehrzweckkampfflugzeuge zu bauen, weil sie in nur einer Produktionsreihe in großer Stückzahl gefertigt werden können.

Die F-16 ist ein solches massengefertigtes Multitalent. Sie wurde in den 1970er Jahren in den USA für den Verkauf an Partnernationen als kostengünstiger Allzweck-Jet entwickelt. Die F-16 ist der Kampfjet mit der größten weltweiten Stückzahl, der immer noch im Dienst ist. Der Jet wird nach wie vor in den USA produziert und stetig verbessert.

Houben sagt, dass "F-16, die vor 20 Jahren gebaut wurden, russischen Jets ebenbürtig sind, die vielleicht vor drei bis fünf Jahren gebaut wurden". Das liege unter anderem daran, dass in Russland in den 1990er Jahren die Entwicklung von Kampfjet-Technik verschleppt wurde und viele Talente daraufhin abgewandert sind.  

Mehr Waffensystem als Waffe

Neben der Technik eines Jets ist seine Bewaffnung wesentlich. Ohne diese sei ein Jet "nur eine Hülle, wie ein Feuerwehrauto ohne Drehleiter", so Robert Kluge vom Deutschen Museum. Auf die Ausstattung mit modernen Waffensystemen komme es an.

Dann können Jets entscheidend dazu beitragen, den eigenen Luftraum zu sichern. Denn anders als Luftabwehrraketen, wie sie von bodengestützten Flugabwehrsystemen abgefeuert werden, sind Jets hochmobil und können so eine große Fläche sichern und mit modernen Luft-Luft-Raketen auch Marschflugkörper in der Luft abschießen.

Patriot-System auf Asphalt
Anders als Luftabwehrsysteme, wie Patriot, sind Kampfjets hoch mobil, und können einen großen Luftraum sichern.Bild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Luftkämpfe wie in Hollywoodfilmen zwischen Jets verfeindeter Nationen sind laut Leonhard Houben aber unwahrscheinlich. Kampfjets würden sich heutzutage meist mit Raketen außerhalb ihrer Sichtweite bekämpfen. 

Ähnlich wie bei Kampfpanzern gilt häufig: Wer zuerst feuert und trifft, gewinnt. Moderne Luft-Luft Raketen, einmal abgeschossen, schleichen sich quasi an ihr Ziel heran und aktivieren erst kurz vor dem Einschlag ihr auffälliges Radar. Dann ist es oft zu spät, um auszuweichen. Mit wilden Manövern, Maschinengewehrfeuer und Hollywood hat das meist wenig zu tun.

Piloten-Ausbildung dauert Jahre

Trotzdem muss ein Kampfjetpilot auch Nahkampf können, falls doch einmal alle Raketen verschossen sind. Da gilt es, Multitasking unter extremen Bedingungen zu beherrschen. Aus diesem Grund sind Piloten auch nicht von heute auf morgen ausgebildet: für den deutschen Eurofighter dauert die Lehrzeit fünf bis sechs Jahre und kostet fünf Millionen Euro - pro Pilot. Dabei lernt jeder Pilot oft nur einen Typ Kampfjet zu fliegen - auf einen anderen Jet umzuschulen ist aufwendig. Als Vergin vom Kampfjet Phantom auf den Tornado umstieg, dauerte die Schulung sieben Monate.

Bei seinem ersten eigenen Flug mit einem Jet sei ein Triebwerk ausgefallen, erzählt der ehemalige Pilot Joachim Vergin. Obwohl er Angst hatte, wusste er aufgrund von "Drill und Übung" genau was zu tun ist, blieb ruhig und landete das Flugzeug sicher.

Jet als Mythos

Kampfjets sind im Krieg allerdings mehr als die Summe ihrer technischen Fähigkeiten. So umschreibt Robert Kluge das Flugzeug als "Mythos", weil es sich anders als Menschen auch in der dritten Dimension bewegen kann.

Ein Kampfjet kann auch als Symbol gesehen werden, das die Moral der eigenen Truppe stärken kann. Und als wichtige Schachfigur in der Strategie eines Krieges: Allein sie zu besitzen, kann genügen, um Feinde zum Umdenken zu bewegen.

Dieser Artikel wurde am 23.02.2023 erstmalig publiziert und am 18.8.2023 aktualisiert.