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11. Endlich verständlich – das ist leichte Sprache

28. Dezember 2020

Für Menschen, die unseren Podcast nicht hören können, stellen wir hier ein Transkript zur Verfügung. Was ist Leichte Sprache und wer nutzt Sie?

https://p.dw.com/p/3n1U1

Zum Podcast geht es hier.

Jingle: DW. "Echt behindert!"

Moderator Matthias Klaus: Herzlich willkommen! Hier ist "Echt behindert!" und ich bin Matthias Klaus.

Sprecher (zitiert aus einem Gesetzestext): "So weit eine digitale Einreiseanmeldung in Ausnahmefällen aufgrund fehlender technischer Ausstattung oder aufgrund technischer Störung nicht möglich war, ist stattdessen eine vollständig ausgefüllte schriftliche…. (wird schnell und unverständlich) ….  mit sich zu führen und auf Anforderung den Beförderern oder im Fall von Abschnitt 1 Nummer 1 Satz 5 dieser Anordnungen der mit der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs beauftragten Behörde vorzulegen."

Matthias Klaus: "Ich verstehe nicht, was die da sagen". "Das ist mir alles viel zu hoch". So könnte man manchmal reagieren, wenn man Politiker reden hört. Komplizierte Texte liest oder Gebrauchsanleitungen vor sich hat, die man nicht versteht. Kurz: Wenn der Absender einer Botschaft etwas sagt oder meint und die Empfängerseite es einfach nicht versteht. Was da entsteht, sind Barrieren. Diesmal nicht in Gebäuden oder bei der Bedienung von Geräten, sondern in der Kommunikation. 

Heute in "Echt behindert!" geht es um solche Barrieren und wie man sie eventuell abbauen kann. Es geht um leichte Sprache und darum, wie diese funktioniert. Dazu spreche ich mit Thorsten Lotze vom Netzwerk Leichte Sprache. Schönen guten Morgen, Herr Lotze. 

Thorsten Lotze: Schönen guten Morgen, Herr Klaus.

Matthias Klaus: Herr Lotze, wo finden wir denn inzwischen überall leichte Sprache?

Thorsten Lotze: Leichte Sprache: die gibt es schon ganz schön lange in Deutschland. Die ist schon in den Neunzigern zu uns gekommen. Aber da kannte sie noch keiner. Und dann durch die UN-Konvention, die Deutschland 2008 ratifiziert hat, ist so langsam Geschwindigkeit in die leichte Sprache gekommen. Und dann ist es immer mehr gewachsen und so ist dann auch ganz langsam das Thema bekannter geworden.

Und richtig Geschwindigkeit ist in die Leichte Sprache erst seit 2018 gekommen. Dort wurde das BGG (das Behinderten-Gleichstellungsgesetz) novelliert und das hat einen Rechtsanspruch auf Bundesebene vorgeschrieben, wo alle Einrichtungen des Bundes barrierefreie Internetseiten haben müssen. Ganz aktuell im September ist jetzt noch mehr Geschwindigkeit in die Leichte Sprache gekommen.

Dort wurde nämlich die BITV, die Barrierefreie Informationstechnik Verordnung an das europäische Recht angepasst. Und das heißt, dass jetzt auch alle Behörden in Deutschland leichte Sprache vorweisen müssen. Das heißt auch im Grunde genommen jedes Amt.

Matthias Klaus: Sie selber stellen Leichte Sprache her. Sie haben eine Firma. Was machen Sie da genau?

Thorsten Lotze: Ja, ich arbeite zusammen mit Menschen mit Lernschwierigkeiten. Ich habe 11 Menschen mit Lernschwierigkeiten in meinem Team. Da steckt schon so ein bisschen auch der Gedanke dahinter: Leichte Sprache geht nie alleine, sondern leichte Sprache geht nur mit der Zielgruppe selber. Das heißt, Menschen mit Lernschwierigkeiten überprüfen die Texte und Menschen mit Lernschwierigkeiten sind auch in Fortbildungen dabei.

