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Für manche ist er ein Inbegriff von Muße, Genuss und Gemütlichkeit. Für andere steht der Tee für Tage, die man krank im Bett verbringt. Anders als in asiatischen Ländern fristet er in Europa eher ein Nischendasein.
Sprecherin:
Zeit für eine heiße Tasse Tee.
O-Ton:
"Ja, also ich bin Winterteetrinkerin, ich trinke bevorzugt im Winter Tee, und jeden Abend, regelmäßig, mache ich mir 'ne Riesenkanne und zelebriere das auch, und Tee würde ich auch nie in Hektik trinken zwischen Tür und Angel, sondern Tee strahlt auch so 'ne Gemütlichkeit aus, und ich kann gut nachdenken, auch während ich Tee trinke. Tee macht mich auch ruhig, während Kaffee mich innerlich oft aufwühlt. Und mich bringt auf die Palme: Überall kriegt man Kaffee angeboten – das ist ja sehr nett, aber niemand kommt auf die Idee, Tee anzubieten."
Sprecherin:
In China müsste sich diese Teetrinkerin wohl nicht ärgern, denn dort huldigte man dem Trank schon vor vielen Jahrtausenden. So pries der chinesische Dichter Lo Tung im 8. Jahrhundert seinen Tee mit folgenden Worten:
Zitat:
"Welcher Nektar! Das duftige Blättchen hängt wie eine schimmernde Wolke am heiteren Himmel oder schwimmt gleich einer Wasserrose auf smaragdgrünem Fluss."
Sprecher:
Ganz so poetisch empfinden deutsche Teetrinker wohl nicht, wenn sie ihr Getränk schlürfen, aber auch sie wissen, dass man die Tasse Tee nicht zwischen Tür und Angel genießen sollte, also nicht in Eile sein sollte. Um eine Riesenkanne, eine sehr große Kanne, zu leeren, braucht es ja schließlich seine Zeit. Die Verstärkung "Riesen-" hört man übrigens oft, wenn Größe oder Stärke betont werden soll - wie zum Beispiel bei "riesengroß", "Riesenhunger", "Riesenkräfte" oder "Riesenfortschritt". Jemanden auf die Palme bringen stammt aus dem Tierreich und bedeutet, jemanden wütend zu machen. Wenn Affen erregt sind, schwingen sie sich auf die Bäume oder eben auf die nächste Palme. Dann sind sie mit Sicherheit innerlich ziemlich aufgewühlt, eben aufgeregt.
O-Töne:
"Guten Tag, ich hätte gerne 100 Gramm Lemongrass-Tee". / "Lemongrass ist ein frischer Aufguss, wo man sich nicht so übertrinkt, ist auch oftmals in vielen erfrischenden sommerlichen Teerichtungen mit drin. So darf ich noch was für Sie tun?" / "Nee, das war's." / "3 Euro 86 Euro macht das bitte. Soll ich Ihnen ein kleines Tütchen geben?"
Sprecherin: "Cinderella" heißt der kleine, gemütliche Teeladen, in dem Susanne Kistenich ihre Kunden empfängt. Die Auswahl ist groß, und die Namen der Teesorten könnten aus der Feder des Dichters Lo Tung stammen:
Susanne Kistenich:
"'Acht Schätze des Shaolin', das ist ein Grüntee auch, dann 'Earl Grey' ist Standard, dann 'Gute Laune‘, 'African Winter', dann gibt's 'Stern von Afrika', dann gibt's aber auch so was wie 'Stressblocker', 'Jungbrunnen', 'Bleib in Form', 'Hatschi', der ist eine Kräutermischung, wenn sie richtig erkältet sind, richtig fieberhaft erkältet sind, kann der unterstützend wirken beim Heilungsprozess. Wenn der Kunde kommt und sagt: "Ja, ich möchte da so 'n Tee", und dann müssen Sie erst mal ein bisschen einkreisen, was er für Tee will, wann er den Tee gerne trinkt, ob morgens, mittags, abends, oder ob er gerne Zitrone im Tee trinkt, ob er etwas Aromatisiertes möchte, also einen Naturtee, ja, und somit grenze ich das halt immer mehr ein."
