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Politik

Aktuell: AKW Saporischschja erneut beschossen

11. August 2022

Das von der russischen Armee besetzte Atomkraftwerk ist erneut beschossen worden. Bei einer Konferenz in Dänemark gab es Milliarden-Zusagen an Kiew für militärische Hilfe. Ein Überblick.

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Ukraine-Krieg | Atomkraftwerk Saporischschja
Bild: ALEXANDER ERMOCHENKO/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ukranisches AKW Saporischschja erneut unter Beschuss
  • Geberkonferenz sammelt 1,5 Milliarden Euro für Ukraine 
  • Lettisches Parlament nennt Moskau "staatlichen Terrorismus-Sponsor"
  • Moskau gegen diplomatische Vertretung Kiews durch die Schweiz
  • EU-Staaten dürfen keine russische Kohle mehr kaufen

 

Die Ukraine hat nach russischen Angaben das Atomkraftwerk Saporischschja am Donnerstag erneut unter Beschuss genommen. Das Kraftwerk sei mit schwerer Artillerie und Raketenwerfern angegriffen worden, teilte der Vertreter der Besatzungsbehörden, Wladimir Rogow, im Nachrichtenkanal Telegram mit. Geschossen werde aus Ortschaften, die unter ukrainischer Kontrolle stünden. Überprüfbar waren die Angaben nicht. 

Der ukrainische Kraftwerksbetreiber Enerhoatom dagegen machte Russland für den Beschuss verantwortlich. Ebenfalls auf Telegram berichtete der Versorger, auf dem Gelände seien mehrere Geschosse eingeschlagen. Niemand sei verletzt worden. Es habe keinen Brand gegeben und es gebe auch keine erhöhten Radioaktivitätswerte

Die Ukraine wirft den russischen Truppen vor, das AKW als Festung für Angriffe zu nutzen. Die prorussischen Separatisten wiederum beschuldigen die ukrainischen Streitkräfte, mit Beschuss den Westen zum Eingreifen in den Konflikt bewegen zu wollen. 

UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich abermals besorgt über die Lage. Er rief die russischen und die ukrainischen Streitkräfte auf, jegliche militärische Aktion an dem Gelände unmittelbar einzustellen. In einer Erklärung appellierte er an den gesunden Menschenverstand, alles dafür zu tun, damit das Kraftwerk nicht beschädigt werde. Alles andere hätte katastrophale Konsequenzen, warnte Guterres.

Sitzung des UN-Sicherheitsrates

Angesichts der Gefahr einer nuklearen Katastrophe im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja wird sich der UN-Sicherheitsrat nach Angaben aus diplomatischen Kreisen an diesem Donnerstag zu einer Krisensitzung treffen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP hat Russland die Sitzung beantragt.

Seit Tagen wird aus der Gegend um das AKW heftiger Beschuss gemeldet. Moskau und Kiew machen sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Die im Süden der Ukraine gelegene Anlage ist das größte Atomkraftwerk Europas. Es ist seit Anfang März von der russischen Armee besetzt.

Geberkonferenz sammelt 1,5 Milliarden Euro

Bei der Geberkonferenz in Kopenhagen zur Finanzierung militärischer Hilfen für die Ukraine sind nach Angaben des dänischen Verteidigungsministers Morten Bodskov über anderthalb Milliarden Euro zusammengekommen. An der Konferenz waren 26 Länder beteiligt. Für Deutschland war Staatssekretär Benedikt Zimmer aus dem Bundesverteidigungsministerium dabei. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace sagte, die russische Armee erreiche in vielen Bereichen ihre Ziele nicht. Es sei unwahrscheinlich, dass es ihr je gelingen werde, das ganze Land zu erobern. In einer gemeinsamen Erklärung bekannten sich die Staaten zur weiteren und nachhaltigen militärischen Unterstützung für die Ukraine. Ein nächstes Treffen ist im September online geplant.

Die Leiche eines in Butscha getöteten Ukrainers (Archivfoto vom 4. Mai)
Die Leiche eines in Butscha getöteten Ukrainers (Archivfoto vom 4. Mai) Bild: Dogukan Keskinkilic/AA/picture alliance

Lettlands Parlament stuft Russland als Terrorstaat ein

Das lettische Parlament brandmarkt Russland wegen des Kriegs in der Ukraine offiziell als "staatlichen Terrorismus-Sponsor". Lettland stufe Russlands Vorgehen in der Ukraine als gezielten Völkermord am ukrainischen Volk ein, heißt es in einer Entschließung der Volksvertretung in Riga. Westliche Nationen werden aufgefordert, ihre militärische, finanzielle, humanitäre und diplomatische Unterstützung für die Ukraine zu verstärken und Initiativen zu unterstützen, die Russlands Vorgehen verurteilen.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärte, er sei dankbar für die Resolution des lettischen Parlaments. Russland wies die Einstufung dagegen entschieden zurück. "Wenn man bedenkt, dass hinter dieser Entscheidung außer animalischer Fremdenfeindlichkeit keine Substanz steckt, ist es notwendig, die Ideologen als nichts anderes als Neonazis zu bezeichnen", schrieb die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, auf Telegram.

