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TTC: Es hakt zwischen den USA und der EU

Silja Thoms
6. Dezember 2022

Im Rahmen des Handels- und Technologierats haben sich Vertreter der EU und der USA in Washington getroffen. Trotz einiger Fortschritte bleiben Fragen offen. Besonders ein Konflikt trieb EU-Minister um.

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USA | Handelsdiskussion zwischen den USA und der Europäischen Union
EU-Kommissare Dombrovskis und Vestager mit US-Außenminister Blinken, Wirtschaftsministerin Raimondo und der Handelsbeauftragen Tai (v.l.n.r.)Bild: SAUL LOEB/AFP

Drei EU- und drei USA-Flaggen stehen sorgfältig aneinandergereiht mitten auf dem Campus der Universität von Maryland in der Nähe von Washington D.C. Der Campus ist diese Woche Treffpunkt für Vertreter der USA und der Europäischen Union, es geht um den Handels- und Technologie-Rat (TTC). Dieses Forum will gemeinsame Projekte in Handel, Wirtschaft und Technologie koordinieren. Dass ausgerechnet die Universität Maryland ausgewählt wurde, ist kein Zufall, denn die Universität hat einen starken Tech-Fokus.  

Genau dieser Fokus auf Technologiefragen ist auch aus der gemeinsamen Erklärung der beiden Handelspartner klar herauszulesen. Im Mittelpunkt stehen der Datenschutz, eine Verbesserung der Technologie, eine Sicherung und Verbesserung der Halbleiter-Lieferketten sowie künstliche Intelligenz.

Überschattet wurde das Treffen für die Europäische Union allerdings im Voraus vom Streit über ein US-amerikanisches Gesetzespaket, das Anti-Inflations-Paket (IRA) - einer Initiative der Biden-Regierung. Gedacht ist es als Klimaschutz- und Sozialpaket, das insgesamt 369 Milliarden US-Dollar für die Energiesicherheit und den Klimaschutz bereitstellt. Vorgesehen sind unter anderem Subventionen für Elektroautos, Batterien und Projekte zu Erneuerbaren Energien. Allerdings, und das ist der Streitpunkt, nur für Produkte, die in den USA produziert werden. Die EU wirft den USA Protektionismus vor und befürchtet, dass dadurch europäische Unternehmen benachteiligt werden. 

"Wir fordern, dass wir den diskriminierenden Bestimmungen nicht unterworfen werden und dass europäische Unternehmen und europäische Exporte in den USA genauso behandelt werden wie US-Unternehmen und US-Exporte in Europa", so EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis vorab im Gespräch mit der DW. Auch EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen forderte eine "strukturelle Antwort" auf die "neue selbstbewusste Industriepolitik" der USA.

Droht ein Handelskrieg? 

Droht nun also ein Handelskrieg zwischen den USA und der Europäischen Union? Nein, sagen Experten. “Von einem Handelskrieg zu sprechen, ist übertrieben”, sagte Tyson Barker, Programmleiter für Technologie und Außenpolitik von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) der DW. Es sei abzuwarten, was die einzelnen Bestimmungen des Gesetzes ab Januar in den USA bringen. Doch in den Vereinigten Staaten sei man bereit, pragmatisch an die Sache heranzugehen. “Es gibt einen gewissen Spielraum in der Formulierung des Gesetzes, der es dem Weißen Haus ermöglichen könnte, dies für Partner wie Europa, Japan und Südkorea besser zugänglich zu machen”, so Barker nach dem Treffen des TTCs.  

Vertreter der EU und der USA sitzen am Verhandlungstisch
Die EU und USA einigen sich auf ein Frühwarnsystem für HalbleiterengpässeBild: Saul Loeb/AP/picture alliance

Auch Emily Benson vom Center for International and Strategic Studies (CSIS) hält einen Handelskrieg für vermeidbar. “Es ist nicht klar, ob dies wirklich eine US-Politik ist, die absichtlich darauf abzielte, mehr europäische Industrie vom Kontinent weg und in die Vereinigten Staaten zu locken”, so Benson. Es sei für die Diskussion von Vorteil, die Pausentaste zu drücken und wirklich neu zu bewerten, was dies im Hinblick auf den Aufbau der grünen Wirtschaft der Zukunft bedeute. 

