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Politik

Trotz Bolsonaro: EU glaubt an Mercosur-Vertrag

28. August 2019

In Brasilien brennt der Amazonas, Präsident Bolsonaro beleidigt die Europäer. EU-Verhandlerin Sabine Weyand steht trotz aller Streitigkeiten weiter zum geplanten EU-Mercosur-Vertrag. Es geht um riesige Handelsvolumina.

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Brasilien Waldbrände
Bild: Imago Images/Agencia EFE/J. Alves

Ist das Mercosur-Abkommen, die Handelsvereinbarung zwischen der Europäischen Union und den vier südamerikanischen Staaten Argentinien, Paraguay, Uruguay und Brasilien, in Gefahr? In Brasilien brennt der Amazonas, und der rechtsextreme Präsident Brasiliens, Jair Bolsonaro, liefert sich heftige verbale Gefechte um die Hilfe von außen mit der EU. In Europa drohen einzelne Politiker mit Konsequenzen, wenn Bolsonaro, der den Klimawandel leugnet, nicht bald mehr Hilfe ins Land lässt. Die politischen Zeichen stehen also auf Sturm. Aber die erfahrene EU-Diplomatin Sabine Weyand ist sicher: Die EU hält am Ende an dem Abkommen fest, das gegenseitig Zölle auf mehr als 90 Prozent der importierten Waren abbauen will. In Südamerika würde sich ein Markt mit rund 260 Millionen Menschen für EU-Waren öffnen. Gerade erst im Juni hatten sich die EU-Staaten mit den vier Ländern Lateinamerikas politisch auf das Abkommen geeinigt.

Berlin Sabine Weyand bei einer Pressekonferenz zum Mercosur Abkommen in Berlin
EU-Handels-Generaldirektorin Sabine Weyand in Berlin: "Wir stehen zum Abkommen"Bild: DW/J. Thurau

Eine gerechte Gestaltung der Globalisierung

Jetzt sitzt Sabine Weyand im Sitzungssaal im ersten Stock des "Europahauses" in Berlin. Die Vertretung der EU-Kommission und des Europaparlaments liegt nur einen Steinwurf vom Brandenburger Tor entfernt am Pariser Platz, und im Saal ist kein Platz mehr frei. Kein Wunder: Der Präsident Brasiliens und seine Entgleisungen, der brennende  Amazonas - das sind die derzeitigen Top-Themen. Weyand hat für die EU lange den Brexit mit ausgehandelt, jetzt ist sie mit dem Mercosur-Abkommen befasst - als neue Generaldirektorin für den EU-Handel. Sie hält das Abkommen trotz der gegenwärtigen Krise für vor allem politisch immens wichtig: "Wir leben gerade in einer Welt, in der die internationale Ordnung am seidenen Faden hängt." Der Handelsvertrag solle ein kleines Stück Verlässlichkeit zurückholen: "Unsere Zielsetzung ist die gerechte Gestaltung der Globalisierung."

Brasiliens Verhalten hat Einfluss auf die Ratifizierung

Die Kritik an Bolsonaro mit dem Abkommen zu verbinden, findet sie aber nicht falsch: "Es ist berechtigt, darauf hinzuweisen, dass die Chancen zur Ratifizierung dieses Abkommens in den EU-Staaten und in der EU selbst davon beeinflusst werden, was sich gerade am Amazonas abspielt", sagt Weyand im DW-Gespräch. Eine gekonnte diplomatische Umschreibung. Auf gut Deutsch heißt das: Wenn Bolsonaro so weiter macht, werden die Zweifel an dem Abkommen eben größer in der EU. Denn erst im Herbst nächsten Jahres, darauf weist Weyand ausdrücklich hin, könnte der Vertrag von der EU und den europäischen Ländern ratifiziert werden. Genug Zeit also noch, um Druck auf Brasilien auszuüben.

Kurswechsel in Brasilien?

Weyand will auch längst Anzeichen erkannt haben, dass der Präsident im eigenen Land auf Widerstand stößt und die Mahnungen aus Europa nicht ungehört geblieben sind. Tatsächlich sagte jetzt ein Sprecher der Regierung Brasiliens, man sei grundsätzlich offen, Hilfe anzunehmen, wenn die brasilianische Souveränität nicht in Frage gestellt werde. Zuletzt hatten dann auch die Gouverneure der neun betroffenen Amazonas-Bundesstaaten, darunter zwei der Präsidenten-Partei, Kritik an der Haltung Bolsonaros geäußert.

Brasilien Präsident Bolsonaro über Waldbrände
Leugnet den Klimawandel uns sperrte sich zunächst gegen EU-Hilfe aus Europa gegen die Amazonas-Brände: Jair Bolsobaro, Brasiliens PräsidentBild: AFP/Brazilian Presidency/M. Correa

Bundesregierung mit verschiedenen Signalen

Aus der Bundesregierung kamen derweil unterschiedliche Signale, was den Mercosur-Vertrag und den Umgang mit Bolsonaro angeht. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) etwa drohte Brasilien offen mit Konsequenzen: "Brasilien hat sich mit Abschluss des Mercosur-Abkommens zu einer nachhaltigen Waldwirtschaft bekannt", sagte sie der Zeitung "Welt". "Wenn das Land dieser Verpflichtung nicht nachkommt, werden wir nicht tatenlos zuschauen." Anders klang das bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Dieser sagte in Berlin, der Vertrag sei nicht nur mit Brasilien geschlossen worden: "Er ist im Interesse der Europäischen Union, aber auch der übrigen Länder wie zum Beispiel Uruguay, die daran beteiligt sind."

Kritik von Umweltschützern am Abkommen

Gegen das Abkommen gibt es aber auch generell Vorbehalte. Kritiker bemängeln schon lange, dass es dazu führen könne, dass mehr Soja und Rindfleisch aus Lateinamerika nach Europa gelangen. Auch deswegen könnten die aktuellen Brände bewusst gelegt worden sein, um Platz für neue Soja-Felder und für Rinder zu schaffen. Für die Bundesregierung wies Regierungssprecher  Steffen Seibert diese Kritik an dem Vertrag zurück. Er erklärte, die Mercosur-Vereinbarung habe ein sehr ehrgeiziges Nachhaltigkeits-Kapitel, an das auch Brasilien gebunden sei: "Beide Seiten haben vereinbart, dass das Pariser Klimaschutzabkommen wirksam umgesetzt werden muss. Dafür hatte sich vor allem auch die Bundesregierung sehr stark eingesetzt."

Moritzburg | Unionstreffen zu Waldschäden - Julia Klöckner
Droht Brasilien mit Konsequenzen: Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU)Bild: picture-alliance/dpa/R. Michael

Nicht mit dem Finger auf Brasilien zeigen

Ein Umstand, auf den auch Sabine Weyand verwies: Noch vor wenigen Monaten habe die Gefahr bestanden, dass Brasilien unter Bolsonaro ganz aus dem Pariser Klima-Vertrag von 2015 aussteigen könne, jetzt habe sich das Land im Mercosur-Abkommen auf die Pariser Ziele noch einmal verpflichtet. Wenn jetzt einzelne europäische Politiker Brasilien aufforderten, mehr für den Klimaschutz zu tun, müsse schon daran erinnert werden, dass auch Deutschland gerade Probleme habe, seine eigenen Klimaschutz-Ziele zu erreichen: "Ich warne vor einem falschen Zungenschlag, der andere auffordert, das Paris-Abkommen einzuhalten", so Weyand. Auch wenn der "andere" ein Rechts-Populist auf Konfrontationskurs sein könnte.