Das heißt, ich gebe Fortbildungen in einem Tandem. Also im Netzwerk treten wir niemals alleine auf. Immer mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammen. Sie sind nun mal die Experten ihrer eigenen Sprache. Und sie können am besten vermitteln, was schwer verständlich ist, wo Probleme im Alltag sind, wo die großen Hürden der Sprache sind.

Wie ich gerade angerissen habe übersetzen wir also Texte. Manchmal prüfen wir auch Texte und wir geben Fortbildungen. Das sind so die Hauptbestandteile.

Matthias Klaus: Wer sind denn Ihre Auftraggeber?

Thorsten Lotze: Die Leichte Sprache kommt aus dem, ich sag mal, Behindertenbereich. Also ursprünglich ist die für Menschen mit einer geistigen Behinderung geschaffen worden und der Kreis hat sich halt wesentlich vergrößert.

Anfänglich waren Behinderteneinrichtungen die Auftraggeber. Aber die Zielgruppe ist wesentlich größer geworden, dadurch, dass viele Menschen aus anderen Ländern Sprachprobleme haben, dass viele Sprachkurse zu schwer sind, dass viele Menschen generell Schwierigkeiten haben mit der Sprache. So hat zum Beispiel die Léo Studie 2019 jetzt ganz recht aktuell herausgefunden, dass es immer noch 6,2 Millionen, und jetzt wird's schwierig: "gering literarisierte Menschen" gibt.

Matthias Klaus: Können Sie ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern wie funktioniert Leichte Sprache? Wenn Sie einen Text kriegen, was müssen Sie dann als erstes beachten oder machen?

Thorsten Lotze: Also ich arbeite am liebsten natürlich mit Menschen mit Lernschwierigkeiten zusammen. Das heißt, ich erstelle am liebsten partizipativ die Texte. Ich frage danach: Was weißt du über das Thema? Was ist für dich wichtig? Wie soll ich den Inhalt gestalten? Was ist für dich ganz entscheidend? Was muss zuerst kommen?

Also der wichtigste Gedanke kommt immer in der leichten Sprache zuerst und die anderen Bestandteile werden sozusagen drumherum gebaut. Dann fasse ich den Text zusammen und spreche das kurz mit dem Auftraggeber ab.

Danach beginnt dann die eigentliche Übersetzung. Zur leichten Sprache gehört auch das Layout: ein ganz wichtiger Bestandteil. Also Leichte Sprache hat immer ein luftiges Layout. Das heißt, wir brauchen viel Platz. Große Schrift, viele Absätze.

Dann gehören zur leichten Sprache Bilder. All das braucht viel Platz und sorgt manchmal auch für etwas höhere Kosten. Dann kommt dieser Text in die Prüfung. Also eigentlich das Wichtigste. Dann sagen Menschen mit Lernschwierigkeiten, ob sie den Text verstanden haben. Es wird über den Inhalt gesprochen. Wird das transportiert, was der Auftraggeber letztlich sagen wollte? Geht es wirklich um die Kernpunkte z.B. von der Inklusion?

Werden da die richtigen Gedanken transportiert? Und dann werden auch noch sowas wie die Regeln der leichten Sprache abgeprüft. Also sind kurze Wörter dabei? Sind die Sätze nicht zu lang? Wird z.B. aktive Sprache benutzt und dergleichen. Also es gibt um die vierzig Regeln für die Leichte Sprache vom Netzwerk für leichte Sprache.

Matthias Klaus: Ich habe mit Shpresa Matoshi gesprochen, sie ist Mitarbeiterin im Büro von Thorsten Lotze. Können Sie mir erzählen, was macht ein Prüfer für leichte Sprache? 

Shpresa Matoshi: Also ein Prüfer für Leichte Sprache ist dafür zuständig, den Text zu überprüfen von dem Übersetzer, ob der noch schwer ist. Also quasi, ob der gut geschrieben ist, ob irgendwo vielleicht noch ein Beispiel fehlt. Das ist so der Aufgabenbereich eines Prüfers.