Tatsächlich gilt der "Inflation Reduction Act" (IRA) als das wichtigste Klimagesetz in der Geschichte der USA. “Es handelt sich um die weltweit größte politische Anstrengung zur Verringerung des CO2-Fußabdrucks”, so Barker. Es sei auch ein Gewinn für Europa. Beigelegt ist der Konflikt rund um die E-Autos damit aber nicht: "Wir verlassen diese Sitzung etwas optimistischer, als wir in diese Sitzung hineingegangen sind", sagte Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis in. Trotzdem gebe es "noch viel zu tun".

Was wurde noch beim TTC beschlossen? 

Trotz der Sorgen der Europäischen Union bezüglich des “Inflation Reduction Acts” und des Streits um E-Autos war das Gesetzespaket nicht das einzige Thema des TTC. Obwohl es keine großen Durchbrüche seit dem letzten Treffen im Mai gab, konnten sich die EU und die USA auf ein Frühwarnsystem für Halbleiterengpässe einigen. "Die letzten Jahre haben uns allen vor Augen geführt, wie wichtig es ist, widerstandsfähige Lieferketten zu haben“, erklärte US-Außenminister Antony Blinken. Ziel der Kooperation seien "vielfältigere und widerstandsfähigere Lieferketten, von denen die Industrien auf beiden Seiten des Atlantiks profitieren".

Außerdem wollen die EU und die USA Projekte fördern, mit denen Infrastrukturen wie strategische Überland- und Tiefseekabel widerstandsfähiger gemacht werden sollen. Dafür sollen in Jamaika zum Beispiel über Tausend öffentliche Schulen und Kinderheime ans Netz angebunden werden. Ein ähnliches Projekt wird mit der Regierung in Kenia entwickelt. 

Gemeinsame Haltung gegen Russland, unklar bei China

Bei dem Treffen in Maryland verurteilten die Minister der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten erneut den "rechtswidrigen und ungerechtfertigten Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine." Sie wollen die Ukraine weiterhin bei der Sicherung, Instandhaltung und dem Wiederaufbau ihrer Infrastruktur unterstützen. Dazu gehören auch die Telekommunikations- und Internetinfrastruktur. 

Symbolbild: Container mit chinesischer Fahne
Die EU und die USA wollen chinesischem Einfluss in der Technologiebranche entgegentretenBild: Christian Ohde/Chromorange/picture alliance

Gegründet wurde der Handels- und Technologierat 2021 auch für gemeinsame Strategien, um sich beim Handel, im Wettbewerb und in der Technologie-Entwicklung gegenüber China zu behaupten - ohne dass China unbedingt namentlich erwähnt wird. Oft werden in den Erklärungen stattdessen Codewörter verwendet wie “nicht marktwirtschaftlich”. In der China-Frage sind sich die Partner allerdings nicht vollständig einig. Die USA fordern zum Beispiel von ihren Verbündeten, die verschärften Exportkontrollen für Chip-Hersteller der USA nach China mitzutragen. Das würde unter anderem die niederländische Firma ASML, aber auch einige deutsche Unternehmen betreffen. Während die USA China vor allem als Bedrohung wahrnehmen, sei die EU nicht unbedingt derselben Ansicht, so Barker. "Die Kommission kann die 27 Mitgliedstaaten nicht mit Nachdruck in der China-Frage vertreten, weil es keine einheitliche Meinung gibt", sagte Barker. 

Wie könnte die Kooperation in Zukunft aussehen? 

Beide Seiten des Handels- und Technologierates sind bei den Wirtschafts- und Technologiefragen aufeinander angewiesen und brauchen die Märkte der jeweils anderen Seite. Der TTC hat sich für sein nächstes Treffen in Schweden im kommenden Jahr ehrgeizige Ziele gesetzt. "Der TTC wurde eigentlich konzipiert, um neue Wege zu beschreiten und Handelsstreitigkeiten hinter sich zu lassen", erklärt Benson. "Doch schon jetzt sehen wir, dass der TTC diesem alten Problem, den komplizierten transatlantischen Handelsbeziehungen der letzten Jahrzehnte, zum Opfer fällt." Dies sei also ein kritischer Zeitpunkt, um sicherzustellen, dass der TTC in Zukunft wirklich seinen Zweck erfüllt.