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Konflikte

Aktuell: Beschuss trotz russischer Truppenverlegungen

30. März 2022

Die Kämpfe im Osten der Ukraine werden intensiver, aber auch rund um Kiew ist es nicht still - trotz russischer Ankündigungen eines Abzugs. Die USA sichern der Ukraine weitere finanzielle Hilfe zu. Ein Überblick.

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Russland - Ukraine Konflikt
Trümmerwüste in der Ortschaft Yasnohorodka am Standrand von KiewBild: Vadim Ghirda/AP/picture alliance

Kein Aufatmen nach russischen Versprechungen

Das Wichtigste in Kürze:

  • USA sagen Ukraine weitere 500 Millionen Dollar zu
  • Pentagon warnt vor neuer russischer Militäroffensive
  • Europäer liefern weitere Waffen
  • UNHCR: Mehr als vier Millionen Flüchtlinge
  • Widersprüchliche Signale nach Verhandlungen in Istanbul

Die US-Regierung will der Ukraine weitere finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe zukommen lassen. US-Präsident Joe Biden habe seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj in einem Telefonat 500 Millionen US-Dollar (rund 448 Millionen Euro) an direkter Haushaltshilfe zugesagt, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Selenskyi twitterte, er habe mit Präsident Biden während eines einstündigen Telefonats Fragen zur Unterstützung der ukrainischen Verteidigung erörtert. Es sei auch über neue Sanktionen sowie über finanzielle und humanitäre Hilfe für die Ukraine gesprochen worden.

USA sehen "Neupositionierung" statt "Rückzug" russischer Truppen

Pentagon-Sprecher John Kirby sagte in Washington, bislang scheine sich nur eine "sehr kleine Zahl" russischer Soldaten von der Hauptstadt Kiew zu entfernen. Es sei möglich, dass die Soldaten dort nur abgezogen würden, um in einem anderen Teil der Ukraine, etwa der umkämpften östlichen Donbass-Region, eingesetzt zu werden. "Wir glauben, dass es sich um eine Repositionierung handelt, nicht um einen Abzug, und dass wir alle vorbereitet sein sollten, eine größere Offensive gegen andere Teile der Ukraine zu erwarten", sagte Kirby.

Die russischen Streitkräfte seien mit ihrem Versuch, Kiew einzunehmen, "gescheitert" und befänden sich angesichts der Gegenangriffe der Ukrainer in defensiven Positionen. Russland könne Kiew aber weiter aus der Ferne mit Raketen beschießen, warnte Kirby. "Die Bedrohung für Kiew ist nicht vorbei", betonte der Sprecher.

US-Militär schickt 3000 zusätzliche Soldaten zum Flughafen Kabul
Pentagon-Sprecher John Kirby gibt sich skeptisch angesichts der russischen AnkündigungBild: Andrew Harnik/AP/dpa/picture alliance

Westen liefert Ukraine weitere Waffen

Die Bundesregierung bereitet nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" umfangreiche weitere Waffenlieferungen an die Ukraine vor. Dazu liege der Regierung eine Liste mit Rüstungsgütern im Wert von etwa 300 Millionen Euro vor, die aus deutscher Industrieproduktion kurzfristig an die Ukraine abgegeben werden könnten, berichtet das Blatt in seiner Ausgabe vom Donnerstag. Die Liste umfasse etwa 200 Produkte. Darunter befinden sich dem Bericht zufolge 2650 Panzerfäuste vom Typ Matador und 18 Aufklärungsdrohnen. Zudem stünden Mörser, Maschinenkanonen, 3000 Nachtsichtgeräte-Sätze, tausende Schutzwesten und Helme auf der Liste. Das Verteidigungsministerium habe ausdrücklich darauf hingewiesen, es handele es sich nicht um Waffen und Ausrüstung aus Beständen der Bundeswehr, sondern um Güter, die die Industrie sofort oder ohne großen Vorlauf liefern könne.

