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"Kontrollen müssen intelligenter werden"

Friedel Taube31. August 2016

Immer wieder gelangen an Flughäfen Passagiere unkontrolliert in den Abflugbereich, so wie jetzt in Frankfurt. Für Sicherheitsexperte Jörg Trauboth geht das Kontrollkonzept am eigentlichen Problem vorbei.

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Sicherheitskontrolle Köln Bonn , Foto: dpa
Bild: picture-alliance/dpa/O.Berg

Deutsche Welle: Wie kann es sein, dass an deutschen Flughäfen immer wieder jemand durch die Kontrollen durchrutscht, wie jetzt in Frankfurt geschehen?

Jörg Trauboth: Das hat mit deutschen Flughäfen an sich weniger zu tun, solche Dinge passieren überall. Und: Ich bin der Auffassung, dass so etwas immer wieder passieren wird. Denn wer in den Sicherheitsbereich wirklich rein will, der schafft das auch. Selbst, wenn man einen Flughafen zur Festung ausbauen würde. Das Problem ist aber auch: In der EU konzentrieren wir uns auf Technik oder auf Wasserflaschen. Wer aber Wasserflaschen sucht, wird keine Bomben finden.

Das Konzept an deutschen Flughäfen ist nicht zielführend. Wir sollten weniger Körperscanner einsetzen, sondern sollten uns, ähnlich wie das in Israel gemacht wird, mehr auf Menschen konzentrieren. Die Airports müssen ausreichend sehr gut geschultes Personal einsetzen, das uniformiert oder auch nicht uniformiert prüft, wer eincheckt. Das kann man dann mit Technik verbinden. Die Israelis am Flughafen Ben Gurion setzen Gesichtserkennung ein und beobachten auf Monitoren, ob es verdächtige oder auffällige Personen gibt. Diese werden angesprochen , und wenn irgendetwas ungewöhnlich erscheint, werden diese Personen selektiert und durch psychologisch geschultes Personal befragt. Das kann schon einmal 1-2 Stunden dauern.

Immer wieder gelingt es Testern, gefährliche Gegenstände in den Sicherheitsbereich zu schmuggeln. Ist die Kontrolle in den Händen der richtigen Leute?

Für mich sind die eingesetzten Dienstleister die zweitbeste Lösung. Denn sie sind eben keine Beamte oder Angestellte aus dem Öffentlichen Dienst. Sie haben befristete Verträge, in der Regel sind sie nach spätestens einigen Jahren wieder weg und verlassen dann die Flughafensicherheit mit einem beträchtlichem Know-How. Die Schwachstelle an unseren Flughäfen ist somit der Mensch und ein suboptimales Präventionskonzept! Ich plädiere dafür, dass man die Flughafenkontrolle in polizeilicher Hand belässt und nicht an den freien Markt weitergibt.

Jörg Trauboth, Foto: privat
Jörg Trauboth: "Der nächste Anschlag wird nicht verhindern werden"Bild: trauboth-autor.de

Was müsste bei der Schulung des Personals verbessert werden?

Die Schulung zum Luftsicherheitsassistenten kann man in sechs Wochen absolvieren. In dieser Zeit wird niemand ein Experte für das Erkennen einer verdächtigen Person, zumal die Technik sich auch immer wieder ändert. Die Dienstleister schulen auf Technik, Taschen prüfen, Flüssigkeiten, etc., stellen ihre Standardfragen, aber sie schauen den Leuten nicht prüfend ins Gesicht. Wenn der Durchleuchtungscheck okay ist, ist die Person "sauber". Sie vertrauen auf das System hinter sich, auf die ein oder zwei Beamten der Bundespolizei hinter der Kontrolle. Ein sehr statisches System, an dem die privaten Firmen auch nicht viel ändern können. Ich bin überzeugt, dass der nächste Anschlag dadurch nicht verhindert werden kann.

Dazu kommt ein weiterer Bereich: Das Flugzeug selbst. Dieses Problem beginnt bereits außerhalb von Europa. Wenn ein Flugzeug etwa aus dem afrikanischen Raum kommt, können Sie davon ausgehen, dass die Sicherheitskontrollen für das Gepäck sehr viel lascher waren als bei uns. Das Fatale dabei ist: Die Verantwortung für die Sicherheit der Gepäckstücke liegt beim Abflugflughafen und nicht etwa beim Kapitän, der das deutsche Flugzeug nach Europa fliegt.

Macht eine Kontrolle vor dem Eingang des Flughafens, wie nach den Brüsseler Anschlägen diskutiert, Sinn?

Der Brüsseler Flughafen ist zur Zeit dereinzige in Europa, der dieses Modell fährt. Das machen die Israelis zwar auch, sie verbinden dies aber mit einer Vielzahl von Videokameras, also einem Gesamtsystem, bei dem man Verdachtsmomente herausfiltert.

Allerdings: Das ist bei uns gar nicht machbar. Es würde zu Staus führen und Terroristen würden eben nicht im Flughafen zuschlagen, sondern dort, wo die Menschenmengen im Vorbereich sind. Außerdem muss man fairerweise sagen, dass das Verkehrsaufkommen von Tel Aviv nicht mit Frankfurt oder anderen europäischen Großflughäfen zu vergleichen ist. Würde man große deutsche Flughäfen dennoch aufrüsten, dann würden Terroristen eben an den kleineren regionalen Flughäfen zuschlagen.

Die Kontrollen an deutschen Flughäfen müssen also intelligenter werden. Menschen erkennen und dann ergänzende Technik einsetzen. Das bedeutet: Videoüberwachung total, spätestens im Flughafen. Die intelligente Totalüberwachung in allen Flughäfen der EU ist trotz des Anschlages Brüssel nicht gewollt. Man wird sich entscheiden müssen, ob man diesen neuen Weg gehen will.

Jörg H. Trauboth ist Krisenmanager, Pilot und ehemaliger Oberst der Deutschen Luftwaffe. Während seiner militärischen Karriere vertrat er u.a. Deutschland in Sicherheitsfragen bei der NATO und arbeitete für das Bundesverteidigungsministerium. Später arbeitete er als Risiko-Consultant und wurde bei Erpressungs- und Entführungsfällen eingesetzt. Heute lebt er als freier Autor in der Nähe von Bonn, zuletzt erschien sein Buch "Drei Brüder".

Das Gespräch führte Friedel Taube.