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PolitikEuropa

Aktuell: Duda wirft Berlin Wortbruch bei Panzern vor

24. Mai 2022

Polens Präsident sieht sich von der Bundesregierung im Stich gelassen. Kanzler Scholz ruft zu höherer Energieproduktion auf. Das "Time Magazine" zählt Präsident Selenskyj zu den einflussreichsten Menschen. Ein Überblick.

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Litauen | Der polnische Präsident Andrzej Duda
"Wir sind sehr enttäuscht": Polens Staatschef Andrzej Duda (Archivbild)Bild: Mindaugas Kulbi/AP/picture alliance

 

  • Polens Präsident wirft Bundesregierung Wortbruch vor
  • Ungarn verlängert Notstand
  • Biden äußert sich beim Quad-Gipfel in Tokio zur Ukraine 
  • Scholz: Russlands Einmarsch wird nicht akzeptiert
  • Stoltenberg: Können jede Aggression sofort beantworten

 

Polens Präsident Andrzej Duda hat Deutschland Wortbruch bei einer versprochenen Lieferung von Panzern an sein Land vorgeworfen. Der Staatschef des NATO-Partners bezog sich in einem Interview des TV-Senders Welt auf eine Zusage aus Berlin, Panzer zu liefern, um von Polen an die Ukraine abgegebene Panzer zu ersetzen. "Sie haben dieses Versprechen nicht erfüllt", fügte Duda mit Blick auf die Bundesregierung hinzu. "Und offen gesagt: Wir sind sehr enttäuscht."

Mit den Lieferungen an Kiew habe Polen sein eigenes militärisches Potenzial geschwächt. "Wenn wir von Deutschland unterstützt worden wären, wenn wir Ersatz bekommen hätten in Form eines Ringtauschs, dann wären wir sehr froh gewesen", sagte Duda am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Polen unterstützt sein Nachbarland Ukraine gegen den russischen Angriff mit Panzern des sowjetischen Typs T-72.

Baerbock: "Nicht per Knopfdruck oder Fingerschnipps"

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beriet mit ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau über das Thema. Baerbock sagte nach einem Treffen in Berlin, Deutschland könne schweres Kriegsgerät nicht "per Knopfdruck oder per Fingerschnipps" an die Ukraine liefern, gerade auch nicht aus deutschen Beständen. Das Material müsse "zur Verfügung stehen, repariert werden oder entsprechend neu bestellt werden". Rau sagte, er habe "die deutsche Stellungnahme zur Kenntnis genommen". 

Berlin | Außenminister Zbigniew Rau und Außenministerin Annalena Baerbock
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock warb bei ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau um VerständnisBild: Tobias Schwarz/dpa/AFP-Pool/picture alliance

Mit Blick auf Tschechien hatte Deutschland in der vergangenen Woche einen sogenannten Ringtausch angekündigt. Berlin will dem NATO-Partner 15 "Leopard 2"-Panzer aus Industriebeständen zur Verfügung stellen und damit Lieferungen schwerer Waffen Tschechiens an die Ukraine ausgleichen. Auch mit Slowenien soll es einen Ringtausch geben.

Ungarn verlängert Notstand

Kurz vor dem Auslaufen des gegenwärtigen Corona-Notstands zum Monatsende hat Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban die Möglichkeit erhalten, weiterhin per Verordnung zu regieren. Das Parlament in Budapest schuf dazu eine neue Kategorie des Notstands. Die Regierung kann den Ausnahmezustand nun auch ausrufen, wenn ein Nachbarland - wie die Ukraine - von einem bewaffneten Konflikt, einem Krieg oder einer humanitären Katastrophe betroffen ist. Orban kündigte an, die neue Regelung greife bereits ab Mittwoch.

Für die entsprechende Verfassungsänderung stimmten die 136 Abgeordneten der rechtsnationalen Fidesz-Partei. Der Gesundheitsnotstand, den Orban zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 verhängte und den das Parlament seitdem mehrfach verlängerte, endet am 31. Mai. Der Notstand gibt dem Ministerpräsidenten die Befugnis, geltende Gesetze aufzuheben und Zwangsmaßnahmen per Verordnung zu treffen. Eine vorgeschriebene nachträgliche Bestätigung durch das Parlament gilt als Formsache.