Matthias Klaus: Wenn Sie so einen Text bekommen, machen Sie das alleine oder zu mehreren?

Shpresa Matoshi: Im Moment, aufgrund von Corona, alleine. Sonst sind wir mindestens einmal in einer Prüfgruppe zusammen.

Matthias Klaus: Wie viele Leute sind da in einer Prüfgruppe?

Shpresa Matoshi: Mindestens vier, also mit verschiedenen Behinderungen, damit es einen Wechsel gibt. Also mindestens vier Prüfer auf jeden Fall.

Matthias Klaus: Und dann kriegen Sie so einen Text und reden Sie da drüber oder lesen Sie den einfach und ändern den oder wie funktioniert das?

Shpresa Matoshi: Nein. Also einer liest vor und wenn einer es nicht versteht sagt er: "Also, pass auf. Ich verstehe das nicht". Dann wird es markiert und geschrieben warum: Also, was verstehst du nicht? Oder brauchst du eine Erklärung? Es wird auch eben halt markiert, geschrieben, aber auch drüber gesprochen.

Matthias Klaus: Was finden Sie denn jetzt schwer an Texten? Wenn Sie einen Text kriegen was würden Sie denn so ändern im Normalfall?

Shpresa Matoshi: Ich verstehe, wenn ich jetzt von mir selber ausgehe, viele Fachbegriffe nicht. Also es sind einfach auch Fachbegriffe: Es kommt drauf an, was das jetzt für ein Text ist. Ich sag mal: Wenn es Behördentext ist, sind da meistens auch immer schwere Fachbegriffe drin. Die verstehe ich z.B. nicht. Und dann lese ich mir die Erklärung dazu durch. Und wenn die nicht genug erklärt, markiere ich das halt. Also es sind generell Fachwörter und Fremdwörter immer was schwierig für mich ist zu verstehen. 

Matthias Klaus: Für welche Arten von Behinderung ist denn die leichte Sprache da wichtig? Also für wen ist das?

Shpresa Matoshi: Es ist immer für Menschen mit Lernschwierigkeiten, aber auch für ältere Menschen und Leute, die aus dem Ausland kommen. Also eigentlich fast für alle Bereiche. Also da mach ich zum Beispiel keine Abgrenzung. Ich finde es überall, wo halt auch viele Leute die demenzkrank sind, z.B. auch vielleicht, dass die eine Zeitung gut verstehen können oder so. 

Matthias Klaus: Warum sollte es mal so ganz allgemein gesprochen mehr leichte Sprache geben?

Shpresa Matoshi: Es ist einfach... Man wird nicht ausgeschlossen, sag ich mal so rum. Weil viele Menschen mit Behinderung - speziell jetzt ich - hab ne Lern- Leseschwäche. Ich fühl mich dann immer ausgeschlossen, wenn ich nicht mitreden kann. Und durch die leichte Sprache wird es halt für Menschen mit Behinderung einfacher, Teilhabe zu haben mit Menschen, die keine Behinderung haben. 

Matthias Klaus: Jetzt haben wir hier mal ein Beispiel. Leichte Sprache zunächst mal ein Originaltext. Das ist der Artikel 15 des Grundgesetzes. Und dann haben wir auch gleich die Leichte-Sprache-Version.

Sprecher: Grundgesetz Artikel 15: Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14, Absatz 3, Satz 3 und 4 entsprechend.

Matthias Klaus: Und jetzt kommt hier die Version in Leichter Sprache.

Sprecher: Grundgesetz Artikel 15: Bestimmte Sachen können allen Menschen gehören. Der Staat kann das Eigentum von Personen vergesellschaften. Vergesellschaften bedeutet: das Eigentum gehört dann der ganzen Gesellschaft. Die Gesellschaft sind alle Menschen in einem Land. Dafür gibt es Gesetze. Es geht um diese Arten von Eigentum: Grund und Boden, z.B. ein Grundstück, ein Wald, eine Wiese. Naturschätze: z.B. Kohle, Erdöl, Erdgas. Produktionsmittel: z.B. eine Fabrik, eine Maschine. 