Auch Norwegen unterstützt die Ukraine mit weiterem militärischem Gerät und stellte rund 2000 Panzerabwehrhandwaffen vom Typ M72 zur Verfügung.

Aus der Ukraine werden weitere Angriffe gemeldet

Trotz russischer Ankündigungen über Truppenverlegungen werden aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew sowie der nördlichen Stadt Tschernihiw weitere Angriffe gemeldet. Der Gouverneur der Region Tschernihiw, Wiacheslaw Chaus sagte, er könne keine Verminderung der russischen Attacken feststellen. "Glauben wir daran? Natürlich nicht", schrieb Chaus bei Telegram. Laut Kiews Vizebürgermeister Mykola Poworosnyk stand zwar nicht die Hauptstadt selbst, jedoch ihre Umgebung unter Artilleriebeschuss.

Zugleich bestätigte die ukrainische Seite die Verlegung russischer Truppen vom Norden in die Ostukraine. Dort sollten ukrainische Verbände eingekesselt werden, sagte Olexij Arestowytsch, ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, im Fernsehen. Einige russische Soldaten blieben jedoch im Raum Kiew, um Truppenbewegungen der Ukraine gen Osten zu verhindern.

Ukraine-Krieg | Trümmer eines Lagers mit mehr als 50.000 Tonnen Tiefkühlkost in der Stadt Browary
In Browary nördlich von Kiew wurde ein Lager mit mehr als 50.000 Tonnen tiefgekühlter Lebensmittel zerstörtBild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Aus der ostukrainischen Region Donezk werden weiträumige Angriffe entlang der gesamten Demarkationslinie gemeldet. Die Lage könne sich nun noch verschärfen, sagte der dortige Gouverneur Pawlo Kyrylenko im ukrainischen Fernsehen.

Die russische Armee gab unterdessen an, im Dorf Kamyanka bei Donezk zwei ukrainische Waffendepots zerstört zu haben. Außerdem seien ukrainische Spezialkräfte bei Mykolajiw attackiert und weiteres ukrainisches Gerät zerstört worden, darunter Flugabwehrgeschosse. Die Berichte aus dem Kriegsgebiet können nicht unabhängig bestätigt werden.

Vier Millionen aus Ukraine geflüchtet

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR hat die Zahl der aus der Ukraine Geflüchteten die Schwelle von vier Millionen überstiegen. 4.019.287 Menschen hätten bis dato Schutz im benachbarten Ausland gesucht. Zusätzlich wird geschätzt, dass mehr als 6,5 Millionen Binnenvertriebene innerhalb der Ukraine auf der Flucht sind.

Mit mehr als 2,3 Millionen hat Polen die meisten von ihnen aufgenommen. In Deutschland sind bislang mehr als 280.000 Personen registriert worden. Nach Angaben der Kultusministerkonferenz können mindestens 20.000 von ihnen deutsche Schulen besuchen.

Online-Unterricht für ukrainische Kinder

Zugleich wird weiter über Verschleppungen aus der Ostukraine nach Russland berichtet. Aus Mariupol wurden nach Angaben der Stadtverwaltung mehr als 20.000 Menschen gegen ihren Willen "in weit entfernte russische Städte gebracht". Zuvor seien ihnen die Papiere abgenommen worden. Darunter seien auch dutzende Patientinnen und Beschäftigte einer Entbindungsstation: "Mehr als 70 Personen, darunter Frauen und medizinisches Personal, wurden von den Besatzern der Entbindungsstation Nr. 2 gewaltsam abtransportiert", erklärte die Mariupoler Stadtverwaltung auf Telegram.

Signale der Annäherung aus Istanbul - oder doch nicht?

