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Ukraine: Kommunalwahl mit Hindernissen

25. Oktober 2015

Die Kommunalwahlen in der krisengeschüttelten Ukraine gelten als wichtiger Stimmungstest für Präsident Poroschenko. Sie begannen allerdings mit einem Rückschlag für die prowestliche Führung des Landes.

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Geschafft: Eine Frau verlässt in Kiew eine Wahlkabine (Foto: Reuters)
Geschafft: Eine Frau verlässt in Kiew eine WahlkabineBild: Reuters/V. Ogirenko

Der Konflikt mit den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine überschattet die Kommunal- und Bürgermeisterwahlen. In der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol, der letzten größeren Stadt in der Konfliktregion unter Kontrolle der ukrainischen Armee, wurde die Wahl kurzfristig abgesagt. Als Grund wurden fehlende Wahlscheine angegeben. Die Wahl müsse deshalb verschoben werden, teilte die städtische Wahlkommission mit. Die prorussischen Rebellen hatten wiederholt versucht, Mariupol zu erobern.

Das Innenministerium in Kiew teilte mit, mehr als 230 Wahllokale in den von Regierungstruppen kontrollierten Gebieten in der Ostukraine hätten nicht wie geplant um 8.00 Uhr (Ortszeit) geöffnet, davon rund 200 in Mariupol. Auch in Krasnoarmiisk mit 65.000 Einwohnern blieben die Wahllokale geschlossen. Zudem gab es Berichten zufolge vereinzelte Probleme in anderen Städten.

Aktivisten in Mariupol blockieren am 19. Oktober den Druck von Wahlzetteln, weil sie befürchten, dass zu viele Zettel gedruckt würden, um Fälschungen zu erleichtern (Foto: dpa)
Aktivisten in Mariupol blockieren am 19. Oktober den Druck von WahlzettelnBild: picture-alliance/dpa/I. Gorbasyova

Präsident Petro Poroschenko kritisierte Absage in Mariupol als katastrophal. Er forderte eine Untersuchung und wies das Parlament an, rasch einen neuen Wahltermin festzulegen. "Dass dort nach meinen Informationen Fälschungen vorbereitet worden sein sollen, können wir nicht zulassen", sagte der Staatschef bei der Stimmabgabe in Kiew.

Die rund 30 Millionen wahlberechtigten Ukrainer bestimmen die Bürgermeister und Ortsvorsteher, dazu alle Parlamente von den Verwaltungsgebieten (Oblast) bis zu Städten und Gemeinden. Nicht gewählt wird auf der von Russland annektierten Krim und in den Separatistengebieten im Osten.

Wen Ministerpräsident Arseni Jazenjuk wohl wählt? (Foto: Reuters)
Wen Ministerpräsident Arseni Jazenjuk wohl wählt?Bild: Reuters/A. Kravchenko

Für den prowestlichen Präsidenten Poroschenko ist die Abstimmung eine Testwahl. Denn angesichts des Konflikts im Osten des Landes sind seine Zustimmungswerte stark eingebrochen. Nach jüngsten Umfragen lehnen 71 Prozent der Ukrainer seine Amtsführung ab, nachdem Poroschenko im Mai 2014 noch im ersten Durchgang mit 54,7 Prozent der Stimmen gewählt worden war.

Schrumpfende Wirtschaft

Viele Ukrainer leiden unter steigenden Lebenshaltungskosten und Steuern, die Wirtschaft schrumpft. Im ersten Halbjahr 2015 sank das Bruttoinlandsprodukt nach Zahlen des Wirtschaftsministeriums um 16,3 Prozent. Die Währung Griwna hat in diesem Jahr zum US-Dollar schon 35 Prozent ihres Wertes verloren. Zwar einigte sich das hochverschuldete Kiew im August mit westlichen Banken auf einen Schuldenschnitt, auch die Gaslieferverträge mit Moskau sind für diesen Winter unter Dach und Fach. Doch im Dezember muss die Ukraine drei Milliarden US-Dollar (2,6 Milliarden Euro) Staatsschulden bei Russland begleichen.

