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Bürgerjournalisten entlarven Propaganda

Jan Bruck7. Mai 2014

Die ukrainische Bloggerin und Aktivistin Oksana Romaniuk hat auf der re:publica 2014 ihre Landsleute dazu aufgerufen, die Konflikt-Berichterstattung selbst in die Hand zu nehmen. Und appelliert an ausländische Medien.

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Bloggerin und Medienexpertin Oksana Romaniuk aus der Ukraine (Bild: DW)
Oksana RomaniukBild: DW

Die Informationslage in der Ukraine ist von Tag zu Tag schwieriger zu überblicken - das Land steht an der Schwelle zum Bürgerkrieg. Beide Seiten versuchen, die Berichterstattung über die Krise zu beeinflussen. Neben den Auseinandersetzungen zwischen pro-russischen Separatisten in der Ostukraine und der ukrainischen Übergangsregierung in Kiew tobt auch eine Schlacht um die Deutungshoheit im Konflikt. Die Übergangsregierung in Kiew vermutet den Einsatz getarnter russischer Soldaten in der Ostukraine, Russland bezeichnet die neue ukrainische Führung als "Faschisten" und illegitime "Putsch-Regierung".

Gefährdete Pressefreiheit

"Die russischen Medien stellen den Konflikt fundamental anders dar, als die Medien in der Ukraine", sagt die ukrainische Aktivistin bei einer DW-Diskussionsrunde im Rahmen der Internetkonferenz re:publica in Berlin. Die massive Propaganda aus Russland gefährde die Pressefreiheit in ihrem Land. Sie ist davon überzeugt, dass der russische Präsident Putin viel Geld in fingierte Artikel und sogar Kommentare in sozialen Netzwerken investiere. Ihre russische Gesprächspartnerin Alena Popova, selbst Aktivistin und Bloggerin, widerspricht Romaniuk. "Keiner weiß genau, wer hinter diesen Meinungsäußerungen steckt. Es ist schwer zu sagen, ob sich dahinter nicht einzelne Extremisten verbergen oder tatsächlich eine koordinierte staatliche Aktion." Sie betont, dass es einen Unterschied zwischen der russischen Regierung und der russischen Bevölkerung gebe. "Wir haben eine starke Zivilgesellschaft, die zu den Ukrainern steht und sie nicht als Feinde betrachtet. Es sind die Politiker, die versuchen, die Unterschiede für ihre Zwecke zu instrumentalisieren."

Soziale Medien gewinnen an Bedeutung

Unbestritten ist aber, dass zahlreiche russische Sender, wie beispielsweise das staatlich finanzierte "Russia Today", gezielt Stimmung gegen die neue Regierung in Kiew machen und die Atmosphäre aufheizen. Der überwiegende Teil der Bevölkerung in der Ostukraine informiert sich über eben diese russischsprachigen Sender. In diesem Umfeld wachse die Bedeutung von sozialen Medien, sagt Romaniuk. "Soziale Medien haben bereits bei der Organisation der ukrainischen Revolution auf dem Maidan eine wichtige Rolle gespielt. Jetzt nutzen die Bürger sie, um sich gegenseitig zu informieren." Die Facebook-Commnity EuroMaydan ist so ein Forum. Sie wurde im November 2013 zu Beginn der Proteste in Kiew gegründet und ist bis heute ein zentrales Instrument zum Austausch und zur Organisation der Maidan-Bewegung.

DW-Redakteurin Kristin Zeier (l.) und Bloggerin und Medienexpertin Oksana Romaniuk (r.) aus der Ukraine (Bild: Angelika Crössmann)
DW-Redakteurin Kristin Zeier (l.) und Oksana Romaniuk (r.)Bild: DW/A. Crössmann

"Streamer" widerlegen Propaganda

Eine zweite vertrauenswürdige Quelle für Ukrainer seien lokale Medien, sagt Romaniuk. Sie sprächen die Sprache der Leute, seien nah an den Geschehnissen und könnten Gerüchte schnell widerlegen.

Ein völlig neues Phänomen in der Ukraine sind sogenannte "Streamer". Es sind meist junge Bürgerjournalisten, die mit Handy-Kameras oder anderem einfachem Equipment beispielsweise Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten auf dem Maidan filmten. Die Aufnahmen stellen sie live auf ihren Webseiten zur Verfügung. "Die Streamer riskieren ihr Leben, um ihren Zuschauern die wahren Begebenheiten zu zeigen und Falschberichte zu entlarven", sagt Romaniuk.

Appell an ausländische Medien

Auch die russische Aktivistin und Bloggerin Popova betont die Bedeutung der ukrainischen Streamer: "Die Menschen sollten sich in dieser Situation von staatlich finanzierten Medien abwenden und versuchen, Bürgerjournalisten zu finden, denen sie trauen". Beide Bloggerinnen appellieren an ausländische Medien, verantwortungsvoll über den Konflikt zu berichten und Licht ins Propagandadunkel zu bringen.

Alena Popova auf der re:publica 2014 in Berlin (Bild: DW/S. Wünsch)
Alena PopovaBild: DW/S. Wünsch

"Für Ukrainer ist die Berichterstattung von außerhalb sehr wichtig, denn von ausländischen Journalisten wird Unabhängigkeit erwartet", sagt Romaniuk. Sie ruft ausländische Reporter dazu auf, trotz der gefährlichen Lage in die Ukraine zu kommen und sich selbst ein Bild zu machen. Nach der DW-Diskussionsrunde auf der re:publica bleibt bei beiden Bloggerinnen die starke Skepsis gegenüber privaten und öffentlichen Massenmedien und die Hoffnung auf die Kraft sozialer und lokaler Medien in ihren Ländern.

Romaniuk und Popova sind Mitglieder der internationalen Bobs-Jury, die die Gewinner der zehnten DW-Awards für Online-Aktivismus ermittelt hat. Die Bobs-Gewinner 2014 wurden am Mittwoch (07.05.2014) im Rahmen der Internetkonferenz re:publica bekannt gegeben.