O-Töne:
"Hier gibt's so viele Sorten; für mich sind die meisten erst mal böhmische Dörfer." / "In so 'nem Teeladen bin ich richtig in meinem Element. Da kann man schön stöbern und entdeckt immer etwas Neues." / "Hmm, da ist 'Darjeeling', da ist 'Earl Grey' – Jasmintee, den mag ich am liebsten." / "Also Tee wirkt sehr beruhigend. Damit ich wieder auf den Teppich komme, macht mir meine Frau immer einen Tee."/ "Ich kauf' meinen Tee auch bevorzugt im Teeladen, wo ich gut beraten werde und nehme dafür in Kauf, dass der da auch etwas teurer ist."
Sprecher:
Teefreunde sind bei "Cinderella" in ihrem Element; das heißt, sie fühlen sich wohl. Diese Redewendung bezieht sich auf die antike Lehre von den vier Elementen. Wenn man einen Fisch an Land bringt, droht er zu ersticken. Wirft man ihn zurück in sein Element, das Wasser, geht es ihm wieder gut. Daher sagt man auch: Ich fühle mich wohl wie ein Fisch im Wasser. Ob ein Fisch wohl auch verschmutztes Wasser in Kauf nehmen würde, nur um nicht an Land zu sein? Wer etwas in Kauf nimmt, akzeptiert Unangenehmes, wenn er dadurch Gutes bekommt – sowohl im materiellen als auch im übertragenen Sinne. Diese Formulierung basiert auf der Erfahrung mit Händlern, die immer gerne versuchen, zusammen mit der begehrten Ware Schund loszuwerden. Manchmal sind Händler so dreist, dass sie ermahnt werden müssen, auf dem Teppich zu bleiben, nämlich sich anständig zu benehmen und nicht zu übertreiben. Ein wertvoller Teppich veranlasst fast jeden, sich gesitteter zu verhalten als auf einem Stein- oder Holzfußboden.
Sprecherin:
Für manche Kunden sind die vielen Teesorten böhmische Dörfer, sie sind ihnen völlig unbekannt. Populär wurde dieser Ausdruck im Dreißigjährigen Krieg. Soldaten, die in Böhmen kämpften, verstanden die tschechischen Namen der dortigen Dörfer nicht. Ähnlich die Formulierung: Das kommt mir spanisch vor. Hierin spiegelt sich der Widerstand protestantischer Kreise gegen die Einführung spanischer Bräuche in Deutschland zur Zeit Kaiser Karls V. wider, der zugleich König von Spanien war. Damit die verschiedenen Teesorten also keine böhmischen Dörfer bleiben, die dem Kunden spanisch vorkommen, versucht Susanne Kistenich, die Vorlieben der Kunden herauszubekommen. Sie kreist das Feld der Teesorten ein, sie grenzt es ein. Sie schränkt also die Auswahl ein und macht sie damit übersichtlicher. Mal sehen, was sie über die Herkunft des Tees weiß:
Susanne Kistenich:
"Man sagt, 2740 vor Christus: Ein chinesischer Kaiser hat Rast gemacht unter einem Baum und hat eben eine Schale heißes Wasser gereicht bekommen und wollte das an den Mund ansetzen, und dann kam der Wind und wehte ihm ein Blättchen in sein heißes Wasser von einem benachbarten Teestrauch. Und er fand eben diesen Geschmack so anregend erfrischend, und von da an wurde eben der Tee kultiviert in China."
Zitat:
"Tee weckt den guten Geist und weise Gedanken. Er erfrischt das Gemüt. Bist du niedergeschlagen, so wird Tee dich ermuntern."
Sprecherin:
Indien und China streiten sich bis heute darum, den Tee entdeckt zu haben. Die Kunde von einem exotischen Getränk brachten erstmals die Araber nach Europa. Und der Weltreisende Marco Polo berichtete 1285 von einem chinesischen Finanzminister, der sein blaues Wunder erlebte, als er die Teesteuer erhöhen wollte: Die Bevölkerung setzte ihn einfach ab. Aber erst im 17. Jahrhundert wurde das neue Getränk auch in Europa populär – zunächst als Medizin, später als In-Getränk des europäischen Adels.
