1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Islamisten und Tourismus

3. Januar 2012

Schon vor dem Ende der ägyptischen Parlamentswahlen stehen die Sieger fest: die Islamisten. Was bedeutet das für den Tourismus, dem wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes? In Ägypten bleibt man gelassen.

https://p.dw.com/p/13bI0
Ferienort El Gouna, Ägypten (Foto: DW)
Ferienort El GounaBild: DW
Gizeh Pyramiden bei Nacht (Foto: DW)
Pyramiden von Gizeh bei NachtBild: DW

Die Kulisse war spektakulär. In einem Festzelt vor den Pyramiden von Gizeh am Rande von Kairo wurde vor einigen Tagen der Vertrag unterschrieben, dass Ägypten das Partnerland der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin 2012 sein wird. Dadurch wird dem Land viel Aufmerksamkeit zu Teil werden.

Die kann Ägypten gut gebrauchen. Seit dem Ausbruch der Revolution im Januar ist die Zahl der Touristen stark zurückgegangen. Der stellvertretende Tourismusminister des Landes, Hisham Zaazou, schätzt, dass im Vergleich zum Vorjahr 2011 die Zahl der Touristen um 30 bis 35 Prozent zurückgehen wird. Waren es im letzten Jahr 14,7 Millionen Urlauber, die Ägypten besuchten, wird ihre Zahl in diesem Jahr die 10 Millionen-Grenze nicht überschreiten. "Wir hoffen", sagt Hisham Zaazou, "dass wir 2012 wieder die Zahlen von 2010 erreichen können."

"Der Tourist ist ein scheues Reh"

Hisham Zaazou, stellvertretender ägyptischer Tourismusminister (Foto: DW)
Hisham Zaazou, stellvertretender ägyptischer TourismusministerBild: DW

Das wünschen sich auch die deutschen Reiseveranstalter. Während 2010 1,3 Millionen deutsche Urlauber nach Ägypten reisten, werden es 2011 lediglich geschätzte 800.000 sein. Der Appell des Präsidenten des Deutschen Reiseverbandes, Jürgen Büchy, an seine ägyptischen Gesprächspartner in Gizeh war deutlich: "Wir können leider nicht ignorieren, dass Fernsehbilder über Zusammenstösse zwischen bewaffneten Kräften und Demonstranten unserem gemeinsamen Ziel widersprechen, zur Normalität zurückzukehren."

Der Tourist verhalte sich, so Büchy, "wie ein scheues Reh". Wenn er glaubt, dass sich irgendetwas in seinem Reiseziel negativ auf seine kostbarste Zeit des Jahres, nämlich seinem Urlaub, auswirken könnte, dann wird er sich ein anderes Reiseziel aussuchen.

In diesem Jahr waren es Länder wie die Türkei und Griechenland, die von den politischen Umwälzungen in Ägypten profitiert haben. Wie es 2012 sein wird, hängt nicht nur davon ab, ob sich die politische Situation stabilisieren wird. Schon wird die Frage gestellt, was passiert, wenn die Islamisten die Regierung stellen werden?

Tourismus als Wirtschaftsfaktor

Die bisherigen Wahlergebnisse in Ägypten zeigen: Stärkste politische Kraft wird die Muslimbruderschaft sein, gefolgt von den viel rigideren Salafisten, die vom saudischen Islam beeinflusst sind. Werden sie versuchen, streng konservative Wertvorstellungen auf den Tourismus anzuwenden - den Alkoholkonsum zu verbieten, das Tragen von Bikinis?

Benutzerregeln des Pools im Mövenpick-Hotel, El Gouna (Foto: DW)
Benutzerregeln des Pools im Mövenpick-Hotel, El GounaBild: DW

Wohl kaum, sagt Tourismusminister Mounir Fakhry Abdel Nour, ein Christ und Mitglied der säkularen nationalliberalen Wafd-Partei. Auch die Islamisten werden dafür sorgen müssen, dass jedes Jahr 800.000 junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt drängen, Beschäftigungsmöglichkeiten finden oder dass Staatshaushalt und Außenhandelsbilanz ausgeglichen sind. Dafür brauche es, so Abdel Nour, den Tourismus. Jeder sechste Beschäftigte des Landes arbeitet hier, er ist der wichtigste Wirtschaftszweig und in ihm steckt noch viel Potenzial. Der Tourismusminister ist sich sicher, wenn man dieses Potenzial richtig nutzt, könne man 2020 die Zahl der Touristen auf 25 Millionen steigern.

Vorbilder für eine solche Entwicklung sind Länder wie die Türkei oder auch Malaysia. Obwohl sie von islamisch geprägten Regierungen geführt werden, konnten diese Länder im letzten Jahrzehnt die Zahl der Touristen kontinuierlich steigern: Die Türkei auf fast 29 Millionen im Jahre 2010, Malaysia auf 24 Millionen. In beiden Ländern machen die sogenannten Strandtouristen ebenso wie in Ägypten über 80 Prozent der ausländischen Urlauber aus.

Islamisten und Tourismus

Marc Michel, Umweltbeauftragter von El Gouna (Foto: DW)
Umweltbeauftragter von El Gouna: Marc MichelBild: DW

Diese Fakten scheinen auch die ägyptischen Islamisten zur Kenntnis zu nehmen. Vertreter der Muslimbruderschaft haben in letzter Zeit wiederholt erklärt, dass es im Tourismus so weiter laufen wird wie bisher. Und auch die Salafisten haben sich nach ihrem Wahlerfolg vom zunächst erwogenen Verbot für Strände für beide Geschlechter distanziert.

In der Tourismushochburg Hurghada am Roten Meer haben die Wähler diese Versprechungen geglaubt, zumindest die der Muslimbruderschaft. Wie im übrigen Land erhielt auch hier bei der Parlamentswahl die von ihnen unterstützte Partei "Freiheit und Gerechtigkeit" die meisten Stimmen. Darauf angesprochen, reagiert Marc Michel, ein Christ und Beauftragter für Umweltfragen im benachbarten mondänen Ferienort El Gouna, gelassen.

Man solle die Islamisten ruhig regieren lassen. Stelle man aber irgendwann fest, dass sie das Land nicht gut regieren, dann, so Michel, "werden wir zum Tahrir-Platz zurückkehren und sie absetzen."

Für die Demokratie im Lande ist diese Haltung sicherlich gut, für das "scheue Reh" Tourismus wohl weniger. Aber mit diesem Dilemma muss Ägypten leben.

Autor: Panagiotis Kouparanis

Redaktion: Klaus Ulrich