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KonflikteUkraine

Aktuell: Baerbock ruft Putin zu Rückkehr zu "New Start" auf

27. Februar 2023

Die Außenministerin appelliert an Putin. Verteidigungsminister Pistorius spricht sich für ein "deutliches Signal" an Russland aus. Die Ukraine fordert weitere Flugabwehrsysteme - "und zwar in großer Zahl". Ein Überblick.

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Schweiz | Sitzung UN Menschenrechtsrates in Genf | Annalena Bearbock
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock - heute als Rednerin bei mehreren Konferenzen in GenfBild: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Baerbock appelliert an Russland zur Einhaltung von "New-Start"
  • Pistorius: NATO "viel stärker" als Putin glaubte
  • USA: Biden gab Druck aus Deutschland nach
  • USA überweisen Kiew 1,25 Milliarden Dollar Wirtschaftshilfe
  • Ukraine: Benötigen eine stärkere Flugabwehr

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Rückkehr zum "New Start"-Abkommen über nukleare Rüstungskontrolle aufgerufen. "Lassen Sie uns gemeinsam Präsident Putin auffordern, zum Neuanfang zurückzukehren und den Dialog über den Vertrag mit den Vereinigten Staaten wieder aufzunehmen", sagte die Grünen-Politikerin am Rande einer Abrüstungskonferenz in Genf. "Ich bin fest davon überzeugt, dass dies im Interesse von uns allen auf der ganzen Welt ist.

"Seit einem Jahr verstoße Russland mit Waffengewalt gegen die grundlegendsten Prinzipien der UN-Charta und des Völkerrechts, kritisierte Baerbock. "Russland untergräbt die Rüstungskontrollarchitektur, auf die wir alle angewiesen sind." Die Kündigung des "New Start"-Vertrags sei "nur der jüngste Schlag" gewesen. Putin hatte vergangene Woche mit "New Start" das letzte große Abkommen über atomare Rüstungskontrolle für ausgesetzt erklärt. Es begrenzt die Atomwaffenarsenale der USA und Russlands und regelt Inspektionen. Die Genfer Abrüstungskonferenz ist das wichtigste multilaterale Verhandlungsforum für Abrüstung und Rüstungskontrolle.

UN-Menschenrechtsrat: Ukraine auf der Tagesordnung

Ebenfalls in Genf verlangte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock weitere Untersuchungen der UN zu Kriegsverbrechen Russlands in der Ukraine. Der UN-Menschenrechtsrat müsse das im März auslaufende Mandat der Untersuchungskommission für die Ukraine verlängern, forderte die Grünen-Politikerin. "Straffreiheit verhindert Gerechtigkeit", warnte Baerbock.

Baerbock prangerte auch Verschleppungen ukrainischer Kinder durch Russland an. "Was könnte abscheulicher sein, als Kinder aus ihrem Zuhause zu holen, weg von ihren Freunden, ihren Lieben", sagte die Grünen-Politikerin angesichts von Berichten über systematische Verschleppungen. Sie versprach: "Wir werden nicht ruhen, bis jedes einzelne Kind wieder Zuhause ist."

UN-Generalsekretär António Guterres prangerte russische Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine scharf an. Der Angriffskrieg Moskaus habe die massivsten Verletzungen der Menschenrechte der heutigen Zeit zur Folge gehabt, sagte Guterres zum Auftakt der 52. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Die Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur hätten viel schreckliches Leid verursacht. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte habe Dutzende Fälle von sexueller Gewalt dokumentiert.

UN-Generalsekretär Guterres bei seiner Rede zur Eröffnung der 52. Sitzung des Menschenrechtsrates in Genf
UN-Generalsekretär Guterres bei seiner Rede zur Eröffnung der 52. Sitzung des Menschenrechtsrates in GenfBild: Denis Balibouse/REUTERS

Guterres berichtete auch von schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht etwa durch Misshandlung von Kriegsgefangenen. Zudem seien Zivilisten verschleppt worden. Die 47 Mitgliedsländer des Menschenrechtsrates sollen unter anderem über eine Verlängerung des Mandats der Kommission zur Ukraine entscheiden. Diese soll Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht ermitteln und Beweise für Gerichtsverfahren sichern. Der Rat tagt bis Anfang April.  

