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Traumjobs zu verschenken

Daniel Pelz, Brüssel 1. Oktober 2008

Schicke Dienstwagen, ein klimatisiertes Büro mit neuster Technik und ein Spitzen-Gehalt: Jobs bei der Europäischen Union, einer Firma oder als Lobbyist sind ebenso vom Gerüchten umrankt wie begehrt.

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Bild: DW

Es sollte ihr Tag sein. Der Tag der jungen, gut ausgebildeten Europäer, die dutzende teure Studienabschlüssen, unbezahlte Praktika und professionelle Lebensläufen besitzen, aber keine feste Arbeitsstelle. Die Europäische Union hatte in ihren Sitz geladen, den Parlais Berlaymont. Firmen stellten sich und ihre freien Stellen vor, die Besucher konnten Fragen stellen, Bewerbungen abgeben und manchmal auch schon ein erstes Bewerbungsgespräch führen.

Der Computerriese IBM stellte ebenso aus wie der Kosmetikkonzern L’Oreal und zahlreiche Logistikfirmen. Ingenieure, IT-Fachkräfte, Betriebswirte und Marketingfachleute waren heiß umworben. Unklar war, was zwischen diesen ganzen Traumjob-Angeboten zwei Sicherheitsfirmen wollten, die nach künftigen Wachleuten suchten. Vielleicht wollten sie all die anlocken, die an keinem anderen Stand einen Job bekommen hatten. Schließlich boten sie abgewiesenen Bewerbern die Chance, den Europäischen Institutionen ganz nahe zu sein – als Wachmann im Kommissionsgebäude zum Beispiel.

Hitzewellen und Schlange stehen

Getestet wurden die Bewerber nicht erst im Gespräch an den Ständen. Bereits die Atmosphäre im Gebäude half, die Besten der Besten herauszufiltern. Die Luft stand und die Temperatur lag bei gefühlten dreißig Grad. Keine idealen Temperaturen bei schwarzem Anzug oder Businesskostüm. Bewerber erzählten, dass sie in manchen Schlangen bis zu einer Stunde angestanden hätten. Wer dran war, stand vor der Herausforderung, in Gesprächen von weniger als fünf Minuten zu erzählen, warum sie trotz eines Studiums der angewandten Altägyptologie schon immer von einem Job als Marketingmanager geträumt hatten.

Nur Journalisten wollte auf den ersten Blick niemand. Ganze drei Stände boten Jobs in der Medienbranche an. Doch für die Stelle als leitender Nachrichtenredakteur eines Web-Portals über europäische Themen fehlten mir „sechs bis acht Jahre Berufserfahrung“. Als Fachredakteur für Energie kam ich wegen meines „fehlenden europäischen Profils“ nicht in Frage. Auch die Beteuerung half nicht, mich für EU-Themen brennend zu interessieren und in meinem bisher vierwöchigen Brüssel-Aufenthalt unzählige wichtige Kontakte geschlossen zu haben.

Lobbyismus wertfrei

Verzweifelt entschloss ich mich, einen Vortrag zum Thema „Berufe in der Öffentlichkeitsarbeit“ zu besuchen. „Öffentlichkeitsarbeit“ entpuppte sich als freundliche Umschreibung von Lobbyismus und die Veranstaltung als Belastung für meine Nerven. Einer der Vortragenden forderte die Zuhörer auf, den Begriff „Lobbyist“ endlich wertneutral aufzufassen. Schon ein guter Ratschlag in einer EU-Kommission, in der bei den abendlichen Partys Lobbyisten jeden EU-Parlamentarier und Kommissionspräsident so lange in die Mangel nehmen, dass jedes Klimapaket und jede Chemikalienverordnung ihnen in den Kram passt.

Ähnlich „wertneutral“ sollte auch der Rat des nächsten Vortragenden aufgefasst werden: Der beste Einstieg für eine Karriere in der Brüsseler Lobby seien mehrere Praktika in Brüssel. Die Frage ist nur, wer davon mehr profitiert: Ein junger Berufsanfänger, der sich für die diffuse Hoffnung auf eine Stelle für keine oder eine geringe Bezahlung verdingt? Oder die Firmen, die billige Arbeitskräfte bekommen, die gerne länger als acht Stunden arbeiten.

Kein Traumjob

Nach vier Stunden verließ ich den Job Day wie ich gekommen war: Ohne europäischen Traumjob. Aber das ist auch nicht das Schlimmste. Denn in die "wertneutrale" Welt der Brüsseler Politik passe ich anscheinend nicht.