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KonflikteUkraine

Aktuell: Brücken zum "anderen Russland" nicht abbrechen

16. Mai 2023

Appell von Bundeskanzler Olaf Scholz beim Europarats-Gipfel: Die Brücken zum "anderen Russland" müsse man halten. Der Überblick.

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Bundeskanzler Scholz EU Parlament
Bild: Philipp von Ditfurth/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Europarat berät über Lage in der Ukraine
  • Kiew meldet Abschuss von sechs Hyperschallraketen
  • Macron: Tür zur Ausbildung ukrainischer Jet-Piloten offen
  • Schmiergeldskandal beim Obersten Gerichtshof der Ukraine
  • USA warnen vor "beispielloser Verteidigungspartnerschaft"

 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich beim Europarats-Gipfel dafür ausgesprochen, die Brücken zum "anderen Russland" jenseits von Präsident Wladimir Putin und seiner Regierung nicht abzubrechen. Irgendwann werde Russlands Krieg gegen die Ukraine enden, sagte der SPD-Politiker zum Auftakt des Spitzentreffens, zu dem mehr als 30 Staats- und Regierungschefs aus den insgesamt 46 Mitgliedsländern zusammengekommen sind. Das Treffen findet in der isländischen Hauptstadt Reykjavik statt.

Ukraine fängt Hyperschallraketen ab

Die Ukraine hat nach eigener Darstellung mehrere russische Hyperschallraketen abgefangen. Sechs russische Luft-Boden-Lenkwaffen vom Typ Kinschal und zwölf weitere Raketen seien abgeschossen worden, erklärte Verteidigungsminister Oleksij Resnikow auf Twitter. Wie Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko mitteilte, fielen Trümmer auf die Hauptstadt. Es habe mindestens drei Verletzte gegeben. Es war der achte Angriff auf die Metropole in diesem Monat.

Nach Armee-Angaben wurden außerdem neun russische Drohnen zerstört. Mit welchen Waffen die Flugkörper vom Himmel geholt wurden, blieb offen. Das russische Verteidigungsministerium erklärte dagegen, in der Ukraine sei ein vom Westen geliefertes Patriot-Luftabwehrsystem durch eine Kinschal-Raktete zerstört worden. Die Angriffe hätten auch ukrainische Kampfeinheiten und Munitionslager zum Ziel gehabt.

Vergangene Woche hatte die Ukraine erstmals den Abschuss einer russischen Kinschal-Hyperschallrakete mittels eines Patriot-Abwehrsystems gemeldet. Dieses gilt als das fortschrittlichste Luftabwehrsystem der USA. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte die Kinschal im Jahr 2018 vorgestellt. Die Raketen sind in der Lage, bei extremer Geschwindigkeit Höhe und Richtung zu ändern - und somit der gegnerischen Flugabwehr auszuweichen. Putin pries sie daher als "unbesiegbar" an.

Ukraine meldet Erfolge bei Gefechten um Bachmut

Ein Panzer mit ukrainischer Fahne auf dem Turm fährt über eine unbefestigte Straße
Ein ukrainischer Panzer in der Region Bachmut (Archivbild)Bild: Libkos/AP Photo/picture alliance

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Tagen Fortschritte in der Schlacht um Bachmut im Osten des Landes erzielt. "Der Vormarsch unserer Truppen Richtung Bachmut ist der erste erfolgreiche Offensiveinsatz zur Verteidigung der Stadt", erklärte der Kommandeur der Bodentruppen, Generaloberst Olexandr Syrskji. Auf dem Telegram-Kanal der ukrainischen Armee schrieb er weiter: "Die vergangenen Tage haben gezeigt, dass wir auch unter solch extrem schwierigen Bedingungen vorrücken und den Feind vernichten können. (...) Der Einsatz zur Verteidigung Bachmuts geht weiter."

Britische Militärexperten bestätigten zu Teilen die Meldungen des ukrainischen Militärs. Laut dem täglichen Geheimdienstbericht des Verteidigungsministeriums in London haben die Vorstöße der ukrainischen Truppen an den Flanken im Norden und Süden die Lage stabilisiert. Die wichtigste ukrainische Nachschubroute in die umkämpfte Stadt sei nun wieder besser gesichert. Im Zentrum Bachmuts, so die Briten, machten allerdings die Kämpfer der russischen Söldnertruppe Wagner weiter kleine Fortschritte und übernähmen Stellungen der Ukrainer.

Das Verteidigungsministerium in London veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

Schulung von Kampfjet-Piloten "kein Tabu"

Frankreich Präsident Macron im Militärstützpunkt Mont De Marsan
Präsident Emmanuel Macron beim Besuch einer französischen Militärbasis (Archiv)Bild: Ugo Amez/abaca/picture alliance

Frankreich ist nach den Worten von Präsident Emmanuel Macron zur Ausbildung ukrainischer Kampfjet-Piloten bereit. Er habe "die Tür" für die Ausbildung "ab sofort" geöffnet, sagte Macron dem französischen Fernsehsender TF1. Es gebe hier "kein Tabu". Mehrere europäische Länder seien zu dem Schluss gekommen, dass es nun notwendig sei, mit der Schulung zu beginnen. Auf die Frage, ob Frankreich auch Kampfjets liefern werde, antwortete Macron: "Nein, ich habe nicht von Flugzeugen gesprochen." Dies sei eine "theoretische Debatte".