Selenskyj: Die Armee über den Feind und Kollaborateure informieren   

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seine Landsleute in den von Russland besetzten Gebieten zum Widerstand aufgerufen. Sie sollten den ukrainischen Streitkräften über sichere Kanäle Informationen zum Feind oder über Kollaborateure übermitteln, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Der Staatschef äußerte auch die Erwartung, dass die russischen Besatzer bald die Flucht ergreifen. "Sie haben bereits das Gefühl, dass die Zeit gekommen ist, aus Cherson und im Allgemeinen aus dem Süden unseres Landes zu fliehen. Es wird eine Zeit geben, in der sie aus dem Gebiet Charkiw, aus dem Donbass und von der Krim fliehen werden."

Grund für Explosionen auf der Krim unklar

Selenskyj erinnerte an die Explosionen auf einem russischen Luftwaffenstützpunkt auf der Halbinsel Krim am Dienstag. Dort seien auf einen Schlag neun russische Kampfflugzeuge zerstört worden. Dabei haben nach inoffiziellen Angaben Partisanen, die loyal zur Ukraine stehen, eine Rolle gespielt. 

Krim | Satellitenaufnahme Saki Air Flugbasis nach Explosion
Die Saki Air Base auf der Krim nach der Explosion vom Mittwoch auf einem SatellitenbildBild: Planet Labs PBC/AP/picture alliance

"Kriegsdauer hängt von russischen Verlusten ab"

In seiner Ansprache kündigte Selenskyj auch Vergeltung für russische Luftangriffe auf das Gebiet Dnipropetrowsk im Osten der Ukraine an. Bei einem Beschuss der Stadt Marhanez waren in der Nacht zu Mittwoch 13 Menschen getötet und zehn verletzt worden.

Der Präsident erklärte, die Ukraine müsse überlegen, wie man den russischen Kräften so viel Schaden wie möglich zufügen könne, um den Krieg zu verkürzen. Wie lange der Krieg noch dauere, hänge von den russischen Verlusten ab. Dafür wiederum komme es auf die Militärhilfe durch das Ausland an. Je entschiedener diese ausfalle, desto eher könnten die Ukraine und Europa wieder in Frieden leben.

Trümmer und zerstörte Fenster im Flur eines zerstörten Schulgebäudes in der ukrainischen Stadt Marhanez
Zerstörtes Schulgebäude in Marhanez (Quelle: Ukrainische Notfallbehörde)Bild: State Emergency Service of Ukraine/REUTERS

Wieder Beschuss im Osten

Auch in der Nacht zu Donnerstag hat Russland den Osten der Ukraine nach deren Angaben unter Beschuss genommen. In der Gegend um die Stadt Nikopol seien 120 Raketen eingeschlagen, teilte der Gouverneur von Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, mit. Dabei seien mindestens drei Menschen getötet und mehrere verwundet worden. Um die Stadt Pisky im Bezirk Donezk soll es schwere Kämpfe geben.

Finanzielle Atempause für Kiew

Ausländische Gläubiger räumen der Ukraine einen zweijährigen Aufschub für anstehende Anleihe-Zahlungen im Wert von fast 20 Milliarden Dollar ein. Damit kann das Land einen Zahlungsausfall vermeiden, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Dokument hervorgeht. Demnach stimmten die Inhaber von rund 75 Prozent der ausstehenden Anleihen dem Vorschlag aus Kiew zu.

"Die Ukraine wird fast sechs Milliarden Dollar an Zahlungen einsparen", sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal. "Diese Mittel werden uns helfen, die makrofinanzielle Stabilität zu erhalten, die Nachhaltigkeit der ukrainischen Wirtschaft zu stärken und die Schlagkraft unserer Armee zu verbessern."

Litauen: Transit nach Kaliningrad wird teilweise gestoppt

Litauen hat erneut Einschränkungen beim Güterverkehr in die russische Exklave Kaliningrad angekündigt. Wie die litauische Staatsbahn mitteilte, wird der Transit bestimmter russischer Güter ausgesetzt, bei denen eine Obergrenze erreicht wurde. Betroffen seien vor allem Eisen- und Stahlprodukte, Holz, Düngemittel und das Kühlmittel Ethylenglykol.