Sprecher:
Heutzutage ist es die Aufgabe von "Tea-Tastern", also Teeverkostern wie Thomas Schulze,Teesorten zu probieren und einzukaufen.
Thomas Schulze: "Eine Teefirma verfügt in der Regel über ein so genanntes Muster- oder Probenzimmer, da ist dann so ein richtig großer Arbeitstresen, wo dann kleine Proben praktisch ausgebreitet werden und verkostet werden in speziellem Geschirr: Wie sieht der Tee aus? Wie fühlt er sich an? Wie riecht er, zum Beispiel schon allein in trockenem Zustand? Und natürlich letztendlich das Wichtigste: der Geschmack. Vanille, Zitrone, Orange, das sind sicherlich Klassiker, die auch noch ihre Relevanz, ihre Gültigkeit haben, aber, na ja, der Trend geht immer mehr zu verrückten Mischungen. Es ist eigentlich nichts verboten, neech, solange es dem Lebensmittelrecht und so entspricht. Aber, na ja, man kann nicht sagen, dass jetzt Tee unaufhaltsam auf dem Vormarsch ist, wenn man das jetzt zum Beispiel eben auch mit Kaffee oder Softdrinks vergleicht, da fristet der Tee ein eher, na ja, Nischendasein, so jetzt auf den Pro-Kopf-Verbrauch gesehen."
Sprecher:
Wenn etwas ein Nischendasein fristet, dann ist es nicht sehr begehrt. Es liegt eben in der hintersten Ecke, wo man es kaum wahrnimmt. So schlimm steht es aber um den Tee nicht, im Gegenteil: Bei vielen Leuten ist er sehr in. Das bedeutet, er ist in Mode. Dieser Ausdruck wurde aus dem Englischen entlehnt. Und wenn etwas auf dem Vormarsch ist, dann breitet es sich immer weiter aus, drängt immer weiter nach vorne – ähnlich wie eine Armee, die gegen den Feind marschiert. Wer sein blaues Wunder erlebt, der wird sehr unangenehm überrascht. Diese Wendung verdanken wir dem Zauberkünstler, der vor Ausführung seines Tricks blauen Nebel erzeugt, um die Sinne der Zuschauer zu täuschen.
Sprecherin:
Auch wenn laut einer bekannten Firma die von ihr jährlich hergestellten Teebeutel aneinander gelegt etwa sechsmal um die Erde reichen – echten Teetrinkern sind Teebeutel ein Graus.
O-Töne:
"Ich hasse diese Supermarkt-Teebeutel. Und jeder kann nach seiner Fasson selig werden, aber ich… da kriege ich die Krise, wenn ich sehe, dass ich so 'nen Teebeutel ausdrücke in lauwarmem Wasser und den noch im Aschenbecher entsorgen muss. Und da weiß ich auch gar nicht… da kann ich gar nicht sehen, was ich da reintue, und im Netz weiß ich, was ich reinfülle. Also der Teebeutel, da kann ich nicht reinblicken, und das ist so, als würde man die Katze im Sack kaufen." / "Ich bin 'ne eingefleischte Teetrinkerin, selbstverständlich, und dann auf keinen Fall diese Teebeutel, sondern frischer Tee muss es sein, wo die Blätter sich richtig gut entfalten können."
Sprecherin:
Und was meint Tee-Expertin Susanne Kistenich?
Susanne Kistenich:
"Das ist immer so ein zweischneidiges Schwert, man kann 'ne hohe Qualität auch im Teebeutel anbieten, aber natürlich dann nicht zu den Preisen, wo ich denke, dass manche den einfach auch so kaufen."