Für das Eigentum gibt es eine Entschädigung. Eine Entschädigung ist Geld. Die Regeln für die Entschädigung stehen in einem Gesetz. Aber der Staat hat dieses Grundrecht noch nie genutzt. Warum steht dieses Recht dann im Grundgesetz?

Das Grundgesetz wurde 1949 geschrieben. Das war kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Wirtschaft musste wieder aufgebaut werden. Wirtschaft bedeutet: Das ist alles, was Menschen mit Geld machen. Die Menschen kaufen etwas mit Geld. Damals war noch nicht klar. Welche Regeln sollen für die Wirtschaft gelten? Viele Politikerinnen und Politiker waren damals für dieses Recht. 

Matthias Klaus: Das ist ja jetzt doch wesentlich länger als das Original und da kommt natürlich spätestens ab der Stelle, wo der Kollege "aber" sagt ja, die Frage auf: "Das jetzt steht aber doch nicht mehr im Original drin!" Wir verlassen hier wirklich das Original. Ist das üblich bei leichter Sprache, dass man versucht, Kontext herzustellen?

Thorsten Lotze: Was heißt üblich? Also da ist es wichtig, Kontakt mit der Zielgruppe zu haben und zu wissen, was kann man voraussetzen und was kann man nicht voraussetzen. Und manchmal muss man Sachen dann erklären, um Einverständnis zu erzeugen.

Matthias Klaus: Es könnte also, auch wenn das jemand anders macht, anders ausfallen. Wenn Sie andere Leute haben, die das mit ihnen testen oder wenn sie selbst jemand anders sind, dann würde so ein Text eventuell anders ausfallen. Man kann das nicht aus den Regeln ablesen, wie jetzt so eine Übersetzung unbedingt wird.

Thorsten Lotze: Jein. Ich antworte da mal so drauf. Also zum einen, wenn Sie einen englischen Text übersetzen lassen, ist die Übersetzung eine andere, wenn Sie den in Hamburg in Auftrag geben oder in München. Das ist, glaube ich recht normal.

Aber ja, die Leichte Sprache ist ja wesentlich bekannter geworden, habe ich eben schon geschildert. Und damit sind auch viele, ich sag mal "auf diesen Zug aufgesprungen". Das heißt, es gibt nicht nur das Netzwerk für Leichte Sprache, welches die Regeln entwickelt hat, sondern es gibt auch noch andere Einrichtungen, die mit der leichten Sprache arbeiten.

Und zum Teil gibt es auch unterschiedliche Regelwerke. Weil das manchmal dann sehr schwierig auch für Außenstehende oder auch für die Bundesregierung ist, hat Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beim Deutschen Institut für Normen, also dem DIN-Institut, einen Auftrag gegeben. Und dieser Auftrag heißt: Die sollen Empfehlungen für die deutsche Leichte Sprache entwickeln. Und eben genau aus diesem Grund, dass das so unterschiedlich sein kann, versucht man das alles etwas anzugleichen, dass daraus irgendwann nach zirka drei bis sechs Jahren eine Norm werden kann.

Und das ist auch nicht ganz leicht, dieser Prozess. Aber das zielt eben nur drauf, dass der Text möglichst, möglichst gleich werden soll.

Matthias Klaus: Sie erwähnen ja mehrfach das Netzwerk Leichte Sprache wo Sie selbst drinnen sind. Können Sie mal ein bisschen erklären wer gehört zu diesem Netzwerk?

Thorsten Lotze: Das Netzwerk für Leichte Sprache hat sich 2006 gegründet. Da waren es anfänglich sechs Personen und Einrichtungen. Mittlerweile haben wir 170 Mitglieder, auch aus sieben Nationen.

