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Tschechen fremdeln mit Islam

Rob Cameron /ft18. Januar 2015

Die Attentate von Paris haben Auswirkungen auf ganz Europa. In vielen Ländern wird derzeit intensiv über die Integration von Muslimen diskutiert. In der Tschechischen Republik spitzt sich die Debatte besonders zu.

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Anti-Islam-Kundgebung in Prag am 16. Januar 2015, Foto: dpa
Anti-Islam-Kundgebung in Prag am 16. Januar 2015Bild: picture-alliance/dpa/M. Kamaryt

In Tschechien leben lediglich rund 10.000 Muslime, und doch sind anti-islamische Ressentiments in den vergangenen Monaten gewachsen. Es gab zuletzt sogar eine hitzige Debatte darüber, ob das Land 15 syrische Kinder aufnehmen soll, die medizinische Hilfe benötigen.

Zahlreiche Politiker in der EU machen sich dafür stark, dass die Syrien-Flüchtlinge gleichmäßiger auf die verschiedenen Mitgliedsstaaten verteilt werden. Die Innenminister Frankreichs, Deutschlands und Italiens haben unlängst die 28 EU-Staaten aufgefordert, bis zu 100.000 zusätzliche Syrienflüchtlinge aufzunehmen. Diese sollten dann nach in Brüssel festzulegenden Quoten auf die Mitgliedsländer verteilt werden. Ein Vorschlag, der in Tschechien auf großen Widerstand stößt - von einem immensen Sicherheitsrisiko ist in der Öffentlichkeit die Rede.

Auswahlkriterium Religion

"Im Moment reden wir über 15 kriegsversehrte Kinder", sagte Innenminister Milan Chovanec dem Onlineportal iDNES. Zähle man noch die Familienmitglieder der Kinder dazu, komme man auf eine Gesamtzahl von rund 70 Flüchtlingen, die in Tschechien unterkommen müssten. Am vergangenen Mittwoch stimmte das Kabinett schließlich einstimmig über die Aufnahme von Kindern ab, die derzeit noch in Jordanien medizinisch versorgt werden. Um konkrete Personen ging es allerdings noch nicht, diese müssen erst noch bestimmt werden. "Welche Kinder für eine Unterbringung in Tschechien ausgewählt werden, hängt von Kriterien ab: Wie gut glauben wir, werden sie sich in die Gesellschaft integrieren? Welcher Religion gehören sie an?" erläutert Chovanec.

Milan Chovanec mit seinem deutschen Amtskollegen Thomas de Maizière, Foto: EPA
Milan Chovanec (l.) mit seinem deutschen Amtskollegen Thomas de MaizièreBild: picture-alliance/dpa/Julien Warnand

"Die erwachsenen Begleitpersonen werden eingehend sicherheitsüberprüft, wir holen uns also keine Probleme ins Land", versichert derweil der Innenminister. "Wir sind allerdings gegen die verpflichtenden Quoten, über die die EU gerade diskutiert. Wir wollen uns nicht zur Aufnahme von 1000 Flüchtlingen zwingen lassen", sagte Chovanec. Die Tschechische Republik habe schlicht nicht die Kapazitäten dafür.

Verhältnismäßig wenige Flüchtlinge

Das Land stellt derzeit 700 Plätze in Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung, rund 3000 Menschen - also gerade mal 0,03 Prozent im Verhältnis zur Einwohnerzahl von 10,5 Millionen - genießen Flüchtlingsstatus. Die tschechische Regierung sagt, sie würde lieber den Anrainerstaaten Syriens logistisch und materiell unter die Armee greifen, um mit dem Flüchtlingsstrom fertig zu werden.

Petr Honzejk, Journalist bei der Zeitung "Hospodarske noviny", kritisiert diesen Kurs im Gespräch mit der DW. "Unsere Regierung scheint bereits die Zeiten vergessen zu haben, als viele Tschechen selbst Asyl suchten. Was wäre gewesen, wenn sich die Regierungen Deutschlands, Österreichs oder der USA in den Siebziger und Achtziger Jahren so verhalten hätten? Was, wenn sie gesagt hätten: ´Okay, 15 tschechische Familien reichen uns?"

