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Musik

"Bill fühlte sich von Trumps Wahl angegriffen"

Mikko Stübner-Lankuttis
2. März 2017

Tokio Hotel sind zurück. An diesem Freitag erscheint ihr fünftes Album. Die Band um Deutschlands berühmteste Zwillinge Bill und Tom Kaulitz zu musikalischer Unabhängigkeit, deutschen Texten und den US-Wahlen.

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DW Popxport Tokio Hotel
Bild: Lado Alexi

Endlich erwachsen: Tokio Hotel sind zurück

DW: Euer fünftes Album heißt "Dream Machine". Wovon träumen Tokio Hotel 2017?

Bill Kaulitz: Unser Gefühl ist gerade, dass wir uns einfach so unsere eigene Traummaschine basteln und nur noch das machen, worauf wir richtig Bock haben. Wir haben diese Produktion richtig genossen und unser Traumalbum gemacht. Und mit der Tour schaffen wir uns jetzt auch unsere Traumwelt.

DW: Ihr habt diesmal wirklich fast alles alleine gemacht. Tom ist der hauptverantwortliche Produzent - ist er auch ein Sound-Diktator?

Gustav Schäfer: Das ist ein gutes Wort: Sound-Diktator kann man schon sagen.

Georg Listing: Nein, nicht der Diktator, sondern der Guru.

Bill: Nee, das ist er tatsächlich schon ein bisschen: Tom sitzt den ganzen Tag im Studio, macht eigentlich nichts anderes von früh bis spät - und so haben wir auch alle unsere Rolle und unsere Aufgabe. Aber wir sind ja auch alle - meistens - einer Meinung.

Was war bei der Soundfindung euer größter Reibungspunkt?

Bill: Das Ganze ist einfach so eine Reise. Wir machen uns frei davon, dass überall eine Gitarre geben muss, weil wir eine Band sind. Live ist es zum Beispiel so, dass Tom und Georg da ein ganzes Ufo mit Instrumenten, Keyboards und Pads haben und eigentlich alles machen. Mittlerweile macht jeder alles: Wir sind nicht mehr die klassische Rockformation, die da mit Gitarre und Verstärker steht. Unser Sound ist über die Jahre gewachsen.

DW: Euer neues Album klingt sehr melancholisch. Wenn man sich aber eure Videoblogs und Instagram-Bilder ansieht, scheint es doch gerade in den letzten Monaten wieder gut bei euch zu laufen. Woher kommt die Traurigkeit?

Bill: (lacht) Also irgendwie trage ich trotzdem so eine Traurigkeit oder so eine Schwere mit mir. Das hatte ich schon immer. Ich hab auch das Gefühl, dass ich als Künstler und Sänger immer besser war, wenn es mir nicht so gut geht.

Tom: Das liegt einfach daran, wie wir Songs schreiben: Es ist überhaupt nicht so, dass wir das Leben scheiße finden. Aber in glücklichen Momenten schreiben wir einfach keine Songs. Das total große Glück muss man eigentlich nicht verarbeiten – da ist man einfach glücklich…

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Tokio Hotel mit DW-Reporter Mikko Stübner-Lankuttis (Mitte)

DW: Eine ganze Generation von Fans hat wegen eurer Songs Sprachkurse belegt und wollte die deutsche Sprache lernen. Schon auf dem letzten Album habt ihr euch komplett von deutschen Texten verabschiedet. Auf "Dream Machine" gibt es nur ein einziges deutsches Wort: "Tanzen". Warum?

Bill: Irgendwie war das Deutsche halt irgendwann weg. Wir haben ja relativ früh angefangen, unsere Alben zu übersetzen, und irgendwann haben wir nur noch auf Englisch geschrieben. Es war einfach zu anstrengend, das alles immer ins Deutsche zu übersetzen, das funktioniert teilweise auch gar nicht.

Tom: Eigentlich ist unsere Regel, nichts mehr zu übersetzen. Wir sagen einfach: Wenn wir einen Song auf Deutsch schreiben, dann kommt er auch auf Deutsch. Und wenn wir einen Song auf Englisch schreiben, kommt er auf Englisch.