Ein von zahlreichen EU-Staaten gewünschtes Ölembargo gegen Russland wird von Ungarn weiterhin blockiert. Es sei "sehr unwahrscheinlich", dass vor dem EU-Sondergipfel in der kommenden Woche eine umfassende Lösung gefunden werden könne, schrieb Orban in einem Brief an EU-Ratspräsident Charles Michel. Die französische Regierung hält eine Einigung noch für möglich. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuvor erklärt, er sehe das Embargo "in greifbarer Nähe".

Biden: "Wir bewegen uns durch eine dunkle Stunde"

Bei einem Gipfeltreffen vier führender Demokratien des Indopazifik-Raums hat US-Präsident Joe Biden den russischen Angriffskrieg in der Ukraine als globale Herausforderung bezeichnet. "Das ist mehr als nur eine europäische Angelegenheit, es ist ein globales Problem", sagte Biden in Tokio. "Wir bewegen uns durch eine dunkle Stunde unserer gemeinsamen Geschichte", fügte er hinzu.

Japan | Quad Treffen in Tokio
Australiens neuer Premier Anthony Albanese, US-Präsident Joe Biden, Japans Regierungschef Fumio Kishida und Indiens Premier Narendra Modi (v. l. n. r.) Bild: Yuichi Yamazaki/REUTERS

Neben Japan, Australien und den USA nahm an den Beratungen auch Indien teil, das in Bezug auf den Ukraine-Krieg eine neutrale Haltung einnimmt und westliche Sanktionen nicht mitträgt. Die Regierung in Neu Delhi hat traditionell gute Beziehungen zum Kreml und kauft viele russische Rüstungsgüter. 

Biden traf sich im Anschluss auch noch separat mit dem indischen Premier Narendra Modi. Nach dem Gespräch erklärte das Weiße Haus, Biden habe "Russlands nicht zu rechtfertigenden Krieg gegen die Ukraine verurteilt". Zu Modis Haltung gab es in der US-Mitteilung jedoch keine Angaben. 

Russlands Einmarsch wird nicht hingenommen

Bundeskanzler Olaf Scholz hat nochmals klargestellt, dass Deutschland und seine Verbündeten den Einmarsch Russlands in die Ukraine nicht akzeptieren können. Der Deutschen Welle sagte Scholz während seines Besuchs in Südafrika, nie wieder dürfe es einen erfolgreichen Versuch geben, Grenzen mit Gewalt zu verändern. 

Bundeskanzler Scholz im DW-Interview

Mit Blick auf die hohen Energiepreise rief der Kanzler alle Förderländer dazu auf, ihre Öl- und Gas-Produktion zu erhöhen. "Wir diskutieren jetzt mit all diesen Ländern, die Öl und Gas fördern, und versuchen, sie davon zu überzeugen, ihre Kapazitäten zu erhöhen, so dass dies dem Weltmarkt helfen würde", sagte Scholz. 

Von der Leyen: Russlands Verhalten erinnert an "dunkle Vergangenheit"

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zog im Hinblick auf den russischen Umgang mit Getreide in der Ukraine Parallelen zur Sowjetzeit. Das russische Verhalten erinnere an eine dunkle Vergangenheit - an die Zeit der sowjetischen Beschlagnahme der Ernten und der verheerenden Hungersnot der 1930er Jahre. 

Moskau setze nicht nur die Energieversorgung als Waffe ein; bei der Ernährungssicherheit zeichne sich ein ähnliches Muster ab. Russland bombardiere bewusst Getreidelager in der Ukraine und blockiere ukrainische Schiffe mit Weizen und Sonnenblumenkernen im Schwarzen Meer. "Dahinter steckt nur ein Gedanke: Russland nutzt Hunger und Getreide, um Macht auszuüben", sagte von der Leyen beim Weltwirtschaftsforum in Davos. 

Dadurch schössen die Weizenpreise weltweit in die Höhe. Am stärksten betroffen seien schwache Länder und gefährdete Bevölkerungsgruppen. So seien etwa die Brotpreise im Libanon um 70 Prozent gestiegen. "Die Zeichen einer wachsenden Ernährungskrise sind deutlich sichtbar." 

Stoltenberg: Können jede Aggression sofort beantworten

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bekräftigte nochmals den Willen und die Fähigkeit der Allianz, einer Aggression Russlands entgegenzutreten. "Wir können jede Aggression sofort beantworten", sagte Stoltenberg in Davos.