Nach neuen Friedensgesprächen mit der Ukraine hatte Russland zugesagt, seine Kampfhandlungen bei Kiew und Tschernihiw deutlich zurückzufahren. Vize-Verteidigungsminister Alexander Fomin sagte nach einem Treffen in Istanbul, seine Regierung wolle so Vertrauen aufbauen und weitere Verhandlungen ermöglichen. Der russische Delegationsleiter Wladimir Medinski lobte die mehrstündigen Gespräche als konstruktiv. Russland sei bereit, Schritte zur Deeskalation zu gehen, dies sei aber kein Waffenstillstand. Er sagte, Kiew wolle unter anderem die Möglichkeit eines EU-Beitritts aushandeln.

Russland begrüße die Vorschläge der Ukraine zur Beilegung des Konflikts, sehe aber keine Anzeichen für einen Durchbruch, sagte der Sprecher des Präsidialamtes Dmitri Peskow. Aus Moskauer Sicht habe man nichts Vielversprechendes entdecken können. "Es gibt noch viel zu tun", betonte der Sprecher von Staatschef Wladimir Putin. Diese Aussagen stehen im Gegensatz zu den weitaus positiveren Äußerungen der russischen Vertreter, die an den Gesprächen in Istanbul teilgenommen hatten.

Die ukrainische Regierung bekräftigte nach dem Treffen ihre grundsätzliche Bereitschaft, einen Vertrag über einen neutralen, block- und atomwaffenfreien Status zu schließen. Im Gegenzug seien aber harte Garantien westlicher Staaten für die Sicherheit der Ukraine nötig, möglichst nach dem Vorbild der NATO. Gebietsabtretungen an Russland lehnte Kiew als indiskutabel ab. Vor einigen Tagen hatte das russische Verteidigungsministerium mitgeteilt, sich nun auf die komplette Eroberung des Donbass in der Ostukraine zu konzentrieren, wo schon seit 2014 gekämpft wird.

Kiew: Brauchen Sicherheitsgarantie westlicher Staaten

Das ukrainische Delegationsmitglied David Arachamija sagte, die gewünschten Sicherheitsgarantien sollten von den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats wie den USA, Frankreich, Großbritannien, China oder Russland kommen. Dazu zählen könnten auch die Türkei, Deutschland, Kanada, Italien, Polen, Israel und andere Länder. Formuliert sein sollten sie ähnlich wie Artikel fünf des NATO-Vertrages. Demnach sind die Mitglieder zum militärischen Beistand im Fall eines Angriffs auf einen der Partner verpflichtet.

Präsidentenberater Mychajlo Podoljak sagte, dass die Frage der von Russland annektierten ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim nach dem Ende der Kämpfe diskutiert werden solle - und zwar innerhalb von 15 Jahren. Ebenso ausgeschlossen von einer aktuellen Friedenslösung solle der Status der moskautreuen Separatistengebiete Donezk und Luhansk im Donbass werden.

Russlands Macht über Pipelines und Gasspeicher

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte am Abend in Düsseldorf, Putin verfolge "eine sehr imperialistische Vision", doch seien seine Kalküle allesamt nicht aufgegangen. So habe er völlig übersehen, dass die Ukrainer eine eigene Nation sein wollen und dass er und seine Armee keineswegs mit offenen Armen empfangen werden.

Selenskyj: Positive Signale übertönen keine Explosionen

Ungeachtet der leichten Fortschritte bei den Verhandlungen mit Russland über ein Ende des Kriegs sieht der ukrainische Präsident die fortgesetzte Verteidigung seines Landes als vorrangig. "Diese Signale übertönen aber nicht die Explosionen russischer Geschosse", sagte Wolodymr Selenskyj zu Ankündigungen russischer Militärs, etwa den Druck auf die Hauptstadt Kiew zu vermindern. "Die Verteidigung der Ukraine ist unsere Aufgabe Nummer eins, alles andere wird davon abgeleitet", betonte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Nur auf dieser Grundlage könne mit Russland weiter verhandelt werden.