Pistorius: NATO viel stärker als Putin glaubte

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat Überlegungen bestätigt, ein gemeinsames Manöver von amerikanischen, deutschen und polnischen Soldaten in Polen abzuhalten. Das wäre ein sehr deutliches Signal in das NATO-Bündnis hinein, aber auch an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: "Diese NATO ist längst nicht so schwach, wie er geglaubt hat", sagte Pistorius im Ersten Deutschen Fernsehen. "Sie ist viel stärker."

Zudem sei sie "viel einiger" als vor Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Für die Länder im Osten Europas und im Baltikum sei es zudem wichtig zu sehen, dass Deutschland und die USA zu ihrer Verpflichtung der Bündnisverteidigung stünden, betonte der SPD-Politiker.

Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht in ein Mikrophon
Verteidigungsminister Boris Pistorius (kürzlich während eines Besuchs bei der Bundesmarine)Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Pistorius unterstrich zudem Forderungen nach dauerhaft höheren Verteidigungsausgaben in Deutschland. Es werde noch drei Jahre brauchen, bis die 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr ausgegeben seien. "Und danach wird es aber feststehen, dass wir mehr brauchen." Deswegen sei es wichtig, "dass der Etat des Verteidigungsministeriums wächst, deutlich wächst, weil wir sonst die Aufgaben nicht wahrnehmen können, die es 30 Jahre lang nicht wahrzunehmen galt".

USA: Biden gab Druck aus Deutschland nach

US-Präsident Joe Biden hat der Lieferung von "Abrams"-Kampfpanzern in die Ukraine nach Angaben des Weißen Hauses nur aufgrund des Drucks aus Deutschland zugestimmt. "Er hat sich ursprünglich dagegen entschieden, sie zu schicken, weil sein Militär sagte, dass sie auf dem Schlachtfeld in diesem Kampf nicht nützlich seien", sagte Bidens Sicherheitsberater Jake Sullivan dem Sender ABC. Nützlich hingegen seien deutsche "Leopard"-Panzer, habe es geheißen.

Kampfpanzer "Abrams" bei einer Militärübung in winterlicher Landschaft
Ein Kampfpanzer "Abrams" bei einer MilitärübungBild: Armin Weigel/dpa/picture alliance

"Aber die Deutschen sagten dem Präsidenten, dass sie nicht bereit seien, diese Leoparden in den Kampf zu schicken (...), solange der Präsident nicht zustimme, auch Abrams zu schicken", erläuterte Sullivan. Im Interesse "der Einheit des Bündnisses" und "um sicherzustellen, dass die Ukraine bekommt, was sie will", habe Biden der langfristigen Lieferung von Abrams-Panzern zugestimmt - obwohl die Abrams nicht das seien, was die Ukraine im Moment brauche, bekräftige der amerikanische Sicherheitsberater.

USA überweisen Kiew 1,25 Milliarden Dollar Wirtschaftshilfe

US-Finanzministerin Janet Yellen hat der Ukraine bei einem Besuch in Kiew zugesichert, die USA würden dem Land so lange wie notwendig zur Seite stehen. Yellen äußert sich damit ähnlich wie US-Präsident Joe Biden, der in der vergangenen Woche, ebenfalls öffentlich nicht vorab angekündigt, in die Ukraine gereist war.

Janet Yellen an der Gedenkmauer für die ukrainischen Gefallenen vor der Kathedrale des Heiligen Michael in Kiew
Janet Yellen an der Gedenkmauer für die ukrainischen Gefallenen vor der Kathedrale des Heiligen Michael in KiewBild: Thibault Camus/AP/picture alliance

Yellen kündigte bei einem Treffen mit Präsident Wolodymyr Selenskyj die Überweisung der ersten 1,25 Milliarden Dollar Wirtschaftshilfe aus der neuen Tranche von fast zehn Milliarden Dollar zusätzlicher Hilfsgelder an. Laut Yellens Angaben haben die Vereinigten Staaten dem von Russland angegriffenen Land bereits mehr als 46 Milliarden Dollar an Sicherheits-, Wirtschafts- und humanitärer Hilfe zur Verfügung gestellt

Russland: Medwedew warnt vor "Apokalypse" 

Die fortgesetzten Waffenlieferungen an die Ukraine bergen nach Ansicht des russischen Ex-Präsidenten Dmitri Medwedew das Risiko einer globalen nuklearen Katastrophe. Natürlich könne das "Hineinpumpen von Waffen" weitergehen und "jede Möglichkeit der Wiederaufnahme von Verhandlungen verhindern", sagte der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates der regierungsnahen Tageszeitung "Iswestija".