Zugleich betont er: "Wir möchten keinen Konflikt provozieren, wir wollen Frieden." Russlands Präsident Wladimir Putin habe weniger NATO an seinen Grenzen gewollt und dafür einen Krieg provoziert. "Jetzt bekommt er mehr NATO an seinen Grenzen", sagte Stoltenberg mit Blick auf den von Finnland und Schweden angestrebten Beitritt zu dem Verteidigungsbündnis.

"Time Magazine" listet Selenskyj  

Das in New York erscheinende "Time Magazine" hat den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf die Liste der 100 einflussreichsten Menschen des Jahres 2022 gesetzt. "Mit Präsident Selenskyj haben die Menschen in der Ukraine ein Staatsoberhaupt, das ihrer Tapferkeit und ihrer Widerstandsfähigkeit würdig ist", schrieb US-Präsident Joe Biden dazu. Im russischen Krieg gegen sein Land habe Selenskyj "seine Spuren in der Geschichte hinterlassen". Auch der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, Walerij Saluschnyj, schaffte es auf die Liste, die "Time" jährlich seit 1999 veröffentlicht.

Selenskyj fordert moderne Luftabwehr

Präsident Selenskyj hat in seiner täglichen Videobotschaft moderne Raketenabwehrwaffen und Kampfflugzeuge gegen russische Angriffe gefordert. Viele Menschen wären "nicht gestorben, wenn wir alle Waffen erhalten hätten, um die wir bitten". Die Ukraine habe seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar bereits 3000 Luftangriffe und annähernd 1500 Raketenangriffe hinnehmen müssen. Die große Mehrheit der Angriffe habe zivilen Objekten gegolten.

Ukraine Kiew | Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Bild: Ukraine Presidency/Ukraine Presi/Planet Pix/Zuma/dpa/picture alliance

Der Kampf seines Landes gegen Russland diene dem "Schutz der gemeinsamen Werte aller Länder in der freien Welt", sagte Selenskyj weiter. Deshalb habe sein Land ein Recht auf Waffenhilfe. Im Osten der Ukraine, wo die russische Armee ihre Aktivitäten konzentriert habe, bleibe die Lage schwierig.

Schwere Gefechte im Osten

Russische Truppen streben im Donbass ukrainischen Angaben zufolge weiterhin die vollständige Eroberung des Gebiets Luhansk an. "Der Feind hört nicht auf anzugreifen", teilte der ukrainische Generalstab mit. Insbesondere werde versucht, die strategisch wichtigen Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk einzukreisen. Auch um die Stadt Bachmut im Gebiet Donezk werde weiter heftig gekämpft. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Haubitzen des Typs M777 der US-Streitkräfte werden auf einem Luftwaffenstützpunkt in Kalifornien für den Transport in die Ukraine bereitgestellt
Haubitzen des Typs M777 der US-Streitkräfte, die für die Ukraine bereitgestellt wurdenBild: U.S. Marines/ZUMAPRESS/picture alliance

20 Staaten versprechen mehr Hilfe

In der westlichen Ukraine-Kontaktgruppe haben 20 Staaten weitere Waffenlieferungen oder andere Hilfen an die Ukraine zugesagt. "Viele Länder spenden dringend benötigte Artilleriemunition, Küstenverteidigungssysteme, Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge", sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach dem zweiten Treffen. Hilfspakete hätten unter anderem Italien, Griechenland, Norwegen und Polen versprochen. 

Dänemark wird der Ukraine Anti-Schiffs-Raketen des Typs "Harpoon" liefern. Damit könnten die Küsten verteidigt werden, erklärte Austin. Die Nachrichtenagentur Reuters hatte vergangene Woche von Plänen berichtet, die Ukraine mit fortgeschrittenen Anti-Schiffs-Raketen auszustatten. Dabei wurde die vom US-Konzern Boeing hergestellte "Harpoon" mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern als Waffensystem genannt, mit dem die Ukraine die russische Blockade ihrer Häfen brechen könnte. Diese Blockade beeinträchtigt etwa ukrainische Getreidelieferungen für den Weltmarkt. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte Portugal im April um die Lieferung von "Harpoon"-Raketen gebeten.

Derweil bot Kolumbien an, ukrainische Militärs zu Minenräumern auszubilden. Das südamerikanische Land ist nach 60 Jahren bürgerkriegsähnlicher Kämpfe eines der Länder mit der größten Dichte an Minenfeldern.