Sprecher:
Wer die Katze im Sack kauft, ist vielleicht etwas voreilig, denn er erwirbt die Ware, ohne sie vorher zu prüfen. Vielleicht sollte er vorher darauf bestehen, dass der Verkäufer die Katze aus dem Sack lässt, also offen darlegt, um was es sich handelt. Diese Wendung gilt auch im übertragenen Sinne: verrate mir dein Geheimnis, lass die Katze aus dem Sack. Vielleicht kriegt mancher dann die Krise, er regt sich auf. Oder er sagt: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden, jeder soll auf seine Weise glücklich werden. Diesen Ausspruch verdanken wir Friedrich dem Großen, der damit 1740 seinem Staatsminister auftrug, alle Religionen zu tolerieren. Bestimmt musste sich der Alte Fritz oft mit Dingen beschäftigen, die ein zweischneidiges Schwert waren, die also von zwei unterschiedlichen Seiten betrachtet werden konnten. Ob er ein eingefleischter Teetrinker war, also ein überzeugter Anhänger dieses Getränks, wissen wir allerdings nicht.
Sprecherin:
Übrigens sind beileibe nicht alle Deutschen eingefleischte Teetrinker:
O-Ton:
"Tee? Den mag ich absolut nicht, mit dem Gesöff kann man mich echt jagen."
Sprecherin:
Und Kabarettist Willi Podewitz schlägt mit diesen Äußerungen in die gleiche Kerbe:
Zitat:
"Eine Heißgetränkbestellung ersetzt ein komplettes Persönlichkeitsprofil. Kluge, charmante und weltgewandte Erdenbürger wissen, dass man Tee nicht einfach so und ohne Not bestellt. Dafür ist Tee nämlich gar nicht vorgesehen. Tee ist ein Aushilfsgetränk und Anstaltsaufguss und wird nicht umsonst stets da verabreicht, wo man nicht davor flüchten kann: in Krankenhäusern, Schullandheimen und in England. Tee macht blass und rothaarig, schmeckt nach infizierten Atemwegen, nach Bettpfanne, Wandertag und Küstennebel. Teeliebhaber sind genau wie ihr Getränk: Man muss sie ziehen lassen. Teetrinker prahlen mit Expertentum, müssen immer erst eine lange Liste mit absurden Teemischungen durchhecheln und gutgelauntes Kneipenpersonal mit den unmöglichsten Spezialbestellungen anöden."
Sprecherin:
Da haut jemand aber ganz gewaltig in die Kerbe, der Tee als übles Gesöff abtut: Er unterstützt also diese Meinung. Gesöff hängt mit Saufen zusammen und ist eine sehr abfällige Bezeichnung für ein Getränk. Die Redewendung in die gleiche Kerbe hauen stammt aus der Holzfällersprache. Ein Baum kommt schneller zu Fall, wenn die Axt immer die gleiche Stelle trifft und so eine Kerbe schlägt.
Sprecher:
Wenn man jemanden mit etwas jagen kann, dann ist es ihm sehr unangenehm. Dieses Bild entstammt der Jägersprache. Auch das Wild flieht, wenn es gejagt wird. Etwas durchhecheln hat allerdings nichts mit dem Hecheln eines Hundes zu tun, sondern bedeutet, dass man etwas ausführlich und von allen Seiten betrachtet.
Fragen zum Text
Von böhmischen Dörfern spricht man, wenn …
1. man etwas nur ungern tut.
2. etwas sehr alt ist.
3. einem etwas völlig unbekannt ist.
Ein Teeverkoster ist jemand, der …
1. Tee isst.
2. Tee probiert.
3. Tee kocht.
Die Redensart jeder soll nach seiner Fasson selig werden wird … zugeschrieben.
1. Friedrich dem Großen
2. Otto von Bismarck
3. Johann Wolfgang von Goethe
Arbeitsauftrag
Stellen Sie einen Besuch im Teeladen nach: Zwei in Ihrer Gruppe übernehmen die Funktion der Ladeninhaber, die anderen die der Kunden. Unter den Kunden sind mindestens zwei, die keine Tee-, sondern Kaffeetrinker sind. Versuchen Sie, diese Kunden umzustimmen, so dass sie mit einer Packung Tee aus dem Laden heraus gehen.
Autorin: Suzanne Cords
Redaktion: Beatrice Warken