Das heißt, Mitglieder sind so etwas wie große Behinderteneinrichtungen, wie die Lebenshilfe, die AWO, die Caritas. Oder es gibt auch dann solche kleinen Büros, so wie ich es habe. Überall im deutschsprachigen Raum, also Deutschland, Österreich, die Schweiz, Tirol, in Italien gibt's ein deutschsprachiges Gebiet, in Belgien, in Luxemburg, und in den Niederlanden.

Was machen wir? Wir versuchen vor allem die Leichte Sprache und die Rechte für Menschen mit Lernschwierigkeiten auch auf politischer Ebene zu stärken. Oder wir sind z. B. in diesem DIN-Prozess beteiligt und vertreten da vor allem Menschen mit Lernschwierigkeiten und versuchen, uns für sie einzusetzen.

Matthias Klaus: Gehen wir nochmal in die Praxis. Wir haben hier noch ein Beispiel, was Sie mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt haben. Es geht um Corona.

Sprecher: In diesem Rahmen können Sie verpflichtet werden, auch Untersuchungen und Entnahmen von Untersuchungsmaterial durch die Beauftragten des Gesundheitsdienstes an sich vornehmen zu lassen. Insbesondere erforderliche äußerliche Untersuchungen: Abstriche von Haut und Schleimhäuten, Blutentnahmen und Röntgenuntersuchung sowie das erforderliche Untersuchungsmaterial auf Verlangen bereitzustellen.

Matthias Klaus: Was war das jetzt, was wir gerade gehört haben?

Thorsten Lotze: Das ist ein Text, den ein Gesundheitsamt an Corona-Infizierte geschickt hat.

Matthias Klaus: Jetzt hören wir denselben Satz in Leichter Sprache.

Sprecher: Sie haben sich mit dem Corona Virus angesteckt. Sie müssen sich von Mitarbeitern vom Gesundheitsdienst untersuchen lassen.

Es sind diese Untersuchungen: Abstriche von der Haut und den Schleimhäuten. Abstrich bedeutet: Ein Mitarbeiter vom Gesundheitsdienst hat ein Wattestäbchen. Mit diesem Wattestäbchen geht er in ihren Rachen und ihre Nase. In schwerer Sprache heißt das, er nimmt einen Abstrich. Blutentnahme. Röntgen-Untersuchungen. Sie haben die Untersuchungsergebnisse bekommen.

Der Gesundheitsdienst möchte die Untersuchungsergebnisse haben. Sie müssen dem Gesundheitsdienst die Untersuchungsergebnisse geben.

Matthias Klaus: So, da versteht man doch schon viel mehr. Es ist ja zu Anfang der Corona Pandemie oft kritisiert worden, dass nicht genug Information in leichter Sprache da ist. Sie haben bestimmt den Überblick. Ist das inzwischen besser?

Thorsten Lotze: Also, wenn man dann solche Texte liest. Und ja, ich habe z.B. in diesem Schreiben einen Satz gefunden, der war insgesamt über acht Zeilen und zwei Seiten lang. Ich habe selber lange gebraucht, bis ich diesen Satz überhaupt erst verstanden habe - und dann noch mit dem Seitenumbruch und die ganzen Fremdwörter! Also da musste ich selber drei, viermal lesen und erst recht überlegen.

Und ich glaube, das ist schon Antwort genug. Also ich glaube, wir haben noch sehr, sehr viel vor uns und es gibt noch sehr viele Texte, wo sowas zu finden ist und wo wir ganz dringend etwas machen müssen.

Und gerade beim Thema Corona: Ich glaube schon, dass da noch Bedarf ist. Es gibt einzelne Unternehmungen - die Aktion Mensch hat natürlich auch sehr, sehr viel übersetzt - , aber mit dem Beispiel eines solchen Schreibens sehen Sie, dass da glaube ich noch viel zu tun ist. 

Matthias Klaus: Leichte Sprache bringt ja vielleicht auch Schwierigkeiten mit sich. Wie geht z.B. korrektes Gendern? Gibt es da inzwischen Regeln oder ist das noch in der Diskussion?

