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Literatur

Thomas Bernhard: "Holzfällen"

Aygül Cizmecioglu spe
7. Oktober 2018

Niemand konnte so herrliche Schimpftiraden abfeuern wie er. Thomas Bernhard grantelte gegen alle – Dichter ohne Talent, österreichische Großstadtzampanos und Burgschauspieler mit Riesenego. Daraus machte er Meisterwerke.

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Thomas Bernhard
Bild: picture-alliance/dpa

Lernte man Österreich nur über die Bücher Thomas Bernhards kennen, wäre es wahrlich kein Land mit Sympathiefaktor. Es wäre bevölkert von arroganten Schnöseln und größenwahnsinnigen Pseudokünstlern, die sich durch eine kräftige Neigung zur historischen Verdrängung und Kleingeistigkeit auszeichneten. Bernhard, der große Grantler – er liebte sein Heimatland insgeheim und arbeitete sich ein Leben lang daran ab. Als einer, der seine Enttäuschung in eine Suada von Gehässigkeiten packt. Genau dafür wurde er als Schriftsteller gefeiert. 

Herrlich böse!

Wie amüsant und klug diese literarischen Tiraden geschrieben sind, zeigt sich auf jeder Seite seines Romans "Holzfällen". Das Buch ist ein echter Bernhard: eine Art Kammerspiel mit wenig Handlung und vielen skurrilen Typen, die mit steigendem Alkoholpegel auch ihre Hemmungen verlieren.

"Holzfällen" von Thomas Bernhard

Der Erzähler nimmt widerwillig die Einladung zu einem "künstlerischen Abendessen" an. Ein Schaulaufen der Wiener Kulturschickeria beginnt - talentlose Dichter, überambitionierte Ehefrauen und der Stargast, ein gefeierter Burgschauspieler, der stundenlang auf sich warten lässt.  

"Die leben und leben und leben und langweilen sich im Grunde durch ihr ganzes Leben und werden älter und älter und älter und sind nichts als nutzlos."

Mit einem Champagnerglas in der Hand lümmelt der Erzähler in einem Ohrensessel und schaut sich die Parade dieser "Künstlerattrappen" und "Gesellschaftsonanisten" an. Hass, Verachtung fließen ein in einen Strom aus Endlossätzen und messerscharfen Beobachtungen.

"Künstlertum heißt in Österreich für die meisten, sich dem Staat, gleich welchem, gefügig zu machen und sich von ihm aushalten zu lassen, lebenslänglich. Das österreichische Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet."

Granteln im Ohrensessel

Das Burgtheater auf der Wiener Ringstraße, Nachtaufnahme
Geliebt und gehasst - das Wiener Burgtheater.Bild: picture alliance/picturedesk.com/W. Gredler-Oxenbauer

Soviel Häme, soviel Verachtung! Mit diesem Buch wurde Thomas Bernhard 1984 endgültig zum Skandalschriftsteller. Ein Komponist und ehemaliger Freund fühlte sich wiedererkannt und bösartig verzerrt. Er klagte, bekam in erster Instanz Recht. Erst nach komplizierten Verhandlungen konnte das Buch wieder auf den Markt. Dass die Klage den Verkauf des Romans beförderte, muss Bernhard, den passionierten Rechthaber, sehr gefreut haben. 

Der Österreicher konnte herrlich austeilen und war selbst doch Teil des von ihm verhassten Künstlerklüngels. In "Holzfällen" schmäht er das Burgtheater als "Dichtervernichtungsanstalt". Im echten Leben wäre Bernhard nur allzu gerne Direktor des renommierten Hauses geworden. Allein, es sollte nicht sein. Ein anderer schnappte ihm den Job weg. Fortan verbot Bernhard aus gekränkter Eitelkeit, dass seine Stücke an der Burg gespielt werden. 

Es ist dieses Wechselspiel von Fiktion und Realität, von geschriebener und erlebter Gehässigkeit, das Bernhards Literatur auszeichnet. Wiederholungen, Einschübe – nur wenige Autoren konnten so meisterhaft ihren Geschichten einen ganz eigenen Rhythmus, eine echte Melodik geben. Der große Eigenbrötler Bernhard vermochte das. 

 

Thomas Bernhard: "Holzfällen" (1984), Suhrkamp Verlag

Thomas Bernhard, geboren 1931 in Heerlen (Niederlande), war einer der bekanntesten und literarisch einflussreichsten österreichischen Schriftsteller. Er hat als Autor von Gedichten, Erzählungen, Romanen und Theaterstücken ein Gesamtwerk geschaffen, das zu den bedeutendsten schriftstellerischen Leistungen des 20. Jahrhunderts zählt – und dabei immer "gestört und irritiert", wie er selber sagte. Er starb 1989 in Gmunden (Oberösterreich).