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Berliner Ferienwohnungen im Visier

Mathias Bölinger13. Februar 2013

Berliner Mieten steigen dramatisch. Die Stadtverwaltung glaubt, dass zu viele Wohnungen an Besucher vermietet werden. Mit einem Gesetz will sie dagegen vorgehen.

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Touristen vor dem Brandenburger Tor (Bild: Adam Berry/Getty Images)
Bild: Getty Images

Ein Aufkleber mit einem durchgestrichenen Herz verkündete es schon vor zwei Jahren. "Berlin doesn't love you" - Berlin liebt seine Besucher nicht. Damals tauchten in den Szenequartieren Sticker mit dieser Botschaft auf - neben deutlich aggressiveren Botschaften wie "Tourists fuck off". Eine Stadt entdeckt ihre Schuldigen: Für Partylärm, für die Schließung der Eckkneipe, die einem Schnellrestaurant weichen musste, für steigende Mieten werden zunehmend Touristen verantwortlich gemacht. In Berlin werde zu viel Wohnraum als Ferienwohnung genutzt – dadurch entstehe Wohnraumknappheit. So argumentieren nicht nur Touristenhasser in den alternativen Szenevierteln Kreuzberg oder Neukölln sondern seit einiger Zeit auch der Senat, der angesichts von Mietsteigerungen, die in manchen Gegenden bei 15 oder 20 Prozent pro Jahr liegen, unter Druck steht.

Stadt will Ferienwohnungen einschränken

Die Stadtentwicklungsbehörde plant deshalb ein Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum. Möchte jemand Wohnungen gewerblich nutzen, soll er sich das in Zukunft vom Bezirksamt genehmigen lassen müssen. Ein entsprechendes Gesetz wird gerade in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erarbeitet und soll möglichst bald ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden. "Wir wollen, dass die Wohnungen dort wieder der Bevölkerung zur Verfügung stehen", sagt Daniela Augenstein, Sprecherin des Stadtentwicklungssenators. Zwar betrifft das Gesetz nicht nur Ferienwohnungen. Auch die Kindertagesstätte oder die Arztpraxis, die in Wohnräume ziehen will, braucht dann eine Genehmigung. Wahrgenommen wird die Initiative aber vor allem als Ferienwohnungsverbot.

Der Tourismus gehört in Berlin zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Mehr als 10 Millionen Besucher kommen jedes Jahr in die deutsche Hauptstadt. Die Branche erwirtschaftet acht Prozent des Volkseinkommens der Stadt. 275.000 Arbeitsplätze hängen vom Tourismus ab. Die Zahlen steigen jährlich und damit auch die Zahl derer, die ihre Eigentums- oder Mietwohnung an Touristen vermieten. Denn eine Zweizimmer-Wohung, die als Mietwohnung vielleicht 500 Euro im Monat kostet, kann an Besucher unter Umständen für 80 oder 100 Euro die Nacht vermietet werden - das ergibt ein Vielfaches.

Genau weiß niemand, wie viele Wohnungen in der Stadt als Ferienwohnung genutzt werden. Ein vom Senat in Auftrag gegebenes Gutachten schätzt die Zahl auf 12.000. Das entspricht 0,7 Prozent der Wohnungen in Berlin. Können 0,7 Prozent der Wohnungen wirklich die Preise derart in die Höhe treiben? Ja, glaubt die Behördensprecherin Augenstein, denn es gehe vor allem um die ohnehin beliebten Innenstadtquartiere: "Das Problem ist dort besonders ausgeprägt, wo auch der Wohnungsmarkt besonders angespannt ist."

Wenig zuversichtlich, dass das Zweckentfremdungsverbot der Mietexplosion Einhalt gebietet, ist der Berliner Mieterverband. Es werde immerhin "ein Signal gesetzt", sagt der stellvertretende Geschäftsführer Michael Roggenbrodt. Gleichzeitig fügt er aber hinzu: "Man sollte nicht die Illusion wecken, dass das die Mietsteigerungen stoppen wird." Stattdessen verlangt der Verein stärkere Eingriffe in den Markt wie etwa eine Begrenzung der Neumieten.

Der "Sozialpalast", ein Wohngebäude in Berlin-Schöneberg (Bild:
Die Mieten in Berlin steigenBild: PA/dpa

Hoteliers gegen Ferienwohnungen

Auch der Berliner Hotel- und Gaststättenverband kritisiert die Pläne der Senatsverwaltung – als nicht weitgehend genug. Für bestehende Ferienwohnungen bietet das geplante Gesetz nämlich Bestandsschutz. Wer bereits eine Ferienwohnung betreibt und diese anmeldet, soll sie zunächst für vier weitere Jahre betreiben dürfen. "Das ist nicht gut, denn damit wären bestehende Anbieter geschützt", sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Der Verband möchte gegen private Ferienwohnungen rigoroser vorgehen. Denn er sieht in den privaten Ferienwohnungen eine unlautere Konkurrenz für die Hotels der Stadt und drängt darauf, dass die Anbieter von Ferienwohnungen die strengeren Auflagen für Beherbergungsbetriebe etwa beim Brandschutz einhalten. Für viele Touristenunterkünfte in den Berliner Mietshäusern wäre das das Aus. Ein entsprechendes Gesetz gibt es zwar, aber weil die Unterkünfte nirgends angemeldet sind, wird es kaum umgesetzt – ein Problem, das auch bei dem geplanten Verbot bestehen würde.  

Im Stadtbezirk Pankow hat man deshalb Kontrolleure angestellt, die Ferienwohnungen ausfindig machen sollen. Sieben Mitarbeiter durchforsten Angebote im Internet und gehen Hinweisen von Nachbarn nach, denn in dem Bezirk im Norden von Berlin, zu dem auch der beliebte Stadtteil Prenzlauer Berg gehört, gibt es seit Anfang Januar ein Zweckentfremdungsverbot. "Wir haben seitdem reihenweise Hinweise bekommen", sagt Jens-Holger Kirchner, Stadtrat für Stadtentwicklung im Bezirk. Er schätzt, dass im Prenzlauer Berg 1500 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt werden. Einige Verfahren wurden bereits eingeleitet. Kirchner rechnet allerdings auch damit, dass Vermieter vor Gericht ziehen werden. "Das wird nicht einfach", sagt er. Unterstützung wird er bald von seinen Amtskollegen in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg bekommen. Beide Bezirke wollen nicht auf den Senat warten und ebenfalls solche Verbote einführen.