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Bürger begeistert, Politiker kritisch

Till Janzer 7. August 2008

Die Tschechen fiebern den Olympischen Spielen entgegen, ihre politischen Vertreter nicht. Während die EU einen Boykott verworfen hat, lehnen die tschechischen Regierungspolitiker einen offiziellen Besuch von Olympia ab.

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Bunt bemalter Aktivist fordert Olympiaboykott (12. 04. 2008/dpa)
Aktivisten aus allen Ländern der Welt fordern einen OlympiaboykottBild: picture-alliance/ dpa

Deutliche Worte fand vor allem der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg – und das bereits im April. Da war ein allgemeiner Boykott der Olympischen Spiele durch die europäischen Politiker gerade vom Tisch. Er meinte dennoch, dass sich alle europäischen Völker durch den Fall aus dem Jahre 1936 belehren lassen sollten.

Damals habe Hitler in Berlin auch Olympische Spiele organisiert und davon profitiert. Leni Riefenstahls Film über die Berliner Olympiade sei sogar ausgezeichnet gewesen. "Aber ein solcher Missbrauch des olympischen Gedankens für die Propagierung von Diktaturen sollte nie wieder passieren", sagte Schwarzenberg.

Vereinter Olympiaboykott

Olympische Ringe
Die tschechische Bevölkerung freut sich auf die Spiele

Der von den tschechischen Grünen nominierte Schwarzenberg kündigte sofort an, nicht zu Olympia zu reisen. Der Boykott - zumindest der Eröffnungsveranstaltung in Peking - ist praktisch Konsens in der tschechischen Regierungskoalition aus konservativen Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grünen. Dabei geht es wohl auch um die Glaubwürdigkeit, denn innerhalb der Europäischen Union ist Tschechien der stärkste Verfechter für Sanktionen gegen kommunistische Regime – besonders im Fall von Kuba und Weißrussland.

Zugleich stehen die tschechischen Politiker dabei vor einem gewissen Dilemma: Bisher war es immer Usus, dass sie sich bei sportlichen Großereignissen blicken ließen. Und nicht zuletzt sind auch tschechische Firmen stark interessiert am riesigen Markt in China, allen voran Autohersteller Škoda, der ein Werk in Schanghai betreibt.

Nicht jeder zeigt Verständnis für den Boykott

Der Vorsitzende des Tschechischen Olympischen Komitees kann daher die ablehnende Haltung nicht ganz verstehen. "An den Politikern ist mir aufgefallen, dass sie etwas heuchlerisch vorgehen. Sie fahren nach China, werben um Handelsaufträge, und dann treten sie wiederum gegen China auf."

Drei Politikern hat das Tschechische Olympische Komitee eine offizielle Einladung zu den Spielen geschickt. Staatspräsident Václav Klaus umschiffte diese Klippe am elegantesten – er verwies auf die Operation seiner Hüfte, von der er sich laut seiner Ärzte noch bis zum Herbst erholen muss. Schulminister Ondřej Liška schickt seinen Stellvertreter, und so blieb der Schwarze Peter beim Regierungschef.

Zwiespältige Meinung zu Olympia

Premierminister Mirek Topolánek (25. 02. 2008/AP)
Premierminister Mirek Topolánek wird nicht an der Eröffnung teilnehmenBild: AP

Premierminister Mirek Topolánek kündigte erst seinen prinzipiellen Boykott an, um Mitte Juli dann einen Rückzieher zu machen. Nun sagte er, er wolle die Einladung des Olympischen Komitees annehmen. An der Eröffnungsfeier in Peking wird der Premier jedoch nicht teilnehmen, seine Fahrt startet erst am 13. August. Dennoch wand sich Topolánek sichtlich, als er seine Reise ankündigte.

Er glaube, dass die Tschechische Republik beim größten Sportfest repräsentiert werden sollte. "Sportler, die sich fünf Jahre lang darauf vorbereitet haben, haben es verdient, dass ihr Regierungschef sie unterstützt. Deswegen habe ich die Einladung des tschechischen Olympischen Komitees angenommen. Ich halte meine Entscheidung für richtig und sie ändert auch nichts an meiner Meinung zu Tibet."

Die tschechischen Bürger sehen es anders

Ein tibetischer Protestler (18. März 2008/AP)
Prager Politiker zeigen sich solidarisch mit den tibetischen ProtestlernBild: AP

Seine Meinung tat Mirek Topolánek im Übrigen unmittelbar kund. Bei der Pressekonferenz, bei der er seinen Besuch beim Olympia-Team seines Landes ankündigte, trug er am Revers seines Anzuges einen Stecker mit der tibetischen Flagge. Fragt man tschechische Bürger auf den Straßen Prags, zeigen sie für ihren Regierungschef im Besonderen und für den Olympia-Boykott ihrer politischen Vertreter im Allgemeinen jedoch nur bedingt Verständnis: Verhandlungen und Übereinkünfte seien immer besser als Konfrontation.

"Einander zu provozieren wie es Premier Topolánek gemacht hat, ist überflüssig. Das können die Politiker irgendwann anders machen und auf anderer Ebene. Den Leuten, die sich auf die Olympischen Spiele sehr freuen, sollten sie nicht die Laune verderben", meint ein Passant. "Der Boykott ist zwar nicht ganz schlecht, aber doch eher symbolisch. Die wirkliche Politik unterscheidet sich davon grundsätzlich", so eine Frau in der Prager Innenstadt. "Sie sollten hinfahren, da sind auch die Politiker aus den meisten anderen Ländern."

China bleibt unbeeindruckt – und kritisiert dennoch

Und was ist vom tschechischen Olympia-Boykott bis China vorgedrungen? Zu den vielfältigen Ankündigungen gab es keine Reaktionen. Doch die Sache mit dem Stecker, die wurde in China genau registriert. Die chinesische Botschafterin in Prag protestierte bei Außenminister Schwarzenberg und der tschechische Botschafter in Peking wurde ins dortige Außenressort zitiert. Er musste versichern, dass Prag seine China-Politik nicht zu ändern gedenke und die territoriale Integrität des asiatischen Landes weiterhin anerkenne.