"Unsere Feinde tun genau das und wollen nicht begreifen, dass ihre Ziele mit Sicherheit zu einem totalen Fiasko führen werden. Ein Verlust für alle. Ein Zusammenbruch. Apokalypse. Wo man für Jahrhunderte sein früheres Leben vergisst, bis die Trümmer aufhören zu strahlen", so Medwedew.

Dmitri Medwedew, Dmitri Peskow und Wladimir Putin (Archivfoto vom Mai 2018)
Dmitri Medwedew, Dmitri Peskow und Kremlherrscher Wladimir Putin (v.l. - Archivfoto vom Mai 2018)Bild: MIKHAIL KLIMENTYEV/SPUTNIK/AFP/Getty Images

Verhaltene russische Reaktion auf Chinas Friedensplan

Auch mit Blick auf den chinesischen Zwölf-Punkte-Plan zur Beilegung des Krieges sieht die Regierung Moskau die Voraussetzungen für eine "friedliche" Lösung derzeit nicht gegeben. "Wir betrachten den Plan unserer chinesischen Freunde mit großer Aufmerksamkeit", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. "Im Moment sehen wir nicht die Voraussetzungen dafür, dass die Sache einen friedlichen Weg einschlagen könnte", sagte Peskow und fügte hinzu, der "militärische Sonder-Einsatz" in der Ukraine gehe weiter.

Zum ersten Jahrestag des Beginns der russischen Invasion am vergangenen Freitag hatte China ein Positionspapier vorgelegt und darin unter anderem einen Waffenstillstand und Verhandlungen gefordert. Westliche Diplomaten und Experten reagierten skeptisch und enttäuscht, da das Zwölf-Punkte-Dokument keine neue Initiative erkennen lasse. Zudem gilt China als enger Verbündeter Russlands und hat den Einmarsch in die Ukraine nie klar verurteilt.

Ukraine: Benötigen eine stärkere Flugabwehr

Die Ukraine benötigt nach den Worten ihres Luftwaffenchefs vom Westen noch weitere Waffen für ihre Flugabwehr. "Wir erwarten derzeit die Lieferung von Patriot- und SAMP/T-MAMBA-Flugabwehrraketensystemen", sagte Generalleutnant Mykola Oleschtschuk im Gespräch mit einem ukrainischen Onlineportal für Militärthemen. "Sie werden das Luftverteidigungssystem unseres Landes erheblich stärken." Doch sei dies nicht genug.

Ein gefechtsbereites Flugabwehrraketensystem vom Typ Patriot der Bundeswehr steht auf dem Flugfeld des Militärflughafens Schwesing
Gefechtsbereites Flugabwehrsystem vom Typ "Patriot"Bild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

"Wir brauchen mehr technologisch fortschrittliche Waffen, die uns helfen, die Ordnung am Himmel schnell wiederherzustellen und ihn von der Präsenz der Terroristen zu befreien", betonte Oleschtschuk. Der General fügte seinen Worten gleich eine Wunschliste hinzu: "Moderne Mehrzweckflugzeuge und Flugabwehrraketensysteme mittlerer und großer Reichweite, und zwar in großer Zahl".

Russische Armee spricht von neuer Offensive im Raum Donezk

Das russische Militär spricht bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine nun von einer Offensive im Gebiet Donezk mit Artilleriefeuer und Luftschlägen. Im Gebiet der Stadt Bachmut sei ein Munitionslager der ukrainischen Streitkräfte getroffen worden, teilte ein Sprecher mit. Mit Unterstützung von Kampfjets habe die russische Artillerie Panzer, Panzertechnik und Fahrzeuge der ukrainischen Streitkräfte zerstört. In dem Kiewer Vorort Browary sei ein Zentrum der elektronischen Aufklärung der ukrainischen Truppen getroffen worden. Überprüfbar waren die Angaben von unabhängiger Seite nicht. Allerdings stehen die ukrainischen Streitkräfte auch nach Angaben der Führung in Kiew seit Wochen in der Region unter Druck.