Infografik Welche Teile der Ukraine werden von russischen Truppen kontrolliert DE
Welche Teile der Ukraine werden von russischen Truppen kontrolliert

Auch sollte es keinerlei Aufhebung von Sanktionen gegen Russland geben, sagte Selenskyj weiter. Dies "kann erst in Betracht gezogen werden, wenn der Krieg vorbei ist und wir zurückbekommen, was uns gehört". "Der Feind befindet sich weiterhin auf unserem Gebiet", betonte der Präsident. Realität sei, dass die ukrainischen Städte weiter belagert und beschossen würden. Daher seien die ukrainischen Streitkräfte "die einzige Garantie für unser Überleben". Dies sei eine "funktionierende Garantie".

Militärflughafen in Westukraine attackiert

Ungeachtet der Verhandlungen in der Türkei ging in der Ukraine der Krieg unvermindert weiter. Die russischen Streitkräfte beschossen in der Westukraine den Militärflughafen von Starokostjantyniw beschossen und zerstörten nach ukrainischen Angaben die dortigen Treibstoffvorräte vollständig. "Wir werden seit dem ersten Tag des Krieges mit Raketen beschossen, aber heute (...) war der Angriff sehr ernst und hat erheblichen Schaden verursacht", erklärte der Bürgermeister der Stadt, Mykola Melnytschuk, auf Facebook.

Bei einem russischen Angriff auf die Regionalverwaltung in der südukrainischen Stadt Mykolajiw wurden nach ukrainischen Angaben mindestens neun Menschen getötet und 28 verletzt. Auf Wohngebiete in der Hauptstadtregion Kiew seien innerhalb von 24 Stunden mehr als 40 Raketen niedergegangen, erklärte die Militärverwaltung auf Telegram.

Auch eine Vertretung der EU-Beratermission in der Ukraine wurde von russischen Kräften beschossen. Der EU-Chefdiplomat Josep Borrell ließ erklären, man habe glaubwürdige Informationen darüber erhalten, dass die Räumlichkeiten der Außenstelle Mariupol der EU-Beratungsmission in der Ukraine vor kurzem unter russischen Beschuss geraten sei. Das Büro und die Ausrüstung seien stark beschädigt worden. Missionsmitglieder wurden demnach nicht verletzt.

"Überall Leichen" - Flucht aus Mariupol

In der belagerten Hafenstadt Mariupol sind seit Beginn der russischen Bombardierung vor vier Wochen nach Angaben der Vereinten Nationen möglicherweise Tausende Zivilisten ums Leben gekommen. "Wir glauben tatsächlich, dass es in Mariupol Tausende von Toten, von zivilen Opfern, geben könnte", sagte Matilda Bogner vom UN-Hochkommissariat für Menschenrechte der Nachrichtenagentur Reuters. Eine genaue Schätzung liege bisher nicht vor. Das Bürgermeisteramt der südukrainischen Stadt berichtete am Montag von fast 5000 Toten, darunter 210 Kinder.

Vitali Klitschko verlangt russischen Truppenabzug

Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew, Vitali Klitschko, forderte den Abzug aller russischen Truppen als Basis für die weiteren Gespräche mit Russland. Klitschko sagte der deutschen "Bild"-Zeitung: "Wir können über Normalisierung sprechen, wenn jeder russische Soldat aus unserem Land raus ist." Der Ex-Boxweltmeister erklärte außerdem, dass die ukrainischen Soldaten "eine gute Antwort" auf die russischen Angriffe gegeben hätten und "den Mythos um die stärkste Armee der Welt vollkommen ruiniert" hätten. "Die Russen waren nicht überrascht, die waren geschockt, weil keiner erwartet hat, dass die ukrainische Armee eine gute Antwort geben kann an den Aggressor."