Bill: Wir waren so inspiriert von Berlin, und darum kommt in dem Song "Boy Don't Cry" auch ein deutsches Wort vor. Ich hab's dann einfach so gelassen, weil es geil klang.

DW: Tom und Bill leben ja seit mehr als sechs Jahren in Los Angeles. Gustav und Georg sind dagegen wieder nach Magdeburg gezogen. Ist diese Entfernung kein Problem für die Produktion des Albums gewesen?

Georg: Nein, also wir haben ja Anfang 2016 zwei Monate lang hier in Berlin im Studio verbracht und den Grundstein vom Album gelegt. Dann sind die Jungs zurück nach L.A. und haben weiter gearbeitet. Im Sommer waren Gustav und ich dann in L.A., und zuletzt haben wir die Platte in Berlin "gefinisht". Wir sind die ganze Zeit über in Kontakt und tauschen Ideen aus.

DW:Tom und Bill, wie fühlt sich das Leben als Ausländer in den USA gerade an?

Bill: Für uns ist das natürlich auch schwierig und ein wichtiges Thema. Ich glaube aber, das ist auch hier in Deutschland mit der AfD und diesen ganzen Sachen nicht anders. Das ist eher ein weltweites Problem. Aber in Amerika ist das eben jetzt schon Realität. Man muss aber sagen, dass L.A. auch so eine Blase ist, weil da natürlich kein Mensch Trump gewählt hat. Dementsprechend waren alle auch schockiert.

Tom: Wir gehen eher nach Amerika zurück und werden daran arbeiten, dass Kalifornien unabhängig wird.

Bill: Genau. Aber für uns ist es natürlich auch so: Wir müssen jetzt erstmal gucken – wenn wir kein Visa bekommen, dann sind wir zurück in Deutschland. (lacht) Also ich weiß nicht, wie einfach das in Zukunft auch für uns wird.

DW: Andere Musiker formulieren ja klar ihren Protest: Der deutsch-russische Elektro-Musiker Zedd lebt ja auch in Los Angeles und hat für den 3. April ein Fundraising-Konzert angekündigt. Er unterstützt damit – zusammen mit hochkarätigen US-Künstlern wie Macklemore und Imagine Dragons – die gemeinnützige Organisation American Civil Liberties Union. Wäre das was für euch?

Bill: Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass man vor Konfrontationen nicht wegrennt. Für mich ist da jetzt auch nichts, weshalb ich sofort das Land verlassen müsste. Ich glaube einfach, dass man jetzt seine Meinung sagen muss. Und wenn's da solche Festivals gibt, dann finde ich das super. Wir waren nach der Wahl auch am nächsten Tag auf der Straße und haben in L.A. demonstriert.

DW: In Zeiten der Trump-Regierung kommen Protestsongs wieder in Mode: Wäre sowas für Tokio Hotel vorstellbar?

Georg: Einen großen politischen Song? Weiß ich nicht unbedingt. Aber wir haben natürlich zu Politik eine Meinung.

Tom: Also dass, wir jetzt musikalisch konkret etwas aussprechen… das ist einfach nicht so unser Stil. Aber wir haben natürlich das Gefühl, dass wir mit den Songtexten, die wir machen, und auch mit unseren Videos, für eine bestimmte Sache stehen. Bill hat sich, als Trump gewählt wurde, persönlich angegriffen gefühlt. Der rannte zwei Wochen lang durch die Gegend und hat sich mit jedem angelegt.

Bill: Ja, das ist als Künstler schon ein Schlag ins Gesicht und verletzt ja auch. Aber ich glaub, das geht jedem so: Wenn man seine Songs schreibt mit Sachen, an die man glaubt und die man vermitteln will… und dann gibt's da Politiker, die irgendwie das Gegenteil machen und dann auch noch gewählt werden - das nimmt man dann persönlich. Aber ich glaube, Politik ist auch persönlich. Und da hat auch jeder das Recht auf eine Meinung.

Das Gespräch führte Mikko Stübner-Lankuttis.