Asow-Gefangene: "Wir müssen sie austauschen"

Die in der Hafenstadt Mariupol gefangen genommenen ukrainischen Soldaten sollen nach dem Willen von Präsident Selenskyj ausgetauscht werden. Das sei eine politische Entscheidung, die von der Unterstützung vieler Staaten abhänge. "Wir müssen sie austauschen", sagte Selenskyj. Alle UN-Mitglieder - insbesondere die, die mit solchen Angelegenheiten Erfahrung hätten - sollten sich einschalten.

Ein verwundeter Asow-Kämpfer vor der Kapitulation in der Bunkeranlage des Mariupoler Stahlwerks (Archivfoto vom 10. Mai)
Ein verwundeter Asow-Kämpfer vor der Kapitulation in der Bunkeranlage des Mariupoler Stahlwerks (Archiv)Bild: Dmytro 'Orest' Kozatskyi/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Im Stahlwerk von Mariupol im Süden der Ukraine hatten sich am Freitagabend nach wochenlanger Belagerung die letzten von mehr als 2400 ukrainischen Kämpfern ergeben. Als Kriegsgefangene genießen sie nun eigentlich Schutz. Von russischer Seite gibt es aber auch Forderungen, sie vor Gericht zu stellen.

Ukrainischer Berater: Haben Hauptziel in Mariupol erreicht

Trotz der Einnahme der Hafenstadt Mariupol durch russische Truppen sieht ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers das militärische Hauptziel dort als erreicht an. Jurij Sak sagte im ARD-Fernsehen: "Das Hauptziel wurde erreicht in Mariupol. Es war, die russischen Gruppierungen zurückzuhalten, (...) mehr als 20.000 russische Soldaten. Und das wurde möglich gemacht Dank der Heldentaten der Verteidiger von Mariupol und der Verteidiger, die später in Azovstal waren."

Dadurch hätten die russischen Truppen keine anderen Gebiete im Osten der Ukraine erobern können. Die Soldaten im belagerten Stahlwerk Azovstal hätten den Ukrainern Zeit gegeben, sich neu zu gruppieren und mehr Militärhilfe von ihren internationalen Partnern zu erhalten. Der Berater fügte hinzu: Die Ukraine werde den Krieg als gewonnen ansehen, wenn sich die russischen Truppen an die Grenzen zurückzögen, die vor dem Beginn des Angriffs am 24. Februar gültig waren. Eine Rückgabe der Krim müsse Teil von Verhandlungen sein.

Pussy Riot will Importstopp für russische Energie

Die Musikerinnen der russischen Punkband Pussy Riot fordern einen Importstopp für russisches Gas und Öl. Das Geld für den Krieg in der Ukraine komme aus Europa, sagten die Aktivistinnen in den ARD-"Tagesthemen". Solange Gas und Öl in Russland gekauft würden, könne der Krieg nicht gestoppt werden.

Die russische Punkband Pussy Riot im "Tagesthemen"-Interview mit Moderator Ingo Zamperoni
Die russische Punkband Pussy Riot in den "Tagesthemen"Bild: tagesschau.de

Bandmitglied Maria Aljochina bezeichnete den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Kriegsverbrecher, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu Verantwortung gezogen werden müsse. Die Band ist gerade auf einer "Pussy Riot Anti-War Tour" in Europa unterwegs.

Lawrow will sich Eurasien zuwenden

Der russische Außenminister will die Wirtschaftsbeziehungen seines Landes zu China beschleunigen. Angesichts der "diktatorischen Position" des Westens gegenüber Russland werde sich Moskau nur auf sich selbst und auf diejenigen Staaten verlassen, die "ihre Zuverlässigkeit bewiesen haben", sagte Sergej Lawrow den Staatsagenturen Ria und Tass.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow
Russlands Außenminister Sergej LawrowBild: Alexander Zemlianichenko/AP/Pool/dpa/picture alliance

Die Zukunft sieht Lawrow in der Region Eurasien. Neben China nannte er auch Indien und den Iran als wichtige Partner. Auf westliche Lieferungen sollte sich Russland seiner Meinung nach nicht mehr verlassen.

se/kle/rb/wa/jj/uh (dw, afp, ap, dpa, epd, kna, rtr) 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.