Ukraine-Krieg | Angriff in Byshiv am Stadtrand von Kiew
Russische Angriffe haben Byshiv am Standrand von Kiew fast vollständig in Trümmer gelegtBild: Rodrigo Abd/AP Photo/picture alliance

USA schicken weitere Kampfjets nach Osteuropa

Die US-Streitkräfte verlegen angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine weitere Kampfflugzeuge, Transportmaschinen und Soldaten nach Osteuropa. Eine Einheit von rund 200 Marineinfanteristen aus den USA sei nach einem Manöver in Norwegen nach Litauen verlegt worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, John Kirby. Zudem würden aus den USA zehn Kampfflugzeuge vom Typ F/A-18 Hornet und einige Transportmaschinen vom Typ C-130 Hercules mit rund 200 Soldaten nach Osteuropa gebracht. Ihr genaues Ziel sei noch unklar.

Es gehe dem US-Militär vor allem darum, dort die "richtigen Fähigkeiten" zur Verfügung zu haben. Darüber sei man stets im Austausch mit den Partnern. Der Sprecher verwies dabei auch auf die Ankündigung vom Montag, sechs Flugzeuge zur elektronischen Kampfführung nach Deutschland zu verlegen. Die Boeing-Kampfflugzeuge der US-Marine vom Typ EA-18 Growler werden mit rund 240 Soldaten auf dem US-Stützpunkt Spangdahlem in Rheinland-Pfalz stationiert.

USA Kampfflugzeug Boeing EA-18G Growler
Ein US-Kampfflugzeug des Typs Boeing EA-18G Growler Bild: U.S. Air Force/ZUMA Press Wire Service/Zumapress/picture alliance

Die USA haben die Präsenz ihrer Streitkräfte in Europa seit Anfang des Jahres angesichts der größeren Bedrohung durch Russland deutlich ausgebaut. Die Zahl der Soldaten ist von rund 80.000 auf gut 100.000 gestiegen. Die jüngste Verstärkung wurde vor allem in die Länder der Nato-Ostflanke geschickt, darunter jene im Baltikum, Polen und Rumänien. In Deutschland sind gut 35 000 US-Soldaten stationiert.

Geberkonferenz für ukrainische Kriegsopfer kommende Woche

Eine Geberkonferenz will in der kommenden Woche Geld für die Millionen Ukraine-Flüchtlinge sowie die im Land vertriebenen Menschen sammeln. Weil Polen bei der Unterstützung der Geflüchteten eine entscheidende Rolle spiele, werde die Veranstaltung am 9. April in Warschau stattfinden, teilte die EU-Kommission mit. Einberufen werde die Geberkonferenz von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem kanadischen Premier Justin Trudeau. Die deutsche Politikerin werde an der Seite des polnischen Präsidenten Andrzej Duda teilnehmen, Trudeau aus der Ferne. Die Geberkonferenz ist den Angaben zufolge der Abschluss einer Social-Media-Kampagne der EU-Kommission, der kanadischen Regierung sowie der Nichtregierungsorganisation Global Citizen mit dem Ziel Geld und andere Formen der Unterstützung für die Vertriebenen innerhalb der Ukraine sowie für Geflüchtete zu sammeln.

Russland - Ukraine Konflikt
Die zerstörte Markthalle von TschernihiwBild: Vladislav Savenok/AP/picture alliance

Hungersnöte durch Krieg in der Ukraine?

Vertreter des Westens haben Russland wegen der Folgen seines Angriffskriegs in der Ukraine auf die globale Ernährungssicherheit kritisiert. Der russische Präsident "Wladimir Putin hat diesen Krieg begonnen und hat diese weltweite Nahrungsmittelkrise verursacht", sagte US-Vize-Außenministerin Wendy Sherman im UN-Sicherheitsrat. Der französische UN-Botschafter Nicolas de Rivière erklärte, Putins Krieg "erhöht das Risiko von Hungersnöten".

Sein russischer Kollege Wassili Nebensia entgegnete: "Die wahren Gründe für die schweren Turbulenzen auf den weltweiten Lebensmittelmärkten sind keinesfalls auf die Handlungen Russlands zurückzuführen, sondern vielmehr auf die unkontrollierte Hysterie der vom Westen gegen Moskau verhängten Sanktionen".

