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Training für die Ölkatastrophe

Frank Grotelüschen8. September 2012

Um in Zukunft besser auf Ölhavarien vorbereitet zu sein, üben Rettungskräfte in der Ostsee den Ernstfall. An einem solchen Manöver beteiligen sich schon mal 50 Spezialschiffe und mehr als 500 Experten.

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Feuerlöschübungen mit dem Schiff Louhi. Copyrightangabe: Finnish Border Guard
Training für Ölkatastrophe in FinnlandBild: Finnish Border Guard

Bislang wurde die Ostsee von vergleichsweise kleinen Ölunfällen heimgesucht. Das muss aber nicht so bleiben: "Der Tankerverkehr auf der Ostsee hat stark zugenommen, mittlerweile zählen wir 20.000 Tanker pro Jahr", sagt Bernt Stedt, Havarieexperte von der schwedischen Küstenwache. "Hinzu kommt, dass die Schiffe immer größer werden." Die Folge: Da sich in der Ostsee der Verkehr auf wenige Schifffahrtsrouten konzentriert und es viele flache und schmale Passagen gibt, steigt das Risiko, dass dort ein großer Tanker verunglückt und eine verheerende Ölpest verursacht.

Genau eine solche Katastrophe haben die Experten bei der Übung "Balex Delta" simuliert. Mit einem richtigen Ölteppich übten sie allerdings nicht. Das wäre für die Umwelt viel zu riskant gewesen. Stattdessen streuten sie ein wenig Torf ins Wasser, um die Ausmaße des Ölteppichs zumindest ansatzweise nachahmen zu können.

Ölkatastrophe nähe der Küste von Rio de Janeiro Photo: ROGERIO SANTANA/RIO DE JANEIRO GOVERNMENT/HANDOUT/AE
Auf einen "echten" Ölteppich wie hier vor der Küste Brasiliens verzichteten die Ölexperten bei ihrer ÜbungBild: picture-alliance/dpa

Öl aufsammeln und abriegeln

Folgendes Szenario hatten sich die Einsatzleiter überlegt: Irgendwo zwischen Helsinki und Tallinn war ein Tanker mit einem anderen Schiff zusammengestoßen. 15.000 Tonnen Rohöl waren ausgelaufen und auf die finnische Küste zugetrieben. Eine Flotte aus 50 Spezialschiffen sollte versuchen, des sieben Kilometer langen und einen Kilometer breiten Ölteppichs Herr zu werden.

Eines der Spezialschiffe: die Arkona aus Deutschland. An ihren Seiten kann sie zwei lange, metallene Arme ausfahren, die direkt auf der Wasseroberfläche aufsetzen. Mit diesen Armen kann die Arkona Öl vom Wasser abschöpfen: In den Armen drehen sich Bürsten, die das Öl von der Wasseroberfläche aufsammeln und an Bord befördern. Dort wird es in große Tanks gepumpt, um es später an Land entsorgen zu können.

Andere Schiffe waren dazu abkommandiert, Ölsperren zu errichten - kilometerlange, luftgefüllte Gummischläuche, die verhindern sollen, dass der virtuelle Ölteppich auf die finnische Küsten mit ihren zahllosen vorgelagerten Inseln zutreibt. "Man braucht ziemlich schwere Schiffe, um solche Sperren auseinanderzuziehen und an die richtige Position zu bewegen", sagt Markku Rissanen, Feuerwehrchef bei der Rettungsbehörde Helsinki. "Verschieben muss man die Ölbarrieren immer dann, wenn der Wind dreht und den Ölteppich in eine andere Richtung treibt."

Ölsperren halten Torf zurück. Foto: Finnish Border Guard
Ölsperren hinderten den Torf - als Ölersatz - an der AusbreitungBild: Finnish Border Guard

Wohin wird das Öl treiben?

Schützenhilfe erhalten die Rettungskräfte von Forschern wie Sakari Kuikka, Professor für Fischereiforschung an der Universität Helsinki. Sein Team hat eine Software entwickelt, die voraussagen kann, wie sich ein Ölteppich je nach Witterung in den nächsten Stunden und Tagen auf dem Wasser verteilen wird.

"Bei einer Ölpest können wir mithilfe der aktuellen Wettervorhersage simulieren, wohin das Öl wahrscheinlich treibt", erläutert Kuikka. "Unser Programm berücksichtigt dabei besonders diejenigen Küstengebiete, in denen gefährdete Tierarten leben." Ist zum Beispiel bekannt, dass in einer bestimmten Bucht einige vom Aussterben bedrohte Arten leben, kann den Einsatzkräften empfohlen werden, bevorzugt diese Bucht mit einer Ölsperre abzuriegeln.

Doch die größte Herausforderung bei Balex Delta, der großen Ölpest-Übung, war eine andere: die Koordination der vielen Spezialschiffe und Einsatzkräfte. "Während dieser Übung probten wir die ganze Kette der Ölbekämpfung - von der Alarmierung bis hin zur Bergung des Öls", erläutert Markku Rissanen. "Das war eine Herausforderung, weil mehr als 500 Leute, fast 30 Schiffe, zwei Hubschrauber und ein Dutzend verschiedene Behörden eingebunden waren."

Hubschraubereinsatz beim Ölkatastrophentraining Foto: Finnish Border Guard
Eine Einsatzzentrale koordinierte alle Schiffe, Hubschrauber und Experten bei der ÜbungBild: Finnish Border Guard

Im Extremfall hilft nur Abwarten

Um das Manöver zu koordinieren, war auf einem der Schiffe eine Einsatzzentrale eingerichtet, die Schaltstelle des Manövers. Alles in allem lief die Übung nach Plan. Nicht weiter verwunderlich, denn während des Manövers war die Sicht gut und die See ruhig - Idealbedingungen für die Ölbekämpfung. Nur: Oft passiert eine Havarie bei schlechtem Wetter. "Dann stoßen unsere Methoden an ihre Grenzen", sagt Küstenwachen-Fachmann Bernt Stedt.

Die leistungsfähigsten Spezialschiffe können bei Wellenhöhen bis maximal zweieinhalb Metern operieren. Bei einem kräftigen Orkan jedoch werden die Wellen deutlich höher. "Dann geht nichts mehr", sagt Stedt. "Dann bleibt uns nichts anderes übrig, als auf ruhigeres Wetter zu warten, bis unsere Schiffe auslaufen und das Öl aufsammeln können."