Das Argument, die Flüchtlinge würden den Terror aus dem Nahen Osten nach Tschechien hineintragen, ist nach Ansicht von Honzejk falsch. "Die Menschen, die hierher kommen, flüchten doch vor genau solchen Terroristen", sagte er mit Blick auf den IS. "Die soziale und politische Debatte in Tschechien nimmt gefährliche Züge an", so Honzejk zur DW. Und mit dieser Meinung steht er nicht alleine da.

Moralische Pflicht zu helfen

"Wir haben die moralische Pflicht zu helfen" sagt Bronislav Ostransky vom Orient Institut der Tschechischen Akademie der Wissenschaften. "Natürlich darf man die Sicherheitsfrage nicht unterschätzen. Aber ein paar hilfsbedürftige Kinder und ihre Familien stellen wohl kaum ein Risiko dar." Dass die Flüchtlinge anhand ihrer Religion ausgewählt werden sollten, kritisiert Ostransky scharf.

Bronislav Ostransky, Orientalist Prag, Foto: Institute of the Czech Academy of Sciences
Bronislav Ostransky, Tschechische Akademie der WissenschaftenBild: Archiv HN Jan Schejbal

Bislang gab es in der Tschechischen Republik keine Anti-Islam-Proteste. Doch das könnte sich ändern. Der tschechisch-japanische Populist Tomio Okamura rief die Bevölkerung dazu auf, keinen Döner Kebab zu kaufen und mit ihren Hunden und Schweinen (falls sie denn welche hätten) vor Moscheen spazieren zu gehen. Dem Aufruf folgte zwar niemand und Okamura wurde in den sozialen Medien zum Gespött. Allerdings hat bei Facebook eine Gruppe mit dem Namen "Islam v Ceske Republice Nechceme" (Wir wollen keinen Islam in der Tschechischen Republik) bereits mehr als 100.000 "Gefällt mir"-Angaben. Die Gruppierung traf sich am vergangenen Freitag zu einer Demonstration vor der Prager Burg, zu der allerdings nur 400 Teilnehmer kamen - zehn mal weniger als erwartet. Die Demonstranten hielten Spruchbänder hoch wie "Der Islam ist das Böse" oder "Es gilt das Gesetz, nicht die Scharia".

Anti-Islam-Kundgebung in Prag 16.01.2015, Foto: dpa
Hitzige Diskussionen bei der Anti-Islam-Demo am Freitag in PragBild: picture-alliance/dpa/M. Kamaryt

Islamfeindlicher Präsident?

Der "Bewohner" der Prager Burg, Präsident Milos Zeman, war selbst schon durch islamfeindliche Kommentare aufgefallen. 2011, also zu einer Zeit, zu der er sich gerade temporär in den Ruhestand verabschiedet hatte, äußerte er auf einer Sicherheitskonferenz der NATO im tschechischen Außenministerium, dass "die Anti-Zivilisation, die sich von Nordafrika bis Indonesien erstreckt, der Feind der NATO" sei und dass diese Länder, bewohnt von rund zwei Milliarden Menschen, "teilweise von Drogen, teilweise von Öl finanziert" würden. Im gleichen Jahr sagte Zeman dem Magazin "Reflex", die Vorstellung, dass es einen moderaten Islam gäbe, sei genauso ein Widerspruch wie die Annahme, es gäbe moderate Nazis.

Die Muslime in Tschechien scheinen solche Äußerungen bislang nicht zu stören. Einigen allerdings ist es schon wichtig, den Islam in besserem Licht dastehen zu lassen. Dr. Charif Bahbouh lebt seit 55 Jahren in Tschechien und betreibt dort erfolgreich einen Verlag für Literatur orientalischer Sprachen. "Der Verlag ist nach Ibn Rushd benannt, dem berühmten andalusischen Philosoph, besser bekannt als Averroes", erklärt Bahbouh. "Ibn Rushd war ein berühmter Europäer, der auf Arabisch schrieb und die Idee von der friedlichen Koexistenz verschiedener Ansichten in die Welt trug". Ibn Rushds Ideen seien heute noch aktuell, so Bahbouh. "Wir müssen uns gegenseitig verstehen und tolerieren. Wir leben auf dem gleichen Planeten".