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Twittern mit den Taliban

Waslat Hasrat-Nazimi10. April 2012

Die afghanischen Taliban haben mit Verspätung Facebook und Twitter für ihre Propaganda-Zwecke entdeckt. Über die sozialen Netzwerke wollen sie vor allem die Jugendlichen des Landes für sich gewinnen.

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Die afghanischen Taliban haben auf ihrer offiziellen Webseite seit kurzem ein Forum eingerichtet, um religiöse Fragen von Nutzern zu beantworten und Auskünfte über ihre Ideologie zu erteilen. Die Antworten gibt der Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid persönlich. Ein Jugendlicher sorgt sich zum Beispiel um seine Freiheiten, falls die Taliban wieder an die Macht kommen, und fragt: “Wird das islamische Emirat extremistisch sein, wie es in der Vergangenheit war, und Gewalt gegen Jugendliche einsetzen? Müssen Jugendliche wieder Bärte tragen, ihre Haare abrasieren und wird ihnen Fernsehen und Musik verboten sein?" Der Taliban-Sprecher antwortet auf diese konkreten Fragen nur indirekt: "Afghanische Jugendliche sind Muslime. Sie folgen den islamischen Praktiken. Diese Regeln sind nicht von uns, sondern von Gott befohlen, und wir müssen sie einhalten.“ Immerhin wolle man danach streben, dass nur die "notwendigen“ Regeln in der Gesellschaft durchgesetzt würden und dass "unnötige“ Regeln nicht wiederholt würden.

Ob der jugendliche Fragesteller mit dieser Antwort zufrieden war, ist nicht bekannt. Zu beobachten ist jedenfalls, dass die Taliban verstärkt die Jugendlichen des Landes, die die Hälfte der Bevölkerung stellen, ansprechen wollen. Während ihrer Herrschaft von 1996 bis 2001 waren visuelle Medien jeglicher Art verboten. Inzwischen scheinen die Taliban jedoch den Nutzen dieser Medien erkannt zu haben, wie schon Al Kaida und Osama bin Laden zuvor. "Erst nach ihrem Sturz haben die Taliban begonnen, diese Medien für ihre Propaganda einzusetzen“, so der afghanische Extremismus-Experte Wahid Mojda. "Sie haben sich dem Wandel der Zeit angepasst, um den Krieg auch in den Medien zu gewinnen“. Vor allem auf soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter richte sich das Interesse der Taliban, so Mojda.

Neben den Schusswaffen bedienen sich die Taliban auch der sozialen Netzwerke im Internet. (Foto: AP)
Neben den Schusswaffen bedienen sich die Taliban auch der sozialen Netzwerke im Internet.Bild: dapd

Wettkampf via Twitter

Auch der Schutztruppe ISAF ist nicht entgangen, dass sich da ein neuer, virtueller,  Kriegsschauplatz eröffnet hat. Öffentlich lässt sich zwischen den Twitter-Accounts @ABalkhi und @ISAFmedia ein virtueller Schlagabtausch verfolgen. Die ISAF versucht auf diese Weise beispielsweise übertriebene Opferzahlen und andere Falschmeldungen richtigzustellen. Auf Anfrage der DW sagte ein ISAF-Sprecher: "Unsere User schätzen die Möglichkeit, sachliche Informationen aus einer offiziellen ISAF-Quelle zu schöpfen, auf einer Plattform, die sie ohnehin meist nutzen“. Über 24.700 Twitter-Follower und fast 100.000 Likes auf Facebook sprächen für sich.

Mit diesen Zahlen können die Taliban noch nicht mithalten. Um vor allem bei Jugendlichen aufzuholen, bedienen sie sich inzwischen auch einer neuen Sprache, so der afghanische Medienexperte Amin Azimi. "Seit etwa 2008 präsentieren sich die Taliban moderater, was sich auch in einer stärker patriotisch geprägten Rhetorik äußert. Es ist viel von der Nation die Rede, von Freiheit, vom Ende der Besatzung, aber nicht mehr so viel vom gottlosen Westen.“ Auch der Extremismus-Experte Mojda sieht hier den Versuch der Taliban, sich ein neues Image zu verpassen. "Zielgruppe ist vor allem die Jugend, die sie auf diese Weise an sich binden wollen.“ Dem jugendlichen Nutzer im Forum ist seine Frage vielleicht nicht beantwortet worden, seine Vorstellung von den gewalttätigen Taliban hat sich jedoch wahrscheinlich geändert: 1: 0 im virtuellen Krieg Afghanistans.