Russland Kaliningrad | Güterzüge warten auf Transit durch Litauen
Ein Güterzug am Grenzbahnhof der litauischen Stadt Kybartai (Archivbild)Bild: Mindaugas Kulbis/AP/dpa/picture alliance

Mitte Juni hatte das EU-Mitglied Litauen den Güterverkehr zwischen Russland und der Exklave beschränkt. Waren, die unter die EU-Sanktionen gegen Russland fallen, konnten nicht mehr mit der Bahn von Russland über Litauen nach Kaliningrad gebracht werden. Der Kreml reagierte empört. Darauf hin verständigten sich Moskau und die EU darauf, den Transport von Gütern nach bestimmten Quoten zuzulassen. Kaliningrad liegt an der Ostsee zwischen Litauen und Polen und hat keine direkte Landverbindung nach Russland.

Estland beschränkt Einreise für russische Staatsbürger

Estland verschärft die Visa-Regelungen für Menschen aus Russland und beschränkt deren Einreise. Die Regierung in Tallinn beschloss, dass russische Staatsbürger vom 18. August an nicht mehr mit einem von Estland ausgestellten Schengen-Visum einreisen dürfen. Ausgenommen von der Regelung sind Russen, deren Heimatland Estland ist oder die ihren ständigen Wohnsitz in dem baltischen EU- und NATO-Staat haben. Weiter einreisen dürfen auch russische Bürger mit von anderen EU-Mitgliedern ausgestellen Visa.

Der estnische Außenminister Urmas Reinsalu
Estlands Außenminister Reinsalu will, dass die gesamte EU die Vergabe von Schengen-Visa für russische Bürger aussetztBild: GINTS IVUSKANS/AFP/Getty Images

"Wir sehen, dass die Zahl der russischen Bürger, die durch Estland reisen oder aus Russland nach Estland kommen, massiv zugenommen hat", sagte Außenminister Urmas Reinsalu. Die Möglichkeit, massenhaft Estland zu besuchen oder über das Land nach Europa zu gelangen, entspreche jedoch nicht dem Zweck der verhängten Sanktionen. Reinsalu kündigte zudem an, dass Estland noch im August der EU einen Vorschlag unterbreiten werde, die Vergabe von Schengen-Visa für russische Bürger auszusetzen. Dafür hatten sich zuletzt auch Finnland und Lettland stark gemacht.

Ukraine einigt sich mit Schweiz auf Vertretung in Moskau

Die Schweiz soll die Ukraine nach deren Willen diplomatisch in Russland vertreten. Das Außenministerium in Kiew teilte mit, die Wahrnehmung der Interessen sei mit der Schweiz bereits bilateral vereinbart worden. Das Land habe "große Erfahrung bei der Erfüllung solcher Funktionen", sagte ein Sprecher. Nach Angaben ukrainischer Medien bestätigte das Schweizer Außenministerium die Einigung, verwies aber auf die fehlende Zustimmung aus Moskau.

Das Gebäude der Schweizer Botschaft in Moskau mit der davor verlaufenden Straße
Schweizer Botschaft in MoskauBild: Petra Orosz/KEYSTONE/picture alliance

Das russische Außenministerium verwies auf Äußerungen von Minister Sergej Lawrow, wonach man keine Vermittlung eines Landes akzeptieren werde, das sich Sanktionen angeschlossen habe. Die Neutralität der Schweiz sei durch deren Übernahme der EU-Sanktionen entwertet, heißt es in einer Stellungnahme, aus der die Zeitung "Kommersant" zitierte.

Kiew hatte die diplomatischen Beziehungen zu Moskau am 24. Februar abgebrochen. An diesem Tag begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Kohleembargo ist in Kraft

Die EU-Staaten dürfen ab sofort keine Kohle mehr aus Russland importieren. In der Nacht zu Donnerstag endete die Übergangsperiode für das Kohleembargo, das die EU-Staaten als Teil des fünften Sanktionspakets im April beschlossen hatten. Damit sich die Industrie auf das Einfuhrverbot einstellen konnte, einigten sich die Länder damals auf eine Übergangsfrist von 120 Tagen.

Kohle-Haufen und anderes Massengut liegt aufgeschüttet im Hafen von Rotterdam, im Hintergrund sind Container und große Krähne zu sehen
Kein "Schwarzes Gold" mehr aus Russland: Kohle im Hafen von RotterdamBild: Jochen Tack/picture alliance

Ziel des Importstopps ist es, die russische Wirtschaft weiter zu schwächen. Nach Angaben der EU-Kommission im April könnte das Kohleembargo ein Minus von rund acht Milliarden Euro pro Jahr für Russland bedeuten. Der Verein der Kohlenimporteure (VdKi) rechnet trotz des Importverbots nicht mit Lieferengpässen in Europa, da Kohle auf dem Weltmarkt verfügbar sei. 

 

sti/uh/gri/ww/jj (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.