1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Theater mit Klasse

Janine Albrecht19. März 2013

Kunst, Musik, Theater: An vielen Schulen dieser Welt werden die drei Fächer gelehrt. Nur in Deutschland nicht. Da gehört das Theaterspiel nicht zum Unterricht. Hamburg hat das nun geändert.

https://p.dw.com/p/17xr5
Hamburger Grundschulkinder spielen im Unterricht Theater (Foto: DW/Janine Albrecht)
Bild: DW/J. Albreht

Theaterlehrerin Johanna Vierbaum kniet gemeinsam mit ihren neunjährigen Schülern auf dem hellblauen Teppichboden des Klassenraums. Stühle und Tische sind für den Theaterunterricht beiseite geräumt, überall liegen bunte Pappen herum. Für ihren Buchstabentanz schnappen sich die Schüler der Hamburger Grundschule Duvenstedter Markt die Pappen und beginnen sich wie ein A, B oder C zu bewegen.

Die Kinder kennen Theaterunterricht bereits seit ihrer Einschulung. Denn Johanna Vierbaum unterrichtet seit vielen Jahren das Fach Theater. Die Schüler freuen sich, dass es nun jede Woche im Stundenplan steht. Für ihre Lehrerin bedeutet der Pflichtunterricht, dass sie jetzt nicht immer um die Stunden kämpfen muss.

Vorbereitung auf die inszenierte Welt

Obwohl sich viele Pädagogen einig sind, dass im Theaterunterricht wichtige Kompetenzen vermittelt werden können, wird der Nutzen des Theaterunterrichtes oft noch hinterfragt. Ganz anders an angelsächsischen Schulen. In Großbritannien, aber auch in den USA oder Australien gehört das Fach "Drama" fest zum Lehrplan.

"Es ist wichtig, Kinder auf die heute immer mehr inszenierte Welt vorzubereiten", betont Erziehungswissenschaftler Professor Wolfgang Sting - und verweist auf den amerikanischen Wissenschaftler John McKenzie. Er meint sogar, dass Performance die Schlüsselqualifikation des 21. Jahrhunderts ist. "Kinder müssen lernen, sich selbst zu inszenieren", ist  Sting überzeugt. Dadurch würden sie auch umgekehrt Inszenierungen erkennen. "Deshalb muss es Theaterunterricht und Theaterlehrer geben."

Der Hamburger Erziehungswissenschaftler Prof. Wolfgang Sting leitet den Lernbereich Theater für Grundschullehrer (Foto: DW/Janine Albrecht)
Selbstinszenierung ist wichtig, meint Wolfgang StingBild: DW/J. Albreht

Theaterlehrer gesucht

Auch Sven Asmus vom Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung sieht im Theaterunterricht eine große Chance. Nun könnten einheitliche Bildungsstandards und Bildungspläne für den Unterricht erstellt werden und alle Schüler kämen in den Genuss des Theaterspielens. "Wenn Theater nur als Projekt angeboten wird, findet an einer Schule ganz viel und an anderen Schulen nahezu nichts statt", sagt Asmus. Er ist für die Theater-Fortbildungen zuständig, die die Behörde bereits seit vielen Jahren anbietet.

Durch die Einführung des Pflichtfaches ist die Nachfrage derzeit allerdings größer als das Angebot. Denn von den Unis kommen kaum Theaterfachlehrer nach. Nur an sieben deutschen Hochschulen gibt es einen entsprechenden Studiengang. Wolfgang Sting leitet an der Universität Hamburg den Lernbereich Theater. Es handelt sich dabei um einen Wahlbereich für Grundschullehrer, der insgesamt drei Seminare umfasst. "Das ist definitiv zu wenig und wir müssen unbedingt hier in die Puschen kommen und den Studiengang auch in Hamburg installieren", fordert Sting.

Hamburger Grundschulkinder spielen im Unterricht Theater (Foto: DW/Janine Albrecht)
Wie bewegen sich Buchstaben? Eine knifflige Aufgabe für die SchülerBild: DW/J. Albreht

Skepsis gegenüber dem "freien Denken"

Das dürftige Studienangebot spiegelt den Stellenwert des Faches Theater an deutschen Schulen deutlich wider. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein fristete es ein Schattendasein. An den Lateinschulen des Mittelalters habe es zwar auch Theaterunterricht gegeben, aber es sei dort nur um Benimmregeln gegangen, erläutert der Leiter des Schultheater-Studios Frankfurt, Joachim Reiss. Im 19. Jahrhundert habe man an den damaligen Volksschulen vor allem Gehorsam und Drill vermittelt. Weder Lehrer noch Theaterschaffende konnten sich ein Theaterfach an Schulen vorstellen. Freies Denken passte lange Zeit nicht zum Bildungsauftrag. Erst in den siebziger Jahren etablierte sich das Theaterspielen auf freiwilliger Basis an den deutschen Schulen.

In Hamburg-Duvenstedt neigt sich die Theaterstunde ihrem Ende. Die Drittklässler haben kurze Inszenierungen für ihren Buchstabentanz eingeübt. "Es geht darum, die Schätze, die in jedem einzelnen Schüler stecken, herauszulocken und die Kraft der Gruppe zu stärken", sagt Lehrerin Vierbaum. Im Theaterunterricht habe jeder die Chance sich einzubringen, egal, ob er schüchtern oder temperamentvoll sei. 

Hamburger Grundschulkinder spielen im Unterricht Theater (Foto: DW/Janine Albrecht)
Proben für den BuchstabentanzBild: DW/J. Albreht