Selenskyj zieht Bilanz nach Vierländertour 

Nach einer Tour durch vier europäische Staaten ist der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj wieder in seinem Heimatland. "Wir kehren mit neuen Verteidigungspaketen nach Hause zurück: mehr Munition, stärkere Waffen für die Front, mehr Schutz für unsere Leute, mehr politische Unterstützung", fasste der 45-Jährige die Reise in einem Video zusammen.

Bei allen Gesprächen in Italien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien sei seine Friedensformel eines kompletten Abzugs der russischen Truppen vom Staatsgebiet der Ukraine besprochen worden, berichtete Selenskyj. Auch gebe es nun mehr Unterstützung für einen EU-Beitritt seines Landes. Und es gebe mehr Verständnis für einen NATO-Beitritt. "Er wird kommen, er ist unvermeidlich", meinte Selenskyj.

Berlin | Wolodymyr Selenskyj und Olaf Scholz
Trafen sich am Sonntag in Berlin: Präsident Wolodymyr Selenskyj und Kanzler Olaf ScholzBild: Matthias Schrader/AP Photo/picture alliance

Rasmussen befürwortet NATO-Beitritt der Ukraine

Der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat sich für eine Aufnahme der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis sowie in die EU ausgesprochen. "Ohne Wenn und Aber: Die Ukraine muss der NATO und der Europäischen Union beitreten", sagte Rasmussen bei einem von ihm organisierten Demokratie-Gipfel in Kopenhagen.

"Die Ukraine hat beträchtliche militärische Fähigkeiten entwickelt und würde die NATO als Mitglied stärken", heißt es in einem Papier, das Rasmussen bei dem Gipfel präsentierte. "Der Krieg hat gezeigt, dass es immer Instabilität und die Gefahr eines russischen Angriffs geben wird, solange sich die Ukraine außerhalb euroatlantischer Strukturen befindet."

Einen NATO-Beitritt der Ukraine in Kriegszeiten hatte der derzeitige Generalsekretär Jens Stoltenberg jüngst indirekt ausgeschlossen. Seit Sommer vergangenen Jahres ist das Land offiziell Kandidat für einen EU-Beitritt. Die Ukraine hofft, dass die Verhandlungen darüber noch in diesem Jahr beginnen.

Schmiergeldskandal am Obersten Gerichtshof

Unterdessen wird die Ukraine von einem neuen Bestechungsskandal erschüttert. Anti-Korruptions-Kämpfer deckten Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe beim Obersten Gerichtshof auf. Dessen Präsident Wsewolod Knjasjew sei bei der Entgegennahme von drei Millionen US-Dollar (2,76 Millionen Euro) gefasst worden, berichtet die Internetzeitung "Ukrajinska Prawda" unter Berufung auf das Nationale Anti-Korruptions-Büro der Ukraine. Bei weiteren Richtern soll es Razzien gegeben haben.

Die EU hat Anti-Korruptions-Reformen zu einer Bedingung für die weitere europäische Integration der Ukraine gemacht. In der Ukraine waren in den vergangenen Monaten eine Reihe von Korruptionsskandalen ans Licht gekommen. Zuletzt war nach jahrelangen Korruptionsermittlungen der Bürgermeister der Hafenstadt Odessa wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden. Der Kampf gegen Korruption war eines der erklärten Ziele der "Maidan"-Revolution im Jahr 2014. Auch hinsichtlich eines Beitritts zur Europäischen Union versucht die Ukraine seit längerem, dieses Problem einzudämmen.

Roth: Mehr als 1300 Kultureinrichtungen in der Ukraine angegriffen

Im Zuge des russischen Angriffskriegs sind in der Ukraine nach Angaben der deutschen Kulturstaatsministerin Claudia Roth mehr als 1300 Kultureinrichtungen wie Bibliotheken, Archive und Museen angegriffen worden. Das sei der Versuch, die kulturelle Identität der Ukraine auszulöschen und eine Stimme der Demokratie zum Schweigen zu bringen, sagte die Grünen-Politikerin am Rande eines EU-Kulturministertreffens in Brüssel.

Eine alte Frau mit Stock läuft vor dem zerstörten Theater in Mariupol vorbei, ab der Wand des Theaters sind Eischusslöcher zu sehen
Das Theater in Mariupol ist eines der bekanntesten Kulturgüter, die im Zuge des russischen Angriffskriegs zerstört wurden (Archivbild)Bild: Nikolai Trishin/TASS/dpa/picture alliance

"Neben Journalistinnen und Journalisten sind es immer die Künstler und Künstlerinnen, die dieser Demokratie ja einen Sound geben." Die russische Aggression sei auch ein systematischer Krieg gegen Kultur, sagte Roth. Mit Desinformation, Lügen, Fake News und Verschwörungstheorien würden zunehmend auch die Herzen und Köpfe der Menschen in Deutschland und Westeuropa vergiftet.