Die Stellvertreterin des UN-Generalsekretärs für humanitäre Angelegenheiten, Joyce Msuya, warnte, dass der Konflikt in der Ukraine "die Lage für die größten humanitären Krisen der Welt, wie in Afghanistan, im Jemen und am Horn von Afrika, noch weiter zu verschlimmern" drohe. "Diese Länder kämpfen bereits mit Ernährungsunsicherheit, der Fragilität ihrer Volkswirtschaften, steigenden Preisen für Lebensmittel, Treibstoff und Düngemittel, die die aktuelle und kommende Saison hart treffen werden", warnte die UN-Vertreterin.

Getreide-Exportausfälle: Was kann man tun?

Der Direktor des Welternährungsprogramms (WFP), David Beasley, erinnerte daran, dass auf die Ukraine und Russland "30 Prozent der weltweiten Weizenexporte, 20 Prozent des weltweiten Maises und 75 Prozent des Sonnenblumenöls" entfielen. Etwa "50 Prozent des Getreides, das wir kaufen, kommt aus der Ukraine und wir haben vor dem Krieg 125 Millionen Menschen ernährt", betonte Beasley. Die Krise habe "verheerende" Auswirkungen auf die Arbeit des UN-Programms. 

Wirtschaftsexperte befürchtet langfristig eine "totale Katastrophe"

Der US-Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs befürchtet, dass der Weltwirtschaft durch den Ukraine-Krieg "langfristig eine totale Katastrophe" droht. Sachs, der die russischen Regierungen von Michail Gorbatschow und Boris Jelzin in Fragen der Wirtschaftspolitik beraten hatte, äußerte sich anlässlich der Friedensgespräche zwischen Russland und der Ukraine in der Türkei. Er sagte der Deutschen Welle: "Ist es möglich, dass die internationale Wirtschaft zusammenbricht? Das ist absolut möglich. Langfristig könnte es zu einer vollständigen Katastrophe kommen." US-Präsident Joe Biden habe gesagt: "Stählt euch für die kommenden Jahre des Kampfes." Er hoffe, dass Biden sich irre. Und er würde gerne eine Einigung sehen, "die zeigt, dass er sich irrt."

Zu den Auswirkungen der westlichen Sanktionen auf die russische Wirtschaft sagte Sachs gegenüber der DW: "Die Sanktionen haben definitiv einen großen Effekt auf die russische Wirtschaft, und dieser Effekt wird mit der Zeit zunehmen." Er wolle betonen, "dass es nicht um Sanktionen geht, sondern darum, eine Verhandlungslösung zu finden."

Operndiva Netrebko verurteilt den Krieg und distanziert sich von Putin

Mehrere Opernhäuser hatten zuletzt Auftritte der russischen Sopranisten Anna Netrebko abgesagt. Sie hatte sich öffentlich gegen den Krieg ausgesprochen - allerdings nicht klar von Präsident Putin distanziert. Nun ließ die unter Druck stehende Musikerin in einer Erklärung mitteilen: "Ich verurteile den Krieg gegen die Ukraine ausdrücklich und meine Gedanken sind bei den Opfern dieses Krieges und ihren Familien."

Gleichzeitig erklärte sie, weder "Mitglied einer politischen Partei" noch "mit irgendeinem Führer Russlands verbunden" zu sein sowie Putin "in meinem ganzen Leben nur eine Handvoll Mal getroffen" zu haben. Netrebko hatte im vergangenen Jahr mit einer großen Gala im Kreml in Moskau ihren 50. Geburtstag gefeiert. In den vergangenen Tagen hatten sich immer mehr Institutionen und Veranstalter zurückgezogen und Auftritte Netrebkos abgesagt, weil sie von ihr eine klare Distanzierung von Putin erwarteten.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

qu/pg/ehl/bri/kle/bru (dpa, afp, rtr)