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Tschechien will kurz "Czechia" heißen

Ian Willoughby / mv16. April 2016

Die Regierung der Tschechischen Republik will "Czechia" als Kurzform des Landesnamens bei der UN melden. Doch wird die Bezeichnung sich durchsetzen? Ian Willoughby berichtet aus Prag.

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Fußball-Nationaltrainer in Tschechien (Foto: picture-alliance/dpa/M. Kulczynski)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kulczynski

Die Tschechische Republik wurde 1993 durch die Teilung der Tschechoslowakei gegründet. Sie ist eines der wenigen europäischen Länder, das in der üblicherweise gebrauchten Bezeichnung auf das politische System verweist. Der deutsche Begriff Tschechien ist beispielsweise im Englischen unüblich, da heißt das Land "the Czech Republic". Es gibt keine Kurzform wie "Deutschland" für die Bundesrepublik Deutschland oder "Slowakei" für die Slowakische Repulik. Das hat die Regierung in Prag jetzt offenbar satt.

Die Regierung beschloss jüngst, das Land mit der Kurzbezeichnung "Czechia" bei der UN eintragen zu lassen. Auch in anderen Sprachen soll es eine entsprechende Kurzform geben. Der tschechische Außenminister Lubomir Zaorálek erklärte, er sei auf seinen Reisen viel zu oft auf unpassende Kurzformen gestoßen. Die schiere Länge der Bezeichnung "the Czech Republic" verleitete viele zur Kürzung.

Das berühmte tschechische Bier Pilsner Urquell ist "brewed in Plzen - Czech" und nationale Sportteams lassen den Artikel "the" weg oder denken sich ganz neue Abkürzungen aus. Vor allem in der Werbung und im Sport wünscht sich die Regierung in Zukunft die neue Bezeichnung.

Die englische Ausnahme

Unter den möglichen Kurzformen sei "Czechia" wohl die beste, meint Karel Oliva, Leiter des Instituts für tschechische Sprache in Prag. "Der Begriff wurde ursprünglich im Lateinischen verwendet und stammt aus dem 17. Jahrhundert. Dann hat man ihn ins Englische übertragen. Ich halte das für eine gute Wahl."

"Czechia" ist das Äquivalent zum tschechischen "Česko", das seit Mitte der 1990er Jahren geläufig ist, obwohl unter anderem der damalige Präsidenten Vaclav Havel es ablehnte. Obwohl "Česko" noch heute weit verbreitet ist, vor allem in den Medien, hat sich der Name im Englischen nie durchgesetzt - trotz Unterstützung von Prominenten wie Präsident Milos Zeman. Das Staatsoberhaupt findet, dass die Bezeichnung weniger kalt klinge als "the Czech Republic".

Tschechiens Staatspräsident Milos Zeman (Foto: Michal Cizek/AFP/Getty Images)
Tschechiens Staatspräsident Milos ZemanBild: Getty Images/AFP/M. Cizek

"Kurzbezeichnungen sind auch in anderen Ländern gebräuchlich. Auf Deutsch gibt es 'Tschechien', auf Französisch 'Tchequie' und auf Dänisch 'Tjekkiet'", sagt Zdenek Lycka, der beim tschechischen Außenministerium für die Verbreitung einer Einwort-Bezeichnung gearbeitet hat. Es wäre seltsam, wenn Englisch eine Ausnahme bliebe.

In Prag diskutiert man derweil fleißig über die Verwendung von "Czechia" in der englischsprachigen Welt. Die meisten sind dafür. Die Ministerin für Regionalentwicklung, Karla Slechtova, befürchtet hingegen, dass der Name mit "Chechnya" - Tschetschenien - verwechselt wird. Das sei in der Vergangenheit schon vorkommen.

Umstrittene Wortschöpfung

"Die Debatte macht aus einer Mücke einen Elefanten", sagt Jeffrey Vanderziel. Der US-amerikanische Akademiker arbeitet am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Masaryk Universität in Brno, Tschechiens zweitgrößter Stadt. Er könne nicht nachvollziehen, warum man den außergewöhnlichen Namen nicht behalten sollte. "Tschechen denken anders: Sie wollen sich nicht von der Masse abheben, sie wollen wie alle anderen sein. Ich persönlich finde, dass es eine schreckliche Wortschöpfung ist und werde die Bezeichnung nie nutzen und auch meine Studenten bitten, das gleiche zu tun."

Auch Zdenek Lycka räumt ein, dass "Czechia" problematisch ist. Zum einen, da es mit zwei Buchstaben beginne, die slawischen Ursprungs seien und so im Englischen kaum vorkämen. Und zum anderen, weil es mit dem untypischen "ia" aus dem Lateinischen ende. "Es ist ein seltsamer Anfang und ein seltsames Ende und dazwischen gibt es nicht viel".

Der richtige Zeitpunkt

Doch die Kurzbezeichnung werde dringend gebraucht, sagt Lycka. Sonst werden zum Beispiel Redner weiterhin selber eine Abkürzung für die die lange Bezeichnung finden. Das gehe nur selten gut. "Selbst bei englischen Muttersprachlern hört man Sachen wie 'Im going to Czech', wobei nur das Adjektiv benutzt wird. Das klingt einfach furchtbar".

Altstadt von Prag in Tschechien (Foto: alliance/dpa/B. Weißbrod)
Prag - Tschechiens HauptstadtBild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod

Einige Stimmen sagen, dass der richtige Zeitpunkt für die Umbenennung vor mehr als zwei Jahrzehnten war: Bei der Staatsgründung. "Ich denke nicht, dass der Zeitpunkt verstrichen ist - es ist nie zu spät, etwas Wichtiges umzusetzen", argumentiert Lycka. Bei ausreichender Unterstützung könnte die Bezeichnung von der nächsten Generation schon aktiv genutzt werden.

Gerry Turner lebt seit 1970 in Prag und hat Werke bekannter tschechischer Autoren wie Ivan Klima ins Englische übersetzt. Er glaubt, "Czechia" könne sich besonders schnell verbreiten, wenn Exportschlager wie die Automarke Skoda oder der Kristallfabrikant Moser das Wort in ihren internationalen Kampagnen aufnehmen.

Karel Oliva bezweifelt das. "Nur weil wir den Begriff bei den Vereinten Nationen einreichen, heißt das noch lange nicht, dass die Leute ihn auch benutzen", meint der Sprachwissenschaftler. "Sprache entwickelt sich von allein. So etwas künstlich voranzutreiben, wäre ein Fehler."