Präsident Petro Poroschenko (Foto: Reuters)
Präsident Petro PoroschenkoBild: Reuters/Presidential Press Service

Hinzu kommt die unsichere Lage in der Ostukraine. Vorsorglich hatten die ukrainischen Behörden bereits beschlossen, in 122 von der ukrainischen Armee kontrollierten Kommunen an der Frontlinie keine Wahlen abzuhalten. In dem Gebiet wird seit September ein Waffenstillstand weitgehend eingehalten.

Angst vor der prorussischen Opposition

Die landesweit meisten Bewerber stellen die Präsidentenpartei Petro-Poroschenko-Block und die Vaterlandspartei (Batkiwschtschina) der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko. Sie liegen in Umfragen vorn. Auf ein starkes Abschneiden kann auch die Partei Oppositionsblock hoffen. In ihr haben sich die Anhänger des 2014 gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch und seiner Partei der Regionen gesammelt, eher prorussisch gesonnene Gegner der Regierung.

Zwar wird die Ukraine zentral regiert, doch die regionalen Unterschiede in Europas zweitgrößtem Flächenstaat bleiben groß. So ist es nicht egal, für welche Führung sich die eher russisch geprägten Millionenstädte Dnipropetrowsk in der Mitte, Charkiw im Osten oder Odessa im Süden und Südosten des Landes entscheiden. Für die Regierung ist das größte Risiko dieser Wahl ein Erstarken der prorussischen Opposition in diesen Kommunen.

Eine Wahlveranstaltung der "Ukrop"-Partei in Kiew (Foto: dpa)
Eine Wahlveranstaltung der "Ukrop"-Partei in KiewBild: picture-alliance/dpa/S. Dolzhenko

So tritt in der Hafenstadt Odessa der bisherige Bürgermeister, der die prorussischen Proteste unterstützt hatte, gegen einen Poroschenko-Kandidaten an, der ein Deutscher ukrainischer Herkunft ist: Sascha Borowik, der ein Harvard-Diplom hat und der Jurist bei dem Computerunternehmen Microsoft war, erhielt erst kürzlich die ukrainische Staatsbürgerschaft.

In Charkiw versuchte die Wahlkommission, den Oppositionsblock nicht zur Wahl zuzulassen und - als das nicht ging - deren Spitzenkandidaten Michail Dobkin zu verhindern. In Dnipropetrowsk liegt Alexander Wilkul als Kandidat des Blocks im Rennen um das Bürgermeisteramt vorn. Dabei hat die Industriestadt am Dnipro viel dazu beigetragen, dass der prorussische Aufstand 2014 auf Donezk und Luhansk begrenzt blieb und nicht den ganzen Südosten der Ukraine erfasste.

Die Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer ist berüchtigt für ihren Klüngel aus Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen. Dort hat der von Poroschenko berufene Gouverneur, Georgiens Ex-Präsident Michail Saakaschwili, erstmals Wahlen ohne Fälschungen versprochen. In Kiew hofft der ehemalige Boxweltmeister Vitali Klitschko auf eine zweite Amtszeit als Stadtoberhaupt.

Prorussische Separatisten bei einer Versammlung in Donezk (Foto: RIA Novosti)
Prorussische Separatisten bei einer Versammlung in DonezkBild: picture-alliance/dpa/RIA Novosti/M. Blinov

Insgesamt bewerben sich 142 Parteien und mehr als 210.000 Kandidaten um lokale Mandate. Auf den Listen mussten erstmals 30 Prozent der Plätze an Frauen vergeben werden.

Eigene Wahlen in Separatistengebieten

Die Wahllokale schließen um 19.00 Uhr. Erste belastbare Ergebnisse werden aufgrund eines komplizierten Auszählungsverfahrens erst am Montag erwartet. Etwa 1500 Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des Europaparlaments, des Europarats und anderer Organisationen überwachen die Abstimmung.

Die prorussischen Rebellenhochburgen Donezk und Luhansk planten eigene Wahlen, die aber gegen die Minsker Vereinbarungen zur Beilegung des Konflikts verstoßen hätten. Auf internationalen Druck wurden sie auf das Frühjahr 2016 verschoben.

stu/wl (afp, dpa)