Hochrangiger ukrainischer Befehlshaber gefeuert

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen hochrangigen militärischen Befehlshaber gefeuert, der bislang im Osten des Landes gegen die russischen Truppen kämpfte. In einem einzeiligen Dekret gab Selenskyj die Entlassung von Eduard Moskaljow bekannt, Kommandeur der Streitkräfte der Ukraine. Der Präsident nannte keinen Grund für die Absetzung. Moskaljow kam im März 2022 - kurz nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine - auf seinen Posten im Donbass.

Die Kämpfe im Osten der Ukraine zählen zu den derzeit heftigsten im ganzen Land. Insbesondere rund um die Stadt Bachmut im Gebiet Donezk kommt es seit Wochen zu äußerst blutigen und verlustreichen Gefechten. Auch mithilfe westlicher Waffen peilt die angegriffene Ukraine bereits in diesem Frühjahr eine Gegenoffensive zur Befreiung besetzter Gebiete an.

Selenskyj: Halbinsel Krim wird wieder befreit

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat zum Jahrestag der Besetzung der Krim durch Russland den Willen seiner Regierung bekräftigt, die Halbinsel wieder aus dem russischen Machtbereich herauszulösen. "Im Jahr 2014 begann die russische Aggression mit der Einnahme der Krim", sagte Selenskyj in einer Videoansprache am Sonntagabend. "Es ist logisch, dass wir mit der Befreiung der Krim allen Versuchen Russlands, das Leben der Ukrainer und aller Völker Europas und Asiens zu ruinieren, deren Unterwerfung der Kreml einst für sich in Anspruch nahm, ein historisches Ende setzen werden."

Tauben fliegen am Strand von Sewastopol auf der Krim vor einem Fernsehbildschirm, der den russischen Präsidenten Putin während seiner jährlichen Rede zur Lage der Nation zeigt
Sewastopol auf der Krim während einer Rede von Kremlchef Putin (21.02.2023)Bild: AP/dpa/picture alliance

Selenskyj rief die Medien seines Landes auf, verstärkt darauf hinzuweisen, "dass die Ukraine niemanden im Stich lässt, niemanden dem Feind überlässt". Zugleich gab sich der Staatschef zuversichtlich: "Das Völkerrecht wird sich hier durchsetzen auf dem Boden der Ukraine: im Donbass, in Asow, in Cherson und auf der Krim."

Russland hatte die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim im Frühjahr 2014 unter seine Kontrolle gebracht. Ein gesteuertes Referendum über die Eingliederung in die Russische Föderation führte schließlich zur Annexion der Krim durch Moskau.

Belarussische Opposition: "Haben russisches Flugzeug zerstört"

In Belarus haben Regierungsgegner nach eigenen Angaben mit einem Drohnenangriff einen russischen Militärjet zur Luftraumüberwachung auf einem Flugplatz in der Nähe der Hauptstadt Minsk zerstört. Die Vorderseite und der Mittelteil der Berijew A-50 sowie deren Radarantenne seien durch zwei Explosionen am Sonntag beschädigt worden, teilte die belarussische Anti-Regierungsorganisation Bypol mit. Es sei der erfolgreichste Sabotageakt seit Anfang vergangenen Jahres gewesen, sagte ein Berater der im Exil lebenden belarussischen Oppositionsanführerin Swetlana Tichanowskaja. Der polnische Nachrichtensender Belsat meldete unter Berufung auf Bypol, die an der Aktion beteiligten Belarussen befänden sich mittlerweile außer Landes in Sicherheit. 

Ein russischer Militärjet vom Typ Berijew A-50 (Archivbild)
Ein russischer Militärjet vom Typ Berijew A-50 (Archivbild) Bild: Alexander Zemlianichenko/REUTERS

Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Eine Stellungnahme von russischer oder belarussischer Seite war bisher nicht zu erhalten. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat es in Belarus und an die Ukraine angrenzenden russischen Regionen mehrere Sabotagevorfälle gegeben. Ziel war insbesondere das Eisenbahnnetz. Belarus ist ein enger Alliierter Russlands.

qu/as/sti/AR/wa/cw (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.