Separatisten: "Innenminister" von Luhansk verletzt

Bei einer Explosion in der russisch kontrollierten Stadt Luhansk in der Ostukraine ist nach Angaben von Separatisten ein hochrangiger moskautreuer Funktionär verwundet worden. Bei dem Vorfall, der sich in einem Friseursalon ereignet habe, seien der als "Innenminister" der selbsternannten Volksrepublik Luhansk bezeichnete Igor Kornet und sechs weitere Menschen verletzt worden, berichtete der örtliche Separatistenführer Leonid Pasetschnik. Vier von ihnen seien in einem kritischen Zustand. "Ärzte kämpfen um das Leben der Verwundeten", erklärte Pasetschnik.

USA warnen vor "beispielloser Verteidigungspartnerschaft"

Russland und der Iran vertiefen nach Erkenntnissen der USA ihre militärische Zusammenarbeit. Die beiden Länder seien dabei, "ihre beispiellose Verteidigungspartnerschaft auszubauen", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Es gehe unter anderem um den Kauf moderner iranischer Kampfdrohnen durch Russland.

Iran Präsentation Drohnen für Armee
Präsentation von Drohnen aus iranischer Produktion (Archiv)Bild: Iranian Army/AP/picture alliance

Seit August habe der Iran schon mehr als 400 Drohnen geliefert, berichtete Kirby. Die meisten davon seien bereits zum Einsatz gekommen im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine - vor allem mit dem Ziel, dort kritische Infrastruktur zu zerstören. Der Iran gehöre zu den wichtigsten militärischen Unterstützern Moskaus und ermögliche es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, weiter Ukrainer zu töten, führte Kirby aus. Derweil wolle Teheran von Moskau Kampfhubschrauber, Kampfjets und Radargeräte kaufen.

Die Kooperation sei damit nicht nur eine Bedrohung für die Ukraine, sondern auch für den Nahen Osten und die internationale Gemeinschaft, betonte Kirby. Geplant sei daher, "in den kommenden Tagen" weitere Strafmaßnahmen gegen jene zu verhängen, die an den zunehmenden Rüstungsgeschäften zwischen Russland und dem Iran beteiligt seien. Die USA hätten bereits weitreichende Sanktionen gegen beide Länder verhängt, aber es gebe immer noch Raum für weitere Sanktionen.

China schickt Sondergesandten Li nach Kiew

Der chinesische Sondergesandte Li Hui wird an diesem Dienstag zu einem zweitägigen Besuch in der Ukraine erwartet. Ziel von Lis Reise ist es nach Angaben der Regierung in Peking, "mit allen Parteien über eine politische Lösung" im Ukraine-Konflikt zu sprechen. Der Sondergesandte, der früher chinesischer Botschafter in Moskau war, soll auch nach Russland, Deutschland, Polen und Frankreich reisen.

Russland China Li Hui
Li Hui im Jahr 2019 als damaliger Botschafter Chinas in MoskauBild: Artyom Geodakyan/dpa/TASS/picture alliance

China bemüht sich nach eigener Darstellung im Ukraine-Konflikt um eine neutrale Position und will sich als Vermittler etablieren. Die Volksrepublik hat den russischen Angriff auf die Ukraine bis heute nicht verurteilt.

Sechs afrikanische Länder wollen vermitteln

Sechs afrikanische Länder wollen sich um eine Friedenslösung zwischen Russland und der Ukraine bemühen. Ihre Staatschefs wollten "so bald wie möglich" nach Moskau und Kiew reisen, kündigte der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa in Kapstadt an. Kreml-Chef Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hätten eingewilligt, die "Mission und die afrikanischen Staatschefs zu empfangen". Ramaphosa teilte weiter mit, er habe am Wochenende Telefonate mit Putin und Selenskyj geführt. Dabei habe er eine Initiative präsentiert, die von Südafrika, Sambia, Senegal, der Republik Kongo, Uganda und Ägypten ausgearbeitet worden sei. UN-Generalsekretär António Guterres und die Afrikanische Union (AU) seien über die Initiative informiert worden und hätten sie begrüßt.

Vor allem Südafrika nimmt seit Beginn des russischen Angriffskrieges eine eher neutrale Position ein. Das Land hat sich bisher geweigert, Moskaus Vorgehen gegen die Ukraine offiziell zu verurteilen. Im Februar hatte Südafrika auch Marinemanöver zusammen mit Russland und China abgehalten. Im Westen wurden die südafrikanische Position mit Besorgnis verfolgt.

Russland erlaubt Verkauf von Volkswagen-Werk 

Eine russische Regierungskommission hat den Verkauf des VW-Werks in Kaluga an die Autohändlergruppe Avilon genehmigt. Dies teilte Industrieminister Denis Manturow mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Der deutsche Volkswagen-Konzern hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine seine Geschäftstätigkeit in Russland auf Eis gelegt. Das Werk Kaluga südlich von Moskau verfügt über eine Kapazität von 225.000 Fahrzeugen pro Jahr. Es steht bereits seit März 2022 wegen des Ukraine-Kriegs still.

sti/qu/wa/ehl/jj/ww (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.