Thorsten Lotze: korrektes Gendern? Also normalerweise es gibt das schöne Gendersternchen, was eine sehr angenehme Lösung ist, weil es dann ja auch für alle Geschlechter ist. Doch es ist eigentlich so, dass Sonderzeichen eigentlich in der leichten Sprache auch nicht erlaubt sind. 

Matthias Klaus: Außer dem Doppelpunkt.

Thorsten Lotze: Außer dem Doppelpunkt. Genau, das heißt bei vielen Regeln aber auch: Vermeiden Sie! Das heißt nicht: Sie dürfen nicht! sondern: vermeiden Sie! Und oft heißt es auch Fragen Sie die Prüfer. Auch, um mal eben jetzt den Kopf aus der Schlinge zu nehmen. Das Gendersternchen ist halt... wird schon von vielen Büros genutzt und da wird es eine Regeländerung geben im Netzwerk. Da sind wir aktuell dabei.

Matthias Klaus: Das heißt, am Ende wird es das Gendersternchen werden wahrscheinlich.

Thorsten Lotze: Recht wahrscheinlich. Viele Büros arbeiten damit schon und auch wir müssen uns ja, so ein bisschen dem aktuellen Zeitgeschehen anpassen. Aber natürlich werden wir das zusammen mit Menschen mit Lernschwierigkeiten genauer erarbeiten. Das macht z.B. unsere AG Regel.

Matthias Klaus: Noch eine Frage, die mir immer wieder im Internet bei der Recherche über die Füße gefallen ist: Leichte Sprache und einfache Sprache. Können Sie mich aufklären, wo da der Unterschied ist? Gibt's einfache Sprache überhaupt? Oder ist das einfach nur so ein Wort?

Thorsten Lotze: Nein, die einfache Sprache gibt es auf jeden Fall. Es ist übrigens gerade auch so, dass im DIN-Institut die Empfehlungen für einfache Sprache geschaffen werden: Leichte und einfache Sprache.

Die Leichte Sprache ist wesentlich regelgebundener. Das heißt: Wir haben um die vierzig Regeln. Also: kurze Sätze, kurze Wörter. Und die einfache Sprache ist lange nicht so regelgebunden. Das heißt: Sie müssen z.B. auch nicht mit Bildern arbeiten.

Die Leichte Sprache sagt: "Sie müssen mit Bildern arbeiten". Zu jedem Gedanken, sagt man, soll möglichst ein Bild kommen, damit Menschen, wenn sie ein Bild sehen, sofort den Einstieg in den Text haben. Und da geht so ein bisschen die Reise hin.

Die einfache Sprache ist ein etwas anderes Lesniveau. Es hat einen höheren Lese-Level. Wenn man da nach GERS geht, also dem Gesamteuropäischen Referenzrahmen für Sprache, kurz GERS, dann ist die einfache Sprache auf dem B1 Niveau und die leichte Sprache ist auf dem A1 Niveau.

Die meisten Sprachkurse für Menschen aus anderen Ländern, die kommen, die fangen auf dem B1 Niveau an. Und ganz ganz wichtig bei einfacher Sprache muss der Text auch nicht von der Zielgruppe überprüft werden. Also nicht von Menschen mit Lernschwierigkeiten. 

Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" Bei mir am Telefon zu Gast war Thorsten Lotze vom Netzwerk für Leichte Sprache. Herr Lotze, ich danke Ihnen sehr herzlich dafür, dass Sie Zeit hatten.

Thorsten Lotze: Ich danke Ihnen, Herr Klaus.

Matthias Klaus: Das war "Echt behindert!" Mein Name ist Matthias Klaus.

Sprecher: Mehr Folgen unter dw.com/echtbehindert.

Hinweis der Redaktion: Dieses Transkript wurde unter Nutzung einer automatisierten Spracherkennungs-Software erstellt. Danach wurde es auf offensichtliche Fehler hin redaktionell bearbeitet. Der Text gibt das gesprochene Wort wieder, erfüllt aber nicht unsere Ansprüche an ein umfassend redigiertes Interview. Wir danken unseren Leserinnen